Titelthema Straßenbahn-Ausbau
Die Bölschestraße während des Umbaus und danach
21. Mär 2018
Der Umbau der Böschestraße erregte vorab die Gemüter. Manche fürchteten, die Straße verlöre ihren Charakter. Andere bemängelten den Verlust an (illegalen) Parkmöglichkeiten. Und wieder andere wünschten eine Querbarkeit der Straße an jeder erdenklichen Stelle. Resultat war ein berlinweit einmaliger Vorgang: die Aufgabe eines besonderen Bahnkörkers zugunsten einer straßenbündigen Führung der Straßenbahn.
Verantwortlich dafür waren – wieder einmal – die Lobbyisten des motorisierten Individualverkehrs. Die Anlage von Radverkehrsanlagen, hier ein aufgepinselter Schutzstreifen, hätte zu viele „heilige“ Parkplätze gekostet. Und so wurde ein Planfeststellungsverfahren mit allen Beteiligungen durchgeführt – mit dem für die Straßenbahn unbefriedigenden Ergebnis.
Inzwischen stellt sich auch die Frage, ob die Bölschestraße nur ein Testballon war. Nach Eröffnung der Minna-Todenhagen-Brücke gibt es auch in Oberschöneweide Überlegungen, den abmarkierten Gleiskörper in der Edisonstraße zugunsten heute nicht vorhandener Parkplätze zur Gemeinschaftsspur umzugestalten. Ob sich der Durchgangsverkehr aus dem irgendwann vierspurigen Sterndamm so einfach abschrecken und über die neue Brücke umleiten lässt, darf bezweifelt werden.
Während der Bauphase zeigte die BVG wieder einmal ihr Beschilderungstalent: Die Züge schilderten immer das Ziel, das sie nicht erreichen. Der Schienenersatzverkehr wurde dank Einbahnstraßenregelung auch nur als Ringlinie südwärts durch die Bölschestraße geführt und dann ohne Halt über Hirschgarten zurück zum Bahnhof Friedrichshagen geschickt. Als klarer Vorteil für alle Fahrgäste erwies sich die Baustellenampel am S-Bahnhof, denn die Grünphasen
für Fußgänger waren deutlich häufiger als bei der üblichen Ampelschaltung, wie sie nun wieder gilt.
Fast schon berlintypisch verzögerte sich die Wiederinbetriebnahme, da die Fahrleitungsarbeiten nicht rechtzeitig beendet werden konnten. In den ersten Betriebstagen wurden die Züge dann auch häufiger umgeleitet, denn an die mehrmonatige Betriebsunterbrechung hatten sich die Autofahrer schnell gewöhnt.
Das Ergebnis der Bauarbeiten ist relativ ernüchternd. Die Haltestelle Müggelseedamm/Bölschestraße ist nun als Haltestelleninsel barrierefrei ausgeführt, doch für die Mitnutzung durch den Nachtbus ist sie laut Aussagen zur Planfeststellung nicht geeignet – begrüßenswerterweise hält dort nun dennoch auch der Nachtbus. Das vormalig überfahrbare Haltestellenkap am Marktplatz wurde nicht zurückgebaut, sondern lediglich abgepollert – die Autos fahren ja jetzt auf dem Gleis. Zum Gehweg hin besteht aber weiterhin eine Bordsteinkante!
Der Radweg, für den ungerechtfertigterweise eine Nutzungspflicht angeordnet wurde, führt zwischen den Pollern hindurch über das alte neue Kap. Er ist allerdings nicht asphaltiert, sondern gepflastert und optisch kaum vom umgebenden Straßenpflaster zu unterscheiden, so dass die Fahrgäste – nach der Gewöhnung an den fehlenden Autoverkehr – nun auf dem Radweg warten. Und während Radfahrer per beschilderter Nutzungspflicht auf die Haltestellenkaps gezwungen werden sollen, haben sie arge Probleme, diese überhaupt zu erreichen oder zu verlassen. Denn es hat nicht einmal für eine provisorische gelbe Markierung gereicht. So wird der (künftige) Schutzstreifen gnadenlos zugeparkt.
Im südlichen Teil der Bölschestraße hat sich dank großzügigem Platz durch den aufgehobenen Bahnkörper nun das regelwidrige Querparken eingebürgert.
Eigentlich wurde mit dem Planfeststellungsbeschluss auch ein Überholverbot im Haltestellenbereich angeordnet. Auch hier haben die beteiligten Akteure bisher versagt und es nicht geschafft, wenigstens eine temporäre Markierung aufzubringen. Folglich werden haltende Straßenbahnen am Marktplatz trotz fehlender Einsehbarkeit der folgenden Kreuzung nun links überholt. Der Gewöhnungseffekt setzt ein, und ob eine irgendwann in ein paar Monaten mal aufgebrachte durchgezogene weiße Linie dann noch beachtet wird, muss bezweifelt werden.
Das größte Ärgernis aber ist, dass die wichtigste Haltestelle (am S-Bahnhof Friedrichshagen) von den Umgestaltungsmaßnahmen ausgeschlossen wurde, da sich BVG, Senatsverwaltung und Bezirk bisher nicht über die künftige Haltestellengestaltung einig sind. Und so bleibt ausgerechnet am Bahnhof alles beim Alten. Jedenfalls fast alles, denn die zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme noch nicht abgeschlossenen Baumaßnahmen sorgten dafür, dass die Autos nun durch die Pförtnerampel das Gleis blockierten und die Straßenbahn somit nicht in die Haltestelle einfahren konnte. Ein Spektakel, dass M 10-Fahrgäste nur allzu gut vom U-Bahnhof Eberswalder Straße kennen. Zumindest dort gab es inzwischen eine kleine Abhilfe durch Beseitigung der Baustellenabsperrung. Inwiefern sich die Autos in den Gleisbereich zurückstauen, wird sich erst nach Fertigstellung aller Baumaßnahmen zeigen, wenn in die Bölschestraße auch wieder aus südlicher Richtung legal eingefahren werden darf. (ge)
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 1/2018 (April 2018), Seite 10-11