Fernverkehr
Bund verfehlt Verlagerungsziele für 2015 deutlich
Das gesamte Transportaufkommen in Deutschland erreichte 2014 mit 4485,6 Millionen Tonnen einen neuen Rekordwert. Damit wurde der bisherige Spitzenwert aus 2008 um 0,4 Prozent übertroffen. Als einziger Verkehrsträger verzeichnete dabei der Schienengüterverkehr – bezogen auf die Menge – Einbußen (minus 2,4 Prozent), und die Verkehrsleistung stagnierte. Der Grund für diese Negativentwicklung lässt sich dabei nur teilweise als Folge der monatelangen GDL-Streiks erklären.
6. Jan 2016
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (s. Tabelle) ist der Marktanteil des Schienengüterverkehrs im Jahr 2014 auf 17,1 Prozent gesunken. Demgegenüber gab es in den Jahren 2003 bis 2008 noch kontinuierliche Steigerungen von 15,7 auf 17,7 Prozent. In den Jahren 2009 und 2010 gab es dann auf Grund der Wirtschaftskrise Rückgänge auf 16,4 bzw. 17,1 Prozent. Erst 2011 konnte der Wert aus dem Jahr 2008 wieder erreicht werden.
Auch im ersten Halbjahr 2015 setzte sich die Negativentwicklung im Schienengüterverkehr fort. Die transportierte Menge sank von 183,8 auf 178,3 Mio. Tonnen. Dies entspricht einem Rückgang von 3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Demgegenüber beherrscht der Straßengüterverkehr mit über 70 Prozent Marktanteil den Verkehrsmarkt. Verschwiegen bzw. gebilligt werden dabei seitens der Verkehrspolitik die negativen Folgen dieser Entwicklung in Form endloser Lkw-Kolonnen auf einem
überlasteten Autobahnnetz, zum Teil schwerste Unfälle, kontinuierlich steigender Flächenverbrauch für Straßen und Parkplätze (z. B. Lkw-Parkplatzflächen an den Bundesautobahnen), eine Zerschneidung der Landschaft und steigende Emissionen durch Treibhausgase, Luftschadstoffe und Lärm.
Im Rahmen der Vorstellung der „Daten zur Umwelt 2015“ war die Bilanz des Umweltbundesamtes im August dann auch erwartungsgemäß ernüchternd. Zitat: „Der Verkehrssektor ist der einzige Sektor, der seine Emissionen seit 1990 nicht mindern konnte. Weil immer mehr Güter auf der Straße transportiert werden und der Trend zu mehr PS und schwereren Fahrzeugen geht, haben die sparsameren Motoren dem Klimaschutz wenig genützt“.
Der Verkehrsbereich ist in Deutschland derzeit für rund 18 Prozent der Treihausgasemissionen verantwortlich. Maßgebend ist hierbei mit einem Anteil von 95 Prozent der Straßenverkehr. Bezüglich des Lkw-Verkehrs sind die spezifischen Emissionen pro Tonnenkilometer seit 1995 auf Grund besserer Motoren zwar gesunken, wegen des gestiegenen Verkehrsaufwandes aber teilweise wieder ausgeglichen bzw. bei den Kohlendioxid-Emissionen sogar überkompensiert worden.
Die absoluten Kohlendioxid-Emissionen erhöhten sich zwischen 1995 und 2013 trotz benannter technischer Verbesserungen von 34,2 auf 38,7 Mio. t, also um 13 Prozent. Um diese Entwicklung umzukehren, ist eine Verlagerung von Güterverkehren auf die Schiene bzw. auch auf das Binnenschiff überfällig. Dies zeigt ein Vergleich der Emissionen an Treibhausgasen der einzelnen Verkehrsträger sehr deutlich (angegeben als Kohlendioxid- Äquivalente):
Lkw (ab 3,5 t) | 97,5 g/tkm | |
Eisenbahn | 23,4 g/tkm | |
Binnenschiff | 33,4 g/tkm | |
Flugzeug | 1539,6 g/tkm |
Der Gütertransport per Bahn und Binnenschiff ist somit mit deutlich weniger Umweltbelastungen verbunden als der Transport auf der Straße und in der Luft. Zugleich werden damit die weltweit knapper werdenden Ölvorräte geschont. In der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wurde deshalb ein Anteil des Schienenverkehrs von 25 Prozent bzw. der Binnenschifffahrt von 14 Prozent als Ziel für das Jahr 2015 gesetzt. Aber diese Werte wurden deutlich verfehlt!
