Regionalverkehr
Bis zum heutigen Tage gab und gibt es Probleme: Beim Einsatz der Neigetechnikzüge Baureihe 611, bei den ICE 1/ICE 2-Zügen, bei der Wiederinbetriebnahme der Stadtbahn und nun bei den RegionalExpreß-Zügen.
1. Nov 1998
Vor einigen Wochen sah sich die DB AG gezwungen, die seit Fahrplanwechsel am 24. Mai 1998 in den Regionalexpreßzügen (RE) der Linien RE 1 und RE 4 eingesetzten fabrikneuen Steuerwagen (RE 160-Fahrzeuge) aufgrund der Ausrüstung mit nicht normgerechten Achsen sicherheitshalber für die Fahrgastnutzung zu sperren. Auch wenn die Fahrzeuge inzwischen fast komplett wieder zur Verfügung stehen, ist doch der aus dieser Panne resultierende Ärger für den Fahrgast unvergessen. Wer als Bahnkunde nämlich gehofft hatte, daß die DB AG etwa durch Stellung von Ersatzzügen flexibel den Ausfall der Steuerwagen ausgleicht, wurde schnell eines besseren belehrt.
So glich die Benutzung eines RE-Zuges beispielsweise zwischen Fürstenwalde und Berlin besonders im Berufsverkehr einem Stück aus dem Tollhaus: am Bahnsteig Fürstenwalde begann mit Einfahrt des Zuges (zum Beispiel 6.10 Uhr) vor den zwei für den Fahrgast noch nutzbaren Wagen ein heftiges Geschiebe und Gedränge, da verständlicherweise jeder der Fahrgäste einen der knappen Sitzplätze erhaschen wollte. Da - abgesehen von den Halten in Hangelsberg und Fangschleuse - speziell in Erkner viele Fahrgäste zusteigen, lassen sich die chaotischen Zustände leicht nachvollziehen. Immerhin wurde die 1. Klasse für die zuschlagfreie Nutzung, zum Beispiel mit Umweltkarten, freigegeben.
Trotzdem erschien der auf den Werbeplakaten im Zugangsbereich zur 1. Klassse abgedruckte Spruch „Reisen wie auf Wolke 7" angesichts dieser Beförderungsqualität als schlechter Witz.
In dieses Bild vom „Dienstleistungsunternehmen" DB AG paßt auch das Verhalten zumindest eines Teils des Zugpersonals. So wurde ein Reisender vom Zugbegleitpersonal in arroganter und völlig unangemessener Weise belehrt: „Mit dem Lösen einer Fahrkarte haben Sie Anspruch auf Beförderung, nicht auf einen Sitzplatz!".
Einmal mehr zeigt sich an diesem Fall, welche enormen Anstrengungen seitens des Bahnmanagements noch unternommen werden müssen, um die Bahn zu einem Dienstleistungsunternehmen zu entwickeln, das diese Bezeichnung auch verdient. Falls dies nicht bald gelingt, dürfte eines Tages wohl weniger vom „Unternehmen Zukunft", sondern eher vom „Unternehmen Vergangenheit" die Rede sein.
Völlig unverständlich ist in diesem Zusammenhang auch die Haltung der Bundesländer Berlin und Brandenburg als Besteller von Nahverkehrsleistungen. Während es in anderen Bundesländern, wie zum Beispiel Rheinland-Pfalz, inzwischen Praxis ist, die Zuweisungen im Fall mangelhaft, im schlimmsten Fall gar nicht erbrachter Leistungen zu kürzen, unterbleibt in der Region Berlin/Brandenburg jegliche Reaktion . Gerade so, als wäre alles in bester Ordnung. Insbesondere die Gefahr möglicher finanzieller Einbußen für den Anbieter von Verkehrsleistungen gewährleistet jedoch immer noch am ehesten die Einhaltung von Qualitätsstandards.
IGEB, Abteilung Fernverkehr
aus SIGNAL 8-09/1998 (November 1998), Seite 22