Nahverkehr

S-Bahnhof Kolonnenstraße: Realisierung endlich in Sicht?

Nachdem in den vergangenen Jahren Verschiebungen bei den Prioritäten, Umplanungen und Finanzierungsprobleme der Umsetzung eines Architektenentwurfs im Wege standen, der aus einem Wettbewerb 1988 hervorgegangen ist, scheint jetzt erstmals der Weg frei zu sein. Vorausgesetzt, die Hürden einer weiteren Prüfung auf Einsparung - gefordert vom Vorstand der DB AG - sowie die des noch durchzuführenden Planfeststellungsverfahrens werden genommen, bevor das Geld womöglich anderweitig verwendet wird.


Bezirksamt Schöneberg von Berlin

1. Nov 1998

Geschichtliche Entwicklung

Die Station Schöneberg 1888, von der Sedanbrücke aus gesehen. Die Siegfriedstraße rechts oberhalb der Bahnböschung war damals noch weitgehend unbebaut, die Siegfriedbrücke (heute Langenscheidtbrücke) noch gar nicht vorhanden. Foto: Schöneberg Museum
Der 1891 erbaute Bahnhof Schöneberg an der Kolonnen- Ecke Siegfriedstraße (r.). Am nördlichen Ende des Bahnsteigs besteht die Übergangsmöglichkeit zum Wannseebahnhof Großgörschenstraße durch einen Tunnel (auch “Hammelgang” genannt), der später durch einen hölzernen Steg ersetzt wurde. Foto: Schöneberg Museum

Begonnen hat der Bahnhofsbetrieb an der Sedanbrücke (heute Julius-Leber-Brücke) Ecke Siegfriedstraße (heute Czeminskistraße). mit der Eröffnung des Haltepunktes Schöneberg am 15. Oktober 1881. Beim Ausbau der Südring-Spitzkehre zum Potsdamer Ringbahnhof erfolgte 1891 Bau eines roten Backsteingebäudes einem imposanten Eckturm im neugotischen Stil. Durch verglaste Abgänge erreichte man den Bahnsteig im Einschnitt. Vom nördlichen Bahnsteigende führte ein besonderer Fußgängerübergang zum Bahnsteig Großgörschenstraße der Wannseebahn (siehe Plan von 1914). Am 1. März 1933, dem Tag der Inbetriebnahme des Turmbahnhofs Schöneberg am Sachsendamm erfolgte die Umbenennung in Kolonnenstraße. Mit Einstellung der Ringbahnfahrten zum Potsdamer Ringbahnhof wurde der Bahnhof am 3. Juli 1944 außer Betrieb genommen.

Heute zeugt nur noch der von der Natur zurückeroberte Bahnsteig vom Bahnhofsbetrieb an dieser Stelle. Zur Zeit fahren die Züge der S-Bahnlinie 1 Wannsee - Oranienburg ohne Halt unter der Julius-Leber-Brücke hindurch. Und so mancher Schöneberger schaut hinunter mit wehmütig-forderndem Blick: Wann kommt denn endlich mein Bahnhof hier hin?

Der Planungsvorlauf

Kartenausschnitt von 1914, Abb.-Maßstabca. 1:6.000, mit Genehmigung des Vermessungsamtes Schöneberg. Vervielfältigung verboten.

An der S 1 zwischen Schöneberg und Yorckstraße (Großgörschenstraße) ist ein weiterer Haltepunkt erforderlich, dies wurde von keiner Seite grundsätzlich in Frage gestellt. Die Bevölkerungs- und Bebauungsdichte ist so groß, daß sich auch der relativ geringe Abstand zu den Nachbarstationen rechtfertigen läßt. Insbesondere die Bewohnerinnen und Bewohner der Schöneberger Insel sind durch die abschneidende Wirkung der Bahntrassen mit schlechten Zugangsmöglichkeiten zur S-Bahn in SPNV-unterversorgter Lage. Deshalb sind bereits seit langer Zeit die zusätzlichen Bahnhöfe Kolonnenstraße und Dudenstraße (an der S 2) geplant. Folgerichtig sind die genannten S-Bahnhöfe im Flächennutzungsplan Berlin ebenso enthalten wie in der bezirklichen Bereichsentwicklungsplanung Schöneberg-Ost von 1997.