Eine Reaktion des Bundesverkehrsministeriums auf die vom Umweltbundesamt veröffentlichten Sachverhalte gab es nicht. Stattdessen gibt es immer wieder Pressemitteilungen zur geplanten oder erfolgten Inbetriebnahme von Ortsumgehungen und dem Ausbau von Autobahnstrecken. Deren Folgen sind kein Thema. Das einseitige Bejubeln solcher „Betonorgien“ ist vor dem Hintergrund der sich deutlich verschärfenden Energie- und Klimaproblematik kaum als verantwortungsvoll bzw. weitsichtig zu bezeichnen.
Die staatlich induzierte Kostenbelastung u. a. durch die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sorgt ausgerechnet beim ressourcenschonenden Schienenverkehr für eine spürbare Steigerung der Transportkosten. Diese Maßnahme konterkariert damit die oben beschriebenen Verlagerungsziele!
Auch haben Steigerungen der ohnehin hohen Trassengebühren im Schienenverkehr traurige Tradition. Im Gegensatz wurde die Lkw-Maut, die seit Januar 2005 auf den Bundesautobahnen und seit August 2012 auch auf ca. 1200 Kilometern autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraßen erhoben wird, zuletzt gesenkt.
So weist der Geschäftsbericht der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG), deren alleiniger Gesellschafter das Bundesverkehrsministerium ist, zwischen 2010 und 2015 durchweg sinkende Mautsätze aus: „In 2010 lag der Durchschnittsmautsatz bei 17,42 Cent/Kilometer, in 2011 bei 16,86 Cent/Kilometer, in 2012 bei 16,42 Cent/Kilometer, in 2013 bei 16,12 Cent/Kilometer und in 2014 bei 15,90 Cent/Kilometer. Für 2015 wird ein durchschnittlicher Mauterlös von 14,69 Cent/Kilometer erwartet“. Seitens der VIFG wird es dabei als Erfolg gewertet, dass die rückläufigen Mauterlöse durch steigende Fahrleistungen kompensiert werden konnten. Hier zeigt sich, welch unverantwortlicher Logik die deutsche Verkehrspolitik unterliegt: Wir brauchen mehr Lkw-Verkehr auf den Straßen, um Mautmindererlöse auszugleichen!
Erst zum 1. Oktober 2015 wurde die Maut nun auf Lkw zwischen 7,5 t und 12 t Gesamtgewicht ausgeweitet. Die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ist jedoch erst für Mitte 2018 geplant und bewirkt bis zu diesem Zeitpunkt entsprechende Ausweichverkehre mit allen negativen Auswirkungen z. B. für Ortsdurchfahrten. Für eine Mautpflicht der Lkw zwischen 3,5 t und 7,5 t gibt bislang noch keinen Termin.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) plant bereits die Regelzulassung für überlange Lkw, sogenannte Gigaliner, und damit eine Fortsetzung der straßenlastigen Politik. Im Gegensatz zu den irreführenden Äußerungen der Lkw-Lobby dürften damit in Zukunft keinesfalls weniger, sondern noch weitaus mehr Lkw auf den Straßen unterwegs sein. Da der Lang-Lkw deutlich kostengünstiger ist als ein herkömmlicher, wird der Preisdruck im gesamten Transportgewerbe weiter steigen.
Das Preisniveau wird so nicht zuletzt gegenüber dem Schienengüterverkehr abgesenkt, was in der Folge zu entsprechenden Verlagerungseffekten auf die Straße führen dürfte (u. a. auch zu Lasten des Kombinierten Verkehrs). In Schweden ist genau diese Szenario eingetreten: Die Zulassung der Gigaliner führte zwischen 1990 und 1999 im Straßengüterverkehr zu einer Erhöhung des Marktanteils um 6,5 Prozent auf einen historischen Höchststand von rund 58 Prozent. Der Schienengüterverkehr verzeichnete dagegen Marktanteilsverluste auf einen Tiefststand von weniger als 30 Prozent.
