Internationaler Schienenverkehr

Stoppt den Tod der internationalen Fern- und Nachtzüge!

Anstatt mit attraktiven Angeboten, einem guten Fuhrpark und bequemen Anschlüssen weitere Kunden auf die Schiene zu holen, nimmt die Deutsche Bahn vielen, die umweltbewusst reisen wollen, die Möglichkeit zur Reise mit der Eisenbahn. Viele müssen nun auf das Flugzeug umsteigen. Das ist eine Bankrotterklärung für das Zusammenwachsen Europas auf der Schiene. Mitschuld trägt natürlich vor allem auch der unfaire Wettbewerb zwischen Bus, Bahn und Flugzeug; auch diese Hürde muss genommen werden.


Michael Cramer,
Mitglied des Europäischen Parlaments – Die Grünen/EFA
Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Tourismus

5. Feb 2015

Kurz vor dem Fahrplanwechsel im Dezember 2014 fuhren der letzte Nachtzug von Berlin nach Paris, der letzte durchgängige EuroCity-Zug von Berlin über Prag nach Wien und der letzte EC „Wawel“ von Hamburg über Berlin nach Wrocław (Breslau). Die Deutsche Bahn AG stellte diese und weitere internationale Bahnverbindungen im Tages- und Nachtverkehr auf das Abstellgleis.

In Europa wächst so leider nicht zusammen, was zusammen gehört. Im Gegenteil: 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhanges und der Berliner Mauer und elf

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Jahre nach der EU-Osterweiterung ist das Schienennetz in Europa mehr denn je ein Flickenteppich, dessen Lücken exakt an den Grenzen sind.

Die EU-Gelder werden nicht für den europäischen Mehrwert, sondern für nationale Prestigeprojekte verwendet. Die Rheinbrücke zwischen dem deutschen Freiburg und dem französischen Colmar ist auch 70 Jahre nach Kriegsende noch nicht wiederhergestellt. Und die Verbindungen von Berlin nach Breslau, Szczecin (Stettin) oder Świnoujście (Swinemünde) haben das Vorkriegsniveau noch längst nicht erreicht. Dabei müssen je Strecke lediglich 100 Millionen Euro investiert werden – das ist nur ein Prozent des Budgets für den Größenwahn bei Stuttgart 21!

Da der Zug von Berlin nach Breslau heute 5 Stunden braucht – vor dem Krieg waren es 2,5 Stunden – ist der Fernbus schneller. Polen hat die Bahnstrecke zwar von Breslau bis zur Grenze elektrifiziert und ertüchtigt, Deutschland aber nur bis Cottbus. Deshalb muss zweimal die Lok gewechselt werden. Es ist zynisch, dass die DB die Einstellung des EC Wawel nun ausgerechnet mit der selbst verschuldeten schlechten Qualität der Bahnverbindung rechtfertigt!

Im Dezember 2014 eingestellt: Der Nachtzug nach Paris Est in Berlin Südkreuz. Foto: IGEB-Archiv, Oktober 2014

Denn Verantwortung tragen die Bundesregierung und die DB AG. Während bei Stuttgart 21 Milliarden keine Rolle spielen, sind für die Strecke von Cottbus über Spremberg und Horka nach Polen 100 Millionen Euro – angeblich – nicht vorhanden. Zudem würde dadurch nicht nur die Elektrifizierungslücke zwischen Cottbus und Görlitz geschlossen, sondern auch Breslau als Europäische Kulturhauptstadt 2016 gut angebunden.

Das liegt auch an den unfairen Rahmenbedingungen. Der Fernverkehr der Bahn darf nicht subventioniert werden, doch sind von 23 internationalen Flughäfen in Deutschland 17 (!) defizitär. Während die Bahn Steuern auf Energie und Treibstoff zahlt, die volle Mehrwertsteuer entrichtet und für jeden gefahrenen Kilometer eine Trassengebühr aufbringen muss, ist das Flugbenzin von jeglicher Besteuerung befreit. Auf internationalen Flügen wird zudem die Mehrwertsteuer erlassen. Und auch der Fernbus wird einseitig privilegiert: Er zahlt keine Maut.

Doch auch die Deutsche Bahn AG muss ihre Hausaufgaben machen. Mit attraktivem Service und funktionierendem Fuhrpark sowie höherer Pünktlichkeit können Nachtzüge auch heute erfolgreich sein. Sie können eine sinnvolle Alternative zu Flugzeug und Bus sein und Fahrgäste zurück auf die Schiene holen! Aber mit der Einstellung von Fernund Nachtzügen rollt die DB AG den Airlines den Roten Teppich aus.

Michael Cramer,
Mitglied des Europäischen Parlaments – Die Grünen/EFA
Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Tourismus

aus SIGNAL 1/2015 (Februar/März 2015), Seite 29