Fernverkehr
Nach unzähligen Angebotsreduzierungen in der Vergangenheit gab es zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2015 nun erstmals nach langer Zeit einige erfreuliche Verbesserungen im Bahnverkehr Deutschland—Polen.
2. Mär 2016
Im Zuge der Veranstaltungen in der diesjährigen Europäischen Kulturhauptstadt Wrocław (Breslau) wird es im Laufe des Jahres noch zusätzliche, aber befristete Angebote geben. Die seit dem Fahrplanwechsel wirksamen bzw. noch ausstehenden Änderungen sind im Folgenden zusammengestellt.
In der Relation Berlin—Szczecin (Stettin) ist die Anzahl umsteigefreier Verbindungen durch entsprechende Bestellungen der Bundesländer Berlin und Brandenburg von zwei auf drei Zugpaare erhöht worden, freitags sogar vier.
Seitens des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg wird inzwischen an einem integrierten Angebot von Fern- und Regionalverkehr gearbeitet, das letztlich aber erst nach dem Ausbau der Strecke für 160 km/h bzw. der Elektrifizierung (voraussichtlich ab 2020) wirksam wird. Geplant ist dann zwischen Berlin und Stettin ein Angebot im Ein-Stunden-Takt.
Noch immer gibt es leider keine Durchbindung an die polnische Ostseeküste beispielsweise nach Kołobrzeg (Kolberg).
Für diese Linie wurden seitens DB Regio Nordost 17 neue Dieseltriebwagen vom Typ LINT 41 (Baureihe 623) der Firma Alstom beschafft. Diese Triebwagen verfügen über 110 Sitzplätze, davon 6 in der 1. Klasse. Sie sind klimatisiert und, im Gegensatz zu den zuvor eingesetzten Triebwagen der Baureihe 628, durch Niederflureinstiege deutlich bequemer nutzbar. Die Einstiege sind des Weiteren mit Schiebetritten zur Spaltüberbrückung ausgerüstet und damit barrierefrei.
Leider liegt noch immer keine Zulassung dieser Züge für Polen vor. Auch der Termin für die geplante Erteilung der fehlenden Zulassung Anfang Februar 2016 ist nun bereits verstrichen. Die Folge ist ein Schienenersatzverkehr zwischen Löcknitz und Szczecin Głowny mit einer Fahrzeit von 42 Minuten. Umsteigezwang und Fahrzeitverlängerung – das ist alles andere als fahrgastfreundlich.
Ab 12. März 2016 sind nun die ersten umsteigefreien Verbindungen zwischen Berlin und Gorzów (Landsberg/Warthe) bzw. Toruń (Thorn) geplant. Die Finanzierung ist vorerst bis zum 10. Dezember 2016 gesichert. Grund für die Verzögerung dieser bereits zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 geplanten Verbindung ist die fehlende Zulassung der Dieseltriebwagen des Bydgoszczer Herstellers PESA für das deutsche Schienennetz. Stattdessen sollen nun Züge der zum DB-Konzern gehörenden Arriva RP eingesetzt werden.
Eine Frühverbindung verlässt Gorzów gegen 5.30 Uhr und kommt gegen 7.30 Uhr in Berlin-Lichtenberg an. Ein zweiter Zug beginnt seine Fahrt gegen 5 Uhr bereits in Toruń und erreicht Berlin-Lichtenberg gegen 10.30 Uhr. Abends ist dagegen lediglich eine umsteigefreie Verbindung mit Zugteilung in Gorzów geplant (Abfahrt in Berlin-Lichtenberg gegen 18.30 Uhr).
Positiv ist die seit dem Fahrplanwechsel wirksame Fahrzeitverkürzung der EuroCity-Verbindung (EC54/EC55) in der Relation Berlin—Gdańsk (Danzig)—Gdynia (Gdingen). Zwischen Berlin Ostbahnhof und Gdansk beträgt die Fahrzeit jetzt 5:28 Stunden. Grund hierfür ist der Ausbau der Strecke Poznań—Gdańsk für 160 km/h, wodurch sich die Fahrzeit um rund eine halbe Stunde verkürzt hat.
Optimiert wurde eine Umsteigeverbindung Berlin—Zielona Góra (Grünberg). Durch gute Anschlussgestaltung in Rzepin (Reppen) zwischen dem Berlin-Warszawa-Express und einer Regionalzugverbindung wird Zielona Góra bereits um 9.25 Uhr erreicht. Außerdem soll ab dem Frühjahr ein Zugpaar Zielona Góra—Frankfurt (Oder) nach bzw. von Berlin verkehren.
Leider keine Fortschritte wurden bezüglich der Wiedereinführung der grenzüberschreitenden Regionalbahnverbindung Frankfurt (Oder)—Poznań Głowny (Posen Hbf) erzielt. Die am 8. August 2014 zwischen Frankfurt (Oder) und Poznań Głowny eingeführten zwei Zugpaare bzw. täglich verkehrenden Züge des Regionalverkehrs wurden am 31. Dezember 2014 kurzfristig eingestellt (siehe hierzu auch SIGNAL 1/2015). Diese Verbindung wurde zwar ab dem 6. Februar 2015 mit deutlich reduzierten Verkehrszeiten wieder eingeführt, aber zum 1. September 2015 erneut eingestellt. Das Angebot war damit für die Bahnkunden nicht verlässlich und ließ viele Wünsche offen.
Ein Grundangebot von 4 Zugpaaren pro Tag sollte in dieser Relation problemlos machbar und finanzierbar sein. Im Vergleich zum EuroCity würden damit beispielsweise preisgünstigere Tagestouren nach Poznań möglich.
In dieser Relation gibt es leider auch weiterhin kein tägliches Grundangebot auf der Schiene. Immerhin werden die Bundesländer Berlin und Brandenburg aber mit jeweils 100 000 Euro einen Kulturzug in die Kulturhauptstadt 2016 Wrocław finanzieren. Start des Zuges ist der 30. April 2016; er verkehrt an Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen ab Berlin-Lichtenberg über Ostkreuz, Cottbus und Forst. Die Fahrzeit zwischen Berlin und Wrocław beträgt rund 4,5 Stunden. Die Abfahrt in Berlin-Lichtenberg erfolgt gegen 8.30 Uhr. Die Rückfahrt ist ab Wrocław an Sonnabenden um 19.21 Uhr vorgesehen, an Sonntagen bereits um 16.29 Uhr. Das Angebot ist bis Ende September 2016 befristet. Zum Einsatz kommen Dieseltriebwagen der Baureihe 628. Der Fahrpreis beträgt 19 Euro pro Richtung.
Ziel muss die Umwandlung dieser Verbindung in ein tägliches und ganzjährig verkehrendes Angebot sein.
Als Alternative besteht in der Relation Berlin—Wrocław im laufenden Fahrplanabschitt auch eine recht attraktive bzw. optimierte Umsteigeverbindung, die durch Verknüpfung des Berlin-Warszawa-Expresses mit den innerpolnischen Intercity-Linien Gdynia—Wrocław und Szczecin—Katowice (Kattowitz) in Poznań hergestellt wird. Die Fahrzeit beträgt mit dieser Verbindung rund 5:10 Stunden bei einer Umsteigezeit in Poznań von rund 20 Minuten. Dennoch dauert die Bahnfahrt deutlich länger als mit dem IC-Bus, der nur 4:15 Stunden benötigt.
Nachdem Anfang März 2015 überraschend und noch dazu im laufenden Fahrplanjahr die Zugverbindungen zwischen Görlitz und Wrocław gestrichen wurden, verkehren seit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2015 in der Relation Dresden—Görlitz—Wrocław erfreulicherweise nun wieder drei tägliche Zugpaare (mit geringen Einschränkungen am Wochenende).
Erfreulich auch: Aufgrund einer Ausnahmeregelung des Eisenbahn-Bundesamtes dürfen des Weiteren die Triebwagen der KD (Koleje Dolnośląskie / Niederschlesische Eisenbahn) in/aus Richtung Jelenia Góra (Hirschberg) bis zum Bahnhof Görlitz durchfahren. Drei tägliche Zugpaare werden auf dieser Verbindung nunmehr angeboten.
Weitere vier Regionalzugpaare verkehren in der Relation Węgliniec (Kohlfurt)—Zgorzelec—Görlitz. Damit gibt es zugleich weitere Umsteigeverbindungen zwischen Dresden und Wrocław.
Mit dem Euro-Neiße-Ticket steht für grenzüberschreitende Fahrten auch ein attraktives Tarifangebot zur Verfügung. Dieses Angebot schließt beispielsweise auch die Nutzung der Stadtverkehrslinien in Jelenia Góra ein.
Dass nicht nur im grenzüberschreitenden Straßen-, sondern auch im Schienenverkehr deutlich umfassendere Impulse möglich sind (den entsprechend ernsthaften Willen seitens der Verantwortlichen in Politik, Behörden und Bahnen vorausgesetzt) zeigt die jüngste Wiederinbetriebnahme der Strecke zwischen Selb-Plößberg in Oberfranken und Aš (Asch) in Nordwestböhmen. Durch den rund sieben Kilometer langen grenzüberschreitenden Lückenschluss besteht seit 13. Dezember 2015 ein durchgehender Zugverkehr in der Relation Hof Hbf—Selb-Plößberg—Cheb (Eger)—Marktredwitz (Oberpfalzbahnlinie OPB 2) – und das sogar im Zwei-Stunden-Takt!
Auch die rechtzeitige Bereitstellung der Züge, die im vorliegenden Fall ebenfalls die Zulassungskriterien beider Länder erfüllen müssen, war hier gewährleistet. Mit dem Hof-Cheb-Tagesticket für 12 Euro wird die neue Verbindung zudem auch tariflich attraktiv gestaltet.
Was in einem eher ländlichen Raum möglich ist, sollte eigentlich in der Relation (Berlin—)Frankfurt (Oder)—Poznań, einer Großstadt mit rund 550 000 Einwohnern, selbstverständlich sein.
Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember wurden endlich einige längst notwendige Verbesserungen im deutsch-polnischen Bahnverkehr realisiert bzw. auf den Weg gebracht. Trotzdem bleibt noch viel zu tun, um den mittlerweile langjährigen Trend zu brechen, dass Europa vorrangig auf der Straße zusammenwächst.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und IGEB Fernverkehr
aus SIGNAL 1/2016 (März 2016), Seite 26-27