Internationaler Schienenverkehr

Eine Blamage für die deutsch-polnische Bahnkooperation

Die Abschiedsfahrt des EuroCity „Wawel“ Hamburg—Berlin—Wrocław am 13. Dezember 2014 wurde zum Desaster


Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV)
IGEB Fernverkehr

5. Feb 2015

Die einzige Direktverbindung auf der Schiene zwischen Hamburg, Berlin und Wrocław (Breslau) mit EC 248/249 ist seit 13. Dezember 2014 Vergangenheit. Die Abschiedsfahrt von Hamburg nach Wrocław war dabei leider blamabel. Der angetroffene „Komfort“ bzw. „Service“ dieses Zuges: Zwei der vier Wagen fehlten an diesem Tag komplett. In dem einen der beiden verbliebenen Wagen (ein 2. Klasse-Wagen) funktionierte die Heizung nicht, ferner waren die Türen abgesperrt und damit nicht benutzbar. Doch damit noch nicht genug: Auch drei der vier Toiletten im Zug waren nicht benutzbar.

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Unverständlich war diese „Reisequalität“ speziell vor dem Hintergrund, dass die Teilnahme von Vertretern aus Politik, Medien und Fahrgastverbände bekannt war! Einmal mehr und noch dazu derart leichtfertig wurde so für Negativ-Schlagzeilen gesorgt.

IC-Bus war das Ende für den EC

Ein trauriger Anblick. Die Diesellok macht sich mit nur zwei Wagen von Cottbus auf den Weg Richtung Grenze. Foto: Christian Schultz

Bereits seit dem 15. April 2013 bietet die Deutsche Bahn auch einen IC-Bus als Direktverbindung zwischen Berlin über Wrocław nach Kraków (Krakau) an. Obwohl die Einführung dieser Bus-Verbindung offiziell als Ergänzung des EuroCity-Angebots bezeichnet wurde, war damit der Niedergang der Schienenverbindung wegen der Servicemängel und deutlich längeren Fahrzeiten eingeleitet. Für die künftige Entwicklung des deutschpolnischen Schienenverkehrs ist dies angesichts des ruinierten Images verhängnisvoll. Es dürfte künftig sehr schwer sein, Auto-, Flug- und Fernbusreisende wieder für die Schiene zu gewinnen, besonders bei einem eigenwirtschaftlich zu betreibenden Fernverkehrsangebot.

Möglichkeiten für eine qualitative Verbesserung des Angebots auf der Schiene gibt es seit vielen Jahren, geschehen ist dagegen angesichts der Konkurrenz durch andere Verkehrsträger leider deutlich zu wenig. Der Umsetzung dieser Vorschläge kommt aber insofern Bedeutung zu, da der stetige Abbau des Angebots auf der Schiene dem politischen Ziel eines zusammenwachsenden europäischen Wirtschaftsraumes widerspricht.

Der Fachausschuss Mobilität der SPD Berlin hat beispielsweise folgendes Stufenkonzept zur Revitalisierung o. g. Verbindung erarbeitet, das nachfolgend zusammengefasst ist:

Stufe I (2016)

Wrocław wird 2016 Kulturhauptstadt Europas, was zu einer entsprechend höheren touristischen Nachfrage führen dürfte. Vorgeschlagen wird daher

  1. eine Triebzug-Verbindung (morgens hin, abends zurück) über Cottbus und Nutzung des dann sanierten Streckenabschnitts (Knappenrode—)Horka—Grenze Deutschland/Polen. Die Fahrzeit kann so auf etwa 3,5 Stunden reduziert werden und wäre damit im Vergleich zur Fahrzeit des IC-Busses von 4:14 Stunden sogar attraktiver.
  2. Der EuroCity „Wawel“ wird wieder eingeführt, allerdings mit geändertem Laufweg über Frankfurt (Oder)—Zielona Góra—Wrocław ab/bis Kraków.

Die Fahrzeit auf dieser im polnischen Teil dann teilsanierten Strecke ermöglicht zwischen Berlin und Wrocław vorerst wiederum nur Fahrzeiten von rund 5 Stunden. Von Vorteil ist jedoch, dass mit dieser Linienführung ein Zuschussprogramm für Fernzüge des polnischen Infrastrukturministeriums genutzt werden kann (wegen der Anbindung von Zielona Góra). Außerdem kann auf der Gesamtstrecke mit elektrischer Traktion gefahren bzw. der bisherige zeit- und kostenintensive Lokwechsel vermieden werden. Die Sanierung der „Oderbahn“ von Szczecin (Stettin) über Zielona Góra (Grünberg) nach Wrocław bzw. der Ausbau dieser Strecke für 120 km/h hat dabei auch für den polnischen Binnenverkehr hohe Bedeutung; zukünftig können daher über diese Route zwischen Berlin und Wrocław Fahrzeiten von ca. 4 Stunden erreicht werden.

Stufe II (2018)

Mit Fertigstellung der Ausbaustrecke Knappenrode—Horka—Grenze Deutschland/Polen bzw. der Elektrifizierung voraussichtlich Ende 2017 werden drei EuroCity-Zugpaare mit dem Laufweg (Hamburg—)Berlin—Cottbus—Senftenberg—Hoyerswerda—Wrocław—Opole angeboten. Durch diesen Laufweg kann zwischen Berlin und Wrocław dann eine Fahrzeit von etwa 3,5 Stunden erreicht werden. Drei Zugpaare stellen dabei ein attraktives Grundangebot u. a. für Touristen und Geschäftsreisende dar.

Bei diesem Vorschlag ist auch die Integration der Züge in den VBB-Tarif ab/bis Hoyerswerda möglich.

Stufe III (2025 bis 2030)

Durch den Ausbau bzw. die Elektrifizierung der kürzeren Verbindung Cottbus—Forst—Legnica (Liegnitz) für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h kann die Fahrzeit Berlin—Wrocław auf attraktive 2,25 Stunden reduziert werden. Dafür ist jedoch die Aufnahme dieser Strecke in das europäische TEN-Netz erforderlich.

[Bild]201501_blamage_02.jpg|Politische Anteilnahme in Cottbus. Vertreter von SPD, Grünen und IHK bei der letzten Fahrt des „Wawel“.|Foto: Christian Schultz|Vertreter der Politik[/Bild]

Eine kurzfristige Möglichkeit zur Schaffung von Direktverbindungen Berlin—Wrocław bietet des Weiteren der Einsatz von Dieseltriebwagen der Baureihe 642 durch eine Verknüpfung mit den drei bestehenden Zugpaaren des „Dresden—Wrocław-Express“ (Flügelung/Kopplung in Görlitz oder Węgliniec). Die Fahrzeit Berlin—Wrocław beträgt bei dieser Lösung ca. 4:20 Stunden und liegt damit in der Größenordnung des IC-Busses, wobei jedoch auch Cottbus als zweitgrößte Stadt Brandenburgs angebunden wird.

Alle Pläne über verbesserte grenzüberschreitende Bahnverbindungen nutzen jedoch wenig, wenn entsprechende Taten ausbleiben. Verkehrspolitik und betroffene Bahnverwaltungen sind gefordert, endlich die notwendigen Verbesserungen zu schaffen. Dazu gehören nicht zuletzt auch der Ausbau bzw. die vollständige Elektrifizierung der Bahnstrecken Cottbus—Spremberg—Görlitz und Dresden—Görlitz. Übrigens: Die Elektrifizierung des Abschnitts Cottbus—Görlitz ist bereits Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans 2003!

Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV)
IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 1/2015 (Februar/März 2015), Seite 28-29