Stadtverkehr
Die BVG und ihre Fahrkartenautomaten – Teil VIII
21. Mär 2018
Sie lesen richtig: Nein, die BVG beschafft noch immer keine neuen Fahrkartenautomaten für die Straßenbahn – noch nicht.
Im Amtsblatt der EU wurde eine Ausschreibung der BVG veröffentlicht, die an ernsthaftem Interesse zum Kauf neuer Automaten zweifeln lässt, denn gesucht werden Hersteller, die der BVG im Rahmen einer Modellerprobung ihr Produkt für 18 Monate kostenlos (!) zur Verfügung stellen.
Die BVG, so die Begründung, möchte sehen, welche technischen Möglichkeiten es gibt und welche neuen Automaten die alten, nach eigenen Angaben am Ende des Lebenszyklus angekommenen und teilweise nicht funktionierenden Automaten ersetzen können. Dass bereits zwei Versuche gescheitert sind und die bisherigen oftmals keine 2-Euro-Münzen annehmen und damit zahlungswillige Fahrgäste zu „Schwarzfahrern“ (sprich: Straftätern) werden können, stört die BVG nicht.
Gesucht wird ein Automat, der ein Touch-Display im Mittelpunkt hat, dessen Größe mit mindestens 30 Zoll, das entspricht 76,2 cm, angegeben wird – eine Größe, die nach IGEB-Kenntnissen nicht zum Standard gehört. Das Gerät soll
in die bestehenden Aufhängungen der Fahrzeuge passen und muss die Maße 60 cm Breite, 120 cm Höhe und 30 cm Tiefe einhalten. Das Maximalgewicht wird mit 120 Kilo angegeben.
Die Verkaufsoberfläche muss für die BVG schnell änderbar und aktualisierbar sein. Die Automaten sollen keine Geldannahme mehr haben und ausschließlich Kartenzahlung (auch in kontaktloser Form) akzeptieren. Die Anbieter müssen bereit sein, auch das Hintergrundsystem kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Die IGEB begrüßt, dass die BVG endlich neue Automaten kaufen möchte. Völlig unverständlich ist aber die lange Testzeit von 18 Monaten. In der Ausschreibung wird ein Pitch, eine Art Verkaufswettbewerb, angekündigt, der im Zeitraum 26. Februar bis 31. März 2018 erfolgen soll. Dann können die Teilnehmer ihre zuvor eingereichten Konzepte einer Experten-Jury vorstellen.
Danach soll es einen gemeinsamen Workshop geben, und danach erfolgt wieder ein Pitch, und erst dann sollen die Teilnehmer für den 18-monatigen Versuch ausgewählt werden.
Somit dürfte der Test bis voraussichtlich 2020 laufen, und die gerade verbaute Technik könnte bereits wieder überholt sein – davon abgesehen, dass nach einer erneuten Ausschreibung frühestens 2021 oder gar erst 2022 neue Automaten in Serie verbaut werden würden.
Dies ist ein unhaltbarer Zustand und eine Zumutung für die Fahrgäste.
Hinzu kommt der Mangel, dass die neuen Automaten kein Bargeld mehr annehmen sollen. Von der Tatsache einmal abgesehen, dass der Euro laut Bundesbankgesetz das einzige in Deutschland gültige Zahlungsmittel ist, stellt sich die Frage: Was machen Fahrgäste, die weder eine EC-Karte oder ein Smartphone für ein Onlineticket haben?
Wenn ein Fahrgast am Berliner Stadtrand, sagen wir Karolinenhöhe, wohnt und morgens zur Arbeit fahren muss, soll er künftig eine Kreditkarte oder EC-Karte haben, um einen Fahrschein kaufen zu können. Mal abgesehen davon, dass nicht jeder Fahrgast seine Daten preisgeben will, verfügt auch nicht jeder Fahrgast über eine solche Karte, zum Beispiel Kinder und Schüler und auch solche Touristen aus dem Ausland, deren Karte in Europa nicht akzeptiert wird.
Hier müssen endlich der Aufsichtsrat der BVG unter Senatorin Ramona Pop und die Verkehrssenatorin Regine Günther eingreifen und dem Treiben ein Ende setzen. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Fahrgäste weitere drei Jahre auf funktionierende Automaten warten müssen und diese dann noch nicht einmal Bargeld annehmen.
Übrigens: Was passiert, wenn sich niemand auf diese Ausschreibung bewirbt? (md)
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 1/2018 (April 2018), Seite 22