Fahrgastrechte

Erhebliche Verspätung und Ankunft erst am nächsten Tag


söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.

21. Mär 2018

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin wollte zusammen mit ihrem Sohn mit dem Zug von Bückeburg nach Emden Außenhafen fahren. Für diese Fahrt buchte sie eine Fahrkarte zu einem Preis von 29 Euro (Sparpreis, 1 Erwachsener, 1 Kind). Auf der Fahrt hatte der IC eine Verspätung von 45 Minuten, so dass in Rheine der Anschlusszug nach Emden nicht mehr erreicht werden konnte. Die Beschwerdeführerin musste mit dem nächsten Zug fahren. Dieser fuhr jedoch nur bis Emden Hauptbahnhof, wo sie zusammen mit ihrem Sohn um 17.30 Uhr ankam. Eine Weiterfahrt mit dem Zug zum Zielort Emden Außenhafen war an diesem Tag nicht mehr möglich. Planmäßig hätten sie um 16.29 Uhr in Emden Außenhafen eintreffen sollen. Die Reisenden mussten daher in Emden übernachten (Hotelkosten: 90 Euro) und konnten erst am nächsten Tag ihre Fahrt fortsetzen. Emden Außenhafen erreichten sie am Folgetag um 6.15 Uhr.

Nach der Fahrt wandte sich die Beschwerdeführerin an das Servicecenter Fahrgastrechte und machte eine Verspätungsentschädigung sowie eine Erstattung der Hotelkosten geltend.

Antwort der Beschwerdegegnerin

Der Entschädigungs-/Erstattungsantrag der Beschwerdeführerin wurde vom Servicecenter Fahrgastrechte abschlägig beschieden. Da die Verspätung letztlich lediglich 49 Minuten betragen habe, bestünden keine Ansprüche.

Die Beschwerdeführerin war damit nicht zufrieden und bat die söp um Prüfung und Durchführung eines Schlichtungsverfahrens. Insbesondere sei die Angabe der Verspätungszeit für die Beschwerdeführerin nicht

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nachvollziehbar, da sie Emden Außenhafen erst am nächsten Tag und mit einer Verspätung von fast 14 Stunden erreicht habe.

Schlichtungsarbeit

Die söp prüfte das Anliegen der Beschwerdeführerin und kam zu dem Ergebnis, dass ihr sowohl eine Verspätungsentschädigung als auch eine Hotelkostenerstattung zustehen.

Gemäß Art. 17 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 (VO) besteht ein Anspruch auf Verspätungsentschädigung bei Zugverspätungen ab 60 Minuten i.H.v. 25 Prozent des Fahrpreises und ab 120 Minuten i.H.v. 50 Prozent des Fahrpreises. Da die Beschwerdeführerin zusammen mit ihrem Sohn Emden Außenhafen erst mit einer Verspätung von knapp 14 Stunden erreichte, steht ihr ein Anspruch auf Entschädigung i.H.v. 50 Prozent des Fahrpreises zu, mithin 14,50 Euro. Offenbar legte das Servicecenter Fahrgastrechte bei der Prüfung die Ankunftszeit in Emden Hbf. zugrunde, nicht aber diejenige in Emden Außenhafen.

Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Erstattung der Hotelkosten. Die VO regelt im Anhang I in Art. 32 Abs. 1 CIV, dass der Beförderer dem Reisenden angemessene Übernachtungskosten erstatten muss, wenn die Reise wegen Ausfall, Verspätung oder Versäumnis des Anschlusses nicht am selben Tag fortgesetzt werden kann. Da die Beschwerdeführerin aufgrund der Verspätung des IC ihren Anschlusszug in Rheine verpasst hatte, gab es für sie keine Möglichkeit mehr, noch am selben Tag ihren Zielort – Emden Außenhafen – zu erreichen, so dass die Übernachtung in Emden erforderlich war. Da Art. 32 Abs. 1 CIV keinen Höchstbetrag erstattungