Fernverkehr

Fahrplanwechsel bei der Bahn

Fahrzeitverkürzungen durch die Neubaustrecke Halle/Leipzig—Erfurt und weitere Einschränkungen beim Nachtreisezugverkehr

Gegensätze prägten den Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2015. So gibt es durch die am 9. Dezember 2015 feierlich eröffnete Schnellfahrstrecke Halle/Leipzig—Erfurt als Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit (VDE) Nr. 8.2 deutliche Fahrzeitverkürzungen im Fernverkehr. Zugleich gab es mit der Einstellung der Direktverbindung Berlin—Kopenhagen bzw. Aarhus und der Nachtzugverbindung Berlin—München erneut schmerzliche Angebotskürzungen.


Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und IGEB Fernverkehr

6. Jan 2016

Seit dem Fahrplanwechsel 2015/16 kommen nach jahrelangen Verzögerungen nun auch die ersten neuen InterCity-Doppelstockzüge zum Einsatz. Die Betriebskosten der neuen Züge sind deutlich geringer als bei den bislang eingesetzten Zugeinheiten. Möglich wird damit ein wirtschaftlicherer Fernverkehr auch jenseits der ICE-Hauptachsen – eine wichtige Voraussetzung für die notwendige Ausweitung des Fernverkehrsangebotes.

Die Einführung der ersten 27 „Intercity 2“ (IC2) – alles Doppelstockzüge – erfolgt dabei in drei Schritten zwischen Dezember 2015 und März 2016. Seit Dezember 2015 verkehren sie zwischen Norddeich und Leipzig (IC-Linie 56). Der Einsatzplan sieht vor, dass voraussichtlich ab Februar 2016 die Linie Dresden—Hannover—Köln (IC-Linie 55) umgestellt wird. Und ab ca. März 2016 soll die Linie Norddeich—Köln/Koblenz (IC-Linie 35) mit der Verlängerung zweier Zugpaare über Kassel nach Weimar folgen.

Die neue Fahrzeuggeneration bietet damit einerseits die Chance für Angebotsausweitungen, andererseits für eine Reduzierung der seit Jahren angespannten Fahrzeugverfügbarkeit. Der Bahnkunde kann durch den

ANZEIGE

Einsatz der neuen Fahrzeuggeneration aber auch technisch zuverlässigere Fahrzeuge erwarten. Probleme beispielsweise in Form defekter Klimaanlagen sollten deutlich seltener werden.

Nachfolgend sind wesentliche Fahrplanänderungen seit dem 13. Dezember 2015 im DB-Fernverkehr, insbesondere im Verkehr von und nach Berlin, zusammengefasst:

IC-/EC-Linie 27 (Westerland/Kiel—) Hamburg—Berlin—Prag(—Budapest)

Eine wichtige Neuerung im Fernverkehr der Deutschen Bahn ist seit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember der planmäßige Einsatz der doppelstöckigen Intercity-Züge (IC2), die als erstes auf der IC-Linie 56 zwischen Norddeich und Leipzig verkehren. Foto: Christian Schultz

Zwischen Hamburg Hbf und Dresden Hbf wurde die Fahrzeit um über 15 Minuten auf 4:07 Stunden verkürzt; die Fahrzeit Berlin Hbf—Dresden Hbf beträgt nunmehr 1:58 Stunden, in der Gegenrichtung 2:04 Stunden. In der Relation Berlin—Hamburg wurde das Angebot um zwei zusätzliche EC- bzw. IC-Zugpaare auf ein nahezu zweistündliches Angebot ausgeweitet.

Alle EC-/IC-Züge haben einen Systemhalt in Büchen. Damit besteht 6-mal täglich (anstatt bislang 4-mal) eine günstige Umsteigeverbindung ab/bis Lübeck. Die Übergangszeit in Büchen ist mit rund 20 Minuten zudem deutlich entspannter als vor dem Fahrplanwechsel.

Erfreulich auch: In den EuroCity-Zügen dieser Relation kommen sukzessive umfassend modernisierte Wagenzüge der tschechischen Staatsbahn CD zum Einsatz. Neu ist dabei auch die Fahrradmitnahmemöglichkeit. Das Bordrestaurant ist weiterhin Service-Bestandteil und damit ein Wettbewerbsvorteil gegenüber den Fernbus-Angeboten.

Der Einsatz der ersten modernisierten EC-Wagen erfolgt seit Dezember 2015, die vollständige Umstellung ist für Sommer 2016 geplant. Abweichend kommen im Zugpaar EC 172/173 Hamburg—Budapest Wagen der ungarischen Bahn MAV zum Einsatz.

Die zum Fahrplanwechsel im Dezember 2014 eingestellte traditionelle umsteigefreie EuroCity-Verbindung Hamburg—Berlin—Wien „Vindobona“ gibt es aber auch im laufenden Fahrplanabschnitt nicht. Derzeit beträgt die Umsteigezeit in Prag leider knapp 1,5 Stunden! Die Durchbindung eines RailJet-Zugpaars der Relation Wien—Prag ab/bis Berlin bzw. Hamburg wäre daher deutlich kundenfreundlicher.

IC-Linie 56 Norddeich Mole—Hannover—Leipzig

Auf dieser Linie werden erstmals die IC2-Züge eingesetzt. Da ein durchgehender elektrischer Betrieb mittlerweile bis Hof möglich ist, bietet sich eine entsprechende Verlängerung dieser zzt. in Leipzig Hbf endenden Linie an. Verbindungen in die seit vielen Jahren vom Fernverkehr abgehängte oberbayerische Region würden so spürbar verbessert. Ein Korrespondenzhalt mit kurzen Umsteigezeiten ermöglichte zudem Anschlüsse in Richtung Nürnberg und Regensburg.

ICE-/EC-Linie 75 Hamburg—Lübeck—Kopenhagen

Oberdeck der 2. Klasse im IC2. Die neuen Intercity-Doppelstockzüge sind ein wichtiger Bestandteil der Kundenoffensive der Deutschen Bahn im Fernverkehr. Foto: Christian Schultz

Die Direktverbindungen in der Relation Berlin—Hamburg—Aarhus/Kopenhagen wurden eingestellt – eine vollkommen unverständliche Entscheidung. Damit entfallen umsteigefreie Bahnverbindungen von europäischer Bedeutung, noch dazu zwischen zwei Hauptstädten, und das Reisendenpotenzial wird der Flugzeug-, Fernbusund Pkw-Konkurrenz (die diese kundenfreundlichen Direktverbindungen anbieten) überlassen. Derartige Kürzungen stehen in krassem Gegensatz zu der Zielsetzung eines einheitlichen europäischen Verkehrsraumes.

EC-Linie 99 Hamburg—Lüneburg—Stendal—Berlin—Wrocław

Obwohl Wrocław (Breslau) 2016 Europäische Kulturhauptstadt wird, gibt es in dieser Relation auch weiterhin kein regelmäßiges Angebot auf der Schiene. Es ist aber immerhin an Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen ein Kulturzug Berlin—Cottbus—Forst—Wrocław geplant. Start des Kulturzuges ist der 30. April 2016, die Verkehrszeit erstreckt sich bis zum Sommer. Die Fahrzeit beträgt rund 4,5 Stunden.

Zwischen Dresden und Wrocław verkehren dagegen erfreulicherweise wieder drei RegionalExpress-Zugpaare täglich (am Wochenende mit Einschränkungen). Ein ausführlicher Bericht zu den Änderungen im Bahnverkehr Deutschland—Polen folgt in SIGNAL 1/2016.

ICE-Linie 10 Berlin—Köln—Bonn—Koblenz bzw. Berlin—Düsseldorf—Köln/Bonn Flughafen

Diese Linie beginnt bzw. endet nunmehr in Berlin Gesundbrunnen und nicht mehr in Berlin Ostbahnhof (mit dem Laufweg über Berlin-Spandau und Berlin Hbf tief). Begründet wurde diese Maßnahme mit Trassenkonflikten auf der Stadtbahnstrecke. Damit ist der für Friedrichshain-Kreuzberg und die östlich angrenzenden Bezirke wichtige Ostbahnhof als Fernbahnhof weiter entwertet worden.

ICE-Linie 15 Frankfurt (Main)—Erfurt—Halle (Saale)—Berlin

Das DB-Nachtzugangebot ist akut gefährdet und soll nun bereits Ende 2016 eingestellt werden. Damit würde u. a. auch die Möglichkeit der Fahrradmitnahme weiter erschwert. Die Hoffnungen der Nachtzugreisenden richten sich derzeit auf die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die überlegen, zumindest einen Teil der DB-Nachtzugverbindungen zu übernehmen. Foto: Christian Schultz

Diese ICE-Sprinterverbindung wurde mit Inbetriebnahme der Neubaustrecke neu eingeführt. Zwischen Frankfurt am Main und Berlin verkehren vier, im Abschnitt Erfurt—Berlin zwei weitere Zugpaare. Die Fahrzeit zwischen Berlin Hbf und Frankfurt (Main) Hbf beträgt 3:53 Stunden. Zum Vergleich: Die ICE-Sprinterverbindung mit dem Laufweg über Göttingen ist mit 3:40 Stunden zwar noch etwas schneller, aber gegenüber dem ICE-Stundentakt Berlin—Frankfurt (Main) über Braunschweig beträgt die Reisezeitverkürzung mit dem Sprinter über Halle 15 Minuten.

