Nahverkehr
Im Landespressedienst vom 5. Oktober 1998 veröffentliche der Senat die Kleine Anfrage Nr. 13/4026 des Abgeordneten Michael Cramer (Bündnis 90/Die Grünen) und die Antwort des Senators für Bauen, Wohnen und Verkehr, Jürgen Klemann. Herr Cramer wollte die Kosten für den Platzkilometer und eine Bewertung der Berliner Kosten wissen. Wir zitieren aus der Antwort.
1. Nov 1998
" ... Bezogen auf die erbrachten Verkehrsleistungen, die üblicherweise in Zugkilometer angegeben werden, ergibt sich folgendes Bild:
Hamburg | Berlin | Materialaufwand | 15,97 DM | 19,11DM |
Personalaufwand | 7,62 DM | 9,76 DM |
Abschreibungen und sonstige betriebliche Aufwendungen | 3,65 DM | 3,88 DM |
Gesamtkosten pro Zug km | 27,23 DM | 32,75 DM |
Die Gründe für diese Differenz liegen insbesondere im erhöhten Personal- und Materialaufwand. So werden von der S-Bahn Berlin GmbH durch die personalintensive Besetzung der Bahnhöfe bzw. Abfertigung der S-Bahnzüge Sicherheits- und Serviceleistungen erbracht, während die Überwachung der Hamburger S-Bahn hauptsächlich über Bildschirme erfolgt. Der unterschiedliche Materialaufwand ist im wesentlichen darin begründet, daß der Fahrzeugbestand der Berliner S-Bahn älter als der der Hamburger S-Bahn ist und dadurch höhere Instandhaltungskosten für die Berliner Fahrzeuge entstehen.
Der Senat geht davon aus, daß die S-Bahn Berlin GmbH entsprechend ihrer unternehmerischen Verantwortung alles tut, um die Kosten pro Zugkilometer für den Betrieb der S-Bahn so gering wie möglich zu halten bzw. weiter zu senken. Die hierzu gegebenenfalls notwendigen Maßnahmen liegen derzeit allein in der Verantwortung und Zuständigkeit der S-Bahn Berlin GmbH bzw. deren Eigentümerin, der Deutschen Bahn AG."
Auf den ersten Blick drängt sich der Eindruck auf, daß die Beriiner S-Bahn deutlich unwirtschaftlicher sei als die Hamburger. Die Wahrheit liegt aber im Gegensatz zu den Behauptungen des Senats woanders: Die S-Bahn Berlin GmbH ist pro Personenkilometer nicht teurer als die Hamburger S-Bahn - sie bekommt nur mehr Geld!
Die DB AG hat sich mit der S-Bahn Berlin GmbH eine “Lizenz zum Gelddrucken” geschaffen: dank knallharter Verhandlungen mit dem Senat konnte diese nicht nur ohne Verlust wirtschaften, sondern erzielte in 1997 einen Gewinn. Aber anstatt dies Gelder in Fahrzeuge und Anlagen zu investieren, wurden sie an die Konzernzentrale in Frankfurt (Main) überwiesen.
Die nicht ohne Grund ungewöhnlich ausführlich beantwortete Kleine Anfrage zeigt, daß endlich auch dem finanziell klammen Senat aufgefallen ist, daß da etwas nicht stimmt.
Der eigentliche Skandal besteht nicht darin, daß die S-Bahn Berlin GmbH im Gegensatz zur BVG besser verhandelt hat und - im Gegensatz zu dieser - nicht in die Pleite getrieben wird, sondern darin, daß der Frankfurter Konzern Berliner Steuergeldereingesteckt hat - ohne entsprechende Leistungen zu erbhngen.
Denn nach wie vor warten die Fahrgäste vergebens auf wichtige Investitionen (Signale auf der Wannseebahn, Fertigstellung der Bahnanlagen Nordkreuz, zweigleisiger Ausbau der S-Bahn nach Tegel, Bernau und Potsdam ...). Wenn der Senat jetzt allerdings registriert hat, daß bisher zu viel bezahlt wurde, so wird er versuchen, die Preise zu drücken. Dieses Spiel erleben wir mit der BVG seit Jahren - und es wird auch eine eventuelle Nahverkehrsholding in die Pleite treiben...
IGEB
Abteilung S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 8-09/1998 (November 1998), Seite 6-7