Konzeption/Strecken- und Bahnhofsstillegungen

Die heutige Julius-Leber-Brücke mit den Resten des S-Bahnhofs Kolonnenstraße. Später wurde die Brücke nach Süden durch ein separates Bauwerk (mit nur einer Mittelstützenreihe) für Kfz-Verkehr und für Fußgänger erweitert. Auf der Nordseite entstand ein separater Fußgängersteg. Aufnahme vom Oktober 1950. Foto: Schöneberg Museum

Das Konzept von 1987 für die Veränderung der S-Bahn zwischen Ringbahn und Yorckstraße sah in der 1. Baustufe die Wiedererrichtung eines Bahnhofs an der Kolonnenstraße vor. Er sollte jedoch viergleisig ausgeführt werden und damit eine zweigleisige südliche Ausfädelung im Zuge der Cheruskerkurve ermöglichen. In dieser 2. Baustufe sollte dann der Anschluß an die Nord-Süd-S-Bahn in Richtung Lichtenrade erfolgen. Der Streckenabschnitt Bf. Papestraße bis Yorckstraße sowie der Bf. Yorckstraße selbst wären nach den Plänen des damaligen CDU-Senats einer Stillegung zum Opfer gefallen (siehe Systemskizze). Ob hier im Bahngraben Platz für Autoverkehr gemacht werden sollte?

Im Rahmen der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und AL wurde im März. 1989 auf die Verschwenkung der Lichtenrader Bahn verzichtet und als Konsequenz daraus sollte der Bahnhof Kolonnenstraße nicht als Umsteigebahnhof, sondern zweigleisig ausgebaut werden. Gleichzeitig wurde festgehalten, den Bau des S-Bahnhofs Dudenstraße unverzüglich in Angrif zu nehmen.

Der Wettbewerb

Systemskizzen zur Bahnplanung zwischen Gleisdreieck und Ringbahn
Links: Senatsplanung 1988, rechts: Planungsstand Oktober 1998. Skizze: Stadt- u. Landschaftsplanungsamt Schöneberg

Am 17. November 1987 wurde ein durch den Senator für Bau- und Wohnungswesen ausgelobter offener Architektenwettbewerb entschieden. Der 1. Preis ging an das Büro Mario Maedebach. Es erhielt vom Preisgericht den Auftrag einer Überarbeitung mit dem Ziel der Optimierung des Entwurfs. Später, nachdem sich die Rahmenbedingungen änderten - auch nicht mehr die Stillegung von Strecken beabsichtigt war, wurden erneute Umplanungen erforderlich. Hierauf erfolgte durch das gleiche Architekturbüro 1992 der Entwurf eines zweigleisigen Bahnhofs mit Mittelbahnsteig und "schwebender Dachkonstruktion und aufgehängten Einbauten". Dieser Entwurf wurde auch Grundlage für Planfeststellungsunterlagen. Die Umwälzungen im Zuge der Wiedervereinigung und Finanzfragen traten in der Folgezeit mehr und mehr in den Vordergrund, so daß dieses Projekt nicht weiter verfolgt wurde.

Erschwerend für die Arbeit der Architekten stellen sich in jeder Planungsvariante die unterschiedlichen Stützenstellungen im Bereich der verschiedenen Teile der Julius-Leber-Brücke dar.

Abhängigkeiten zwischen schneller Umsetzung und Zukunftsplanungen

Nach der Vorstellung der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr sollte der Bahnhof Kolonnenstraße nicht nur die wichtige Funktion der Verbesserung der örtlichen ÖPNV-Erschließung erfüllen, sondern auch Baustein der Zukunftsplanung für die S 21 sein. Diese im Rahmen eines Änderungsverfahrens des Flächennutzungsplans (FNP) 1995 eingeleitete Planungsvorstellung soll die südöstlichen Bezirke ohne Umsteigevorgänge über den Südring und den zentralen Bereich mit der Wasserstadt Oberhavel verbinden. Hierzu wäre die Reaktivierung eines Teils der alten Ringbahn-Spitzkehre Cheruskerparks erforderlich. Die Berücksichtigung/Nichtberücksichtigung der S 21 hat selbstverständlich Auswirkungen auf die Planung des Bahnhofs Kolonnenstraße. Aufgrund der Vielzahl noch nicht geklärter verkehrlicher und städtebaulicher Sachverhalte hinsichtlich der Trassenführung der S 21 und der Cheruskerkurve wurde von der planaufstellenden Behörde, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie im Juli 1997 festgelegt, das FNP-Änderungsverfahren bis auf weiteres ruhen zu lassen. Abgesehen von der besonderen Schwierigkeit der städtebaulichen Integration der niveaufreien Ausfädelung der "Cheruskerkurve" im Bereich der Torgauer Straße - ein Gleis müßte unmittelbar vor Wohnhäusern in der +2- Ebene geführt werden - gibt es weitere Gründe, welche die S 21 zumindest in diesem Abschnitt als ein höchst fragwürdiges Projekt erscheinen lassen:

Der Cheruskerpark ist die einzige wohnungsnahe Grünanlage im Bereich des hochverdichteten Wohngebietes der Schöneberger Insel. Es besteht ein eklatantes Versorgungsdefizit. Bisher mußten dringend notwendige Investitionen aufgrund der früheren Planungsbefangenheit durch die Westtangentenplanung unterbleiben. Auch wenn eine teilweise unterirdische Trassenführung der S 21 angedacht ist, kommt es durch die erforderlichen Rampen zu einer erheblichen Zerschneidung des Parks.

Die verkehrliche Notwendigkeit bzw. der Verkehrswert der Cheruskerkurve sind gering. Es würde eine erhebliche Verminderung der nutzbaren Parkanlage erfolgen. Die immensen Kosten für die Verbindungskurve sollten besser in andere Verkehrsprojekte des ÖPNV, wie z. B. die zügige Reaktivierung der Straßenbahn fließen.

Nicht nur ein Entwurf liegt schon fertig in der Schublade

1995 erhielt das Architekturbüro Maedebach, Redeleit & Partner als Generalplaner von der DB AG den Auftrag, der eine Betreuung bis zur Planreife inkl. der erneuten Erarbeitung der Unterlagen für die Planfeststellung zum Inhalt hatte. Eine von drei Varianten, und zwar die mit den Außenbahnsteigen wurde durch die Senatsverkehrsverwaltung als Besteller favorisiert und von den Architekten erneut überarbeitet.

Offener Architektenwettbewerb S-Bahnhof Kolonnenstraße 1987. Entwurf des Wettbewerbssiegers Mario Maedebach.

Im Juni 1996 ist der vorläufig letzte Stand der Entwurfsplanung erreicht worden. Er stellt zwei Außenbahnsteige dar, die unter die Brücke geschoben sind. Die Zugangsbauwerke des östlichen Bahnsteigs sind so angeordnet, daß eine spätere Verbreiterung des Bahnsteigs nach Osten möglich ist. An dieser Bahnsteigkante würde ein vom Südring (Papestraße) kommender Zug halten können. Zugangsmöglichkeiten bestehen vom nördlichen und südlichen Gehweg der Brücke aus, wobei je ein Aufzug an der südlichen Brückenseite angeordnet ist.

Ein Zugang zum nördlichen Bahnsteigende ist aus Kostengründen bereits in einer frühen Planungsphase gestrichen worden. Fahrtreppen werden aus den gleichen Gründen wohl ebenso entfallen.