In der Relation Erfurt Hbf—Berlin Hbf wird eine Fahrzeit von 1:49 Stunden erreicht, was einer Fahrzeitverkürzung von rund 50 Minuten gegenüber dem bisherigen Fahrplan entspricht.

ICE-Sprinter jetzt ohne Aufpreis

Seit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2015 sind bei allen ICE-Sprinterverbindungen sowohl der Sprinter-Aufpreis als auch die Reservierungspflicht entfallen. Diese Maßnahme trägt somit zur Vereinfachung des Tarifsystems bei.

Zusätzlich zu den beiden ICE-Sprinterverbindungen Berlin—Frankfurt (Main) soll Berlin ab Dezember 2017 einen Sprinter Berlin—Nürnberg—München erhalten.

In der nachfragestarken Relation Berlin—Rhein-Ruhr ist eine derartige Schnellverbindung bislang leider nicht geplant, das Potenzial wäre aber vorhanden (ggf. mit der Möglichkeit einer umsteigefreien Durchbindung über Köln Hbf hinaus ab/bis Brüssel).

ICE-Linie 28 Binz bzw. Hamburg—Berlin—München

Die Fahrplanlage dieser Linie wurde um 30 Minuten verschoben. Sie wird vorübergehend stündlich über Leipzig und Naumburg geführt.

Im Zeitraum vom 12. Januar bis 3. September 2016 wird die Linie 28 zweistündlich über Erfurt, Fulda und Würzburg umgeleitet. Der Streckenabschnitt Bamberg—Lichtenfels wird zur Einbindung der Neubaustrecke Erfurt—Ebensfeld in die Bestandstrasse dann voll gesperrt. Bis Leipzig bleibt aber ein stündlicher Takt erhalten.

Im Fernverkehr sind pro Tag rund 6000 Reisende von den Auswirkungen dieser Großbaustelle betroffen.

ICE-Linie 50 Dresden/Leipzig—Erfurt—Frankfurt (Main)/Wiesbaden

Die Züge dieser Linie verkehren im Stundentakt über die Neubaustrecke Halle/Leipzig—Erfurt. Zu Fahrzeitverkürzungen hat dabei nicht nur die Schnellfahrstrecke, sondern auch die Auflösung der in 2014/2015 notwendigen Fahrzeitverlängerungen durch die Bautätigkeit im Knoten Leipzig geführt. Die Fahrzeiten betragen beispielsweise in der Relation Frankfurt (Main) Hbf—Leipzig Hbf nunmehr 3:03 Stunden (Fahrzeitverkürzung ca. 20 bis 50 Minuten), auf der Strecke Frankfurt (Main) Hbf—Dresden Hbf 4:17 Stunden (Fahrzeitverkürzung rund 60 Minuten).

ICE-Linie 82 Frankfurt (Main)—Paris Est
TGV-Linie 83 München—Paris Est

Ursprünglich war ab 3. April 2016 (nach Inbetriebnahme des 106 km langen Neubaustreckenabschnitts Baudrecourt—Vendenheim) eine Verbesserung des Angebots in der Relation Frankfurt (Main)—Paris geplant. Zwischen Frankfurt (Main) und Paris ist dabei eine Ausweitung von fünf auf sechs Zugpaare vorgesehen (vier Zugpaare via Mannheim/Saarbrücken und zwei Zugpaare via Karlsruhe/Strasbourg), in der Relation Stuttgart—Paris von vier auf fünf Zugpaare. Durch Nutzung der Schnellfahrstrecke sollen sich die Fahrzeiten ab München bzw. Stuttgart um ca. 30 Minuten und um 10 Minuten ab Frankfurt (Main) verkürzen. Aber angesichts des schweren TGV-Unglücks im Rahmen einer Testfahrt am 14. November 2015 ist der 3. April nicht mehr zu halten.

Railjet-Linie 90 München—Wien—Budapest

Die im 2-Stunden-Takt verkehrenden Railjet-Züge wurden um rund 30 Minuten beschleunigt. Die Fahrzeit beträgt nunmehr 6:45 Stunden. Grund dafür ist der Ausbau des Bahnknotens Wien.