Die Verlagerung von Verkehren auf die Schiene ist möglich; es fehlt dazu aber der entsprechende politische Wille. Nachfolgend sind nur einige Beispiele aufgeführt, um dieses Ziel zu erreichen. Aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes kommt dabei dem Kombinierten Verkehr eine zentrale Rolle zu:
Die EU-Wegekostenrichtlinie ermöglicht es, neben den Infrastrukturkosten auch „externe Kosten“ der verkehrsbedingten Luftverschmutzung und Lärmbelastung bei der Bemautung von Lkw zu berücksichtigen. Dem kommt Deutschland nur teilweise nach. Die Einpreisung von Lärmkosten erfolgt nämlich nicht! Im Gegensatz dazu ist ein lärmabhängiger Aufschlag für laute Güterzüge fester Bestandteil des Trassenentgelts. Dieser wurde mit Wirkung vom 13. Dezember 2015 sogar noch erhöht.
Es ist natürlich grundsätzlich richtig, einen Anreiz zu schaffen, um mehr Güterwagen mit Flüsterbremsen auszurüsten. Unverständlich sind allerdings die Wettbewerbsverzerrungen einseitig zu Lasten des Schienenverkehrs. Angesichts der Belastungen, die Anwohnern z. B. durch Maut-Ausweichverkehre zugemutet werden, sind entsprechende Korrekturen bei der Lkw-Bemautung überfällig!
Bei den Ausgaben für Bahnstrom machen Steuern und Abgaben einen wesentlichen Teil aus. Ein Vergleich der Steuern für Fahrstrom in Europa zeigt, dass Deutschland hierbei lediglich noch von Österreich übertroffen wird. Notwendig ist daher eine deutliche Absenkung der Stromsteuer. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass in anderen EU-Ländern die Bahnen sogar gänzlich von der Stromsteuer befreit sind (siehe Seite 31).
Die EEG-Umlage muss zumindest auf das Niveau vor der Novellierung des EEG-Gesetzes reduziert werden. Damit wird ein wichtiger und notwendiger Beitrag geleistet, um die Rahmenbedingungen für den Schienengüterverkehr zu verbessern. Und außerdem ein aktiver Beitrag zu Elektromobilität.
Die derzeit bestehenden intermodalen Umschlaganlagen sind in der Regel bereits hoch ausgelastet. Die Aufstockung der Fördermittel für den Neu- bzw. Ausbau von Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs ermöglicht einen entsprechend forcierten Ausbau. Dies allein reicht jedoch nicht aus: Überfällig sind eine Vereinfachung der Förderrichtlinie, eine Verkürzung der Planungszeiten und eine deutlich beschleunigte Bearbeitung der Förderanträge. Im Jahr 2014 konnten beispielsweise gerade einmal 17 Mio. Euro der zur Verfügung stehenden Fördersumme von insgesamt 93 Mio. Euro abgerufen werden – eine Blamage für die Verkehrspolitik!
Ziel sind dabei einerseits die weitere Effizienzsteigerung dieses Bereiches, andererseits der Anreiz für weitere Verkehrsverlagerungen auf die Schiene. Von hoher Bedeutung sind dabei Technologien, die den Umschlag der großen Menge nicht kranbarer Sattelauflieger ermöglichen. Rund 85 Prozent aller Sattelauflieger sind allein in Deutschland nicht kranbar und damit vom Kombinierten Verkehr bislang ausgeschlossen (von der „Rollenden Landstraße“ als spezifische Form des begleiteten Kombinierten Verkehrs einmal abgesehen). Verschiedene neue Umschlagtechniken wurden dazu entwickelt, auch praktische Anwendungsfälle gibt es bereits, so z. B.
Ein Nachteil bei den benannten Horizontal- Umschlagsystemen sind hohe Investitionskosten für die Spezialwaggons bzw. für die Terminalinfrastruktur. Hier ist eine verstärkte Förderung mit öffentlichen Geldern erforderlich.
Eine ICE-Version für den Güterverkehr würde in verschiedenen Relationen die heutige Luftfracht unnötig machen. Die Hochgeschwindigkeitsstrecken, z. B. in den Relationen Leipzig—Frankfurt (Main) oder Berlin—München, ermöglichen seit Dezember 2015 bzw. ab Dezember 2017 deutlich attraktivere Transportzeiten.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und IGEB Fernverkehr
aus SIGNAL 6/2015 (Dezember 2015/Januar 2016), Seite 24-26