Die z. Zt. im Raum stehende Planungsvariante konnte jedoch nicht weiter vorangetrieben werden, weil sich herausstellte, daß der Geschäftsbereich Netz von der DB AG nicht angemessen in die Planung einbezogen wurde. Eine erneute Prüfung u. a. wegen des langfristigen Planungsziels, dem zweigleisigen Ausbau der Potsdamer Stammbahn war erforderlich.

Dieser Planungsstop durch die Bahn verursachte den Abfluß der Finanzmittel des Bundes.

Bahn-Vorstand bekennt sich zum Bahnhof Kolonnenstraße

Es lag fortwährend die Erkenntnis vor, hier endlich weiterkommen zu müssen. Deshalb rang sich der Vorstand der DB AG 1997 ein Bekenntnis zum S-Bf. Kolonnenstraße ab. Dadurch konnten die Finanzprobleme weitgehend ausgeräumt werden. Trotzdem sieht die Bauherrin (DB AG) die Erforderlichkeit beim Bau Geld zu sparen.

Im August 1998 gab die S-Bahn GmbH - als Betreiber - von sich aus einen Kostensparentwurf in Auftrag. Dieser kommt bei einer Mittelbahnsteigvariante gegenüber den Außenbahnsteigvarianten zu einem nicht unerheblichen Einsparpotential. Noch im Oktober 1998 wird die endgültige Entscheidung für eine der beiden Varianten erwartet.

Einer Presseerklärung der DB AG zufolge soll der Baubeginn im Mai 2000, die Fertigstellung im Dezember 2001 sein.

Forderungen des Bezirks

In erster Linie ist wichtig, daß der Bahnhof so bald wie möglich kommt. Weitere Auswahlverfahren o. ä. halten wir für nicht angebracht. Es existieren bereits ausreichend viele Varianten für Architektur und Verkehrsabwicklung.

Der Bahnhof befindet sich am Schnittpunkt mehrerer bedeutender Sichtachsen und stellt einen verkehrlichen Knotenpunkt mit hohem Fahrgastpotential dar. Er muß eine hohe städtebauliche Qualität erreichen.

Und weil die prognostizierten Verkehrszahlen, auch die Umsteiger mit den Buslinien 104 und 187, so groß sind, muß von der nördlichen und der südlichen Brückenseite ein direkter Bahnsteigzugang gebaut werden.

Um eine gute Erreichbarkeit vom Crellekiez aus sicherzustellen, wird über das Grundstück Crellestraße 18 und am oberen Rand der Bahnböschung direkt Julius-Leber-Brücke eine Zuwegung gesichert werden. Die Bahn müßte diese Zuwegung gestatten.

Erneute Überarbeitung des Entwurfs zum S-Bahnhof Kolonnenstraße im Auftrag der DB AG 1996. Ausgewählte Variante mit Außenbahnsteigen. Entwurf: Büro Maedebach, Redeleit & Partner, Berlin.

Eine städtebauliche Akzentuierung des Bahnhofs kann sowohl mit einem Mittelbahnsteig als auch mit Außenbahnsteigen erreicht werden. Nicht nur weil das langfristige Projekt der S 21, für das im FNP noch nicht einmal eine Trassenfreihaltung ausgewiesen ist, in den nächsten Jahrzehnten wohl kaum einer Realisierung näher kommt, muß an dieser Stelle keine Vorleistung erbracht werden. Zumal der "Verkehrswert" der S 21 im Bereich der Cheruskerkurve nicht besonders hoch ist.

Da der Mittelbahnsteig Einsparungen bei den Betriebs- und den Baukosten (z. B. für einen Aufzug und eine feste Treppe) mit sich bringt, wird der Mittelbahnsteig von bezirklicher Seite eindeutig präferiert. Im übrigen stellt der Mittelbahnsteig die kundenfreundlichere Variante dar.

Bezirksamt Schöneberg von Berlin

aus SIGNAL 8-09/1998 (November 1998), Seite 10-14