Entwicklung im DB-Nachtreisezugverkehr weiter kritisch

Unverständlich. Die DB hat das einzige ICE-Zugpaar Berlin—Flensburg—Aarhus bzw. Berlin—Kopenhagen (immerhin eine Verbindung zwischen zwei europäischen Hauptstädten!) eingestellt. Foto: Christian Schultz

Überwiegend unerfreulich ist weiterhin die Entwicklung im DB-Nachtreisezugverkehr. Nachdem bereits vor dem Fahrplanwechsel im Dezember 2014 die Verbindung Basel—Frankfurt (Main)—Hamburg—Kopenhagen eingestellt wurde, einschließlich der Wagengruppen Prag—Berlin—Kopenhagen und Amsterdam—Köln—Kopenhagen, mit dem Fahrplanwechsel 2014 dann die CNL-Verbindung Berlin—Paris entfiel mit den Wagengruppen Hamburg—Paris und München—Paris, traf dieses Schicksal nun auch die Nachtzugverbindung Berlin—München. Unverständlich ist diese Entscheidung insbesondere vor dem Hintergrund, dass spürbare Fahrzeitreduzierungen mit ICE-Tagesverbindungen erst nach Inbetriebnahme der Neubaustrecke Erfurt—Ebensfeld Ende 2017 wirksam werden.

Nachteile ergeben sich aus der Nachtzugeinstellung Berlin—München auch für diejenigen Reisenden, die ihr Fahrrad mitnehmen möchten. Leider wurde auch nicht die Chance einer Attraktivitätssteigerung genutzt, zum Beispiel durch eine Weiterführung über München hinaus als Direktverbindung ab/bis Verona.

Neu angeboten wird eine CNL-Verbindung Hamburg—Stuttgart/Ulm. Ebenfalls werden nunmehr CNL-Halte in Gütersloh, Lüneburg und Kassel-Wilhelmshöhe angeboten. Die saisonale Durchbindung der CNL-Verbindung Zürich—Berlin ab/bis Binz erfolgt häufiger und neu über Rostock.

Brisant sind trotz punktueller Verbesserungen die Ankündigungen der Deutschen Bahn (und dies ausgerechnet auch noch anlässlich des Klimagipfels in Paris!), das Nachtreisezugangebot Ende 2016 komplett einstellen zu wollen. Nachtbusse, Nacht-ICE und letztlich das Flugzeug sind dann die zweifelhafte Alternative. Sollten derartige Pläne Realität werden, wäre die Reisequalität auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Sitzwagen mögen im Nachtreiseverkehr zur Ergänzung des Angebots zweifellos ihre Berechtigung haben, die Möglichkeit der Schlaf- bzw. Liegewagennutzung stellt jedoch einen deutlichen Wettbewerbs- bzw. Komfortvorteil des Schienenverkehrs dar.

Fernverkehrsangebote privater Anbieter

Seit Juli 2012 stellt das privatwirtschaftliche Bahnunternehmen Hamburg-Köln-Express (HKX) mit seinen Bahnangeboten zwischen Hamburg und Köln eine Alternative zum DB-Fernverkehrsangebot dar. Das Angebot wurde seit dem 13. Dezember 2015 einerseits teilweise ab/bis Frankfurt (Main) Hbf ausgeweitet, andererseits aber auf nachfragestarke Wochentage von Donnerstag bis Sonntag einschränkt.

Ab September 2016 plant das Unternehmen LOCOMORE ein tägliches Zugpaar in der Relation Stuttgart Hbf—Frankfurt (Main) Süd—Göttingen—Hannover Hbf—Berlin Zoologischer Garten(!)—Berlin Hbf—Berlin-Lichtenberg. Weitere Linien sollen ab 2017 in den Relationen Bonn—Köln—Berlin, Berlin—Stralsund—Binz und München—Stuttgart—Frankfurt (Main) folgen. Man darf gespannt sein.

Bereits ab dem 18. März 2016 sind durch „DerSchnellzug.de GmbH“ die Verbindungen Stuttgart—Würzburg—Hannover—Hamburg geplant (allerdings nur von Freitag bis Sonntag) und Stuttgart—Koblenz—Aachen (nur an Montagen).

Diese spärliche Entwicklung verdeutlicht die unverändert ungünstigen Rahmenbedingungen für eigenwirtschaftliche Angebote im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV). Hierzu tragen neben Fragen der Fahrzeugbeschaffung ganz wesentlich die zu hohen Trassen- und Stationspreise bei, die umfassende Angebotsverbesserungen und damit mehr Verkehr auf der umweltfreundlichen Schiene verhindern.

Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 6/2015 (Dezember 2015/Januar 2016), Seite 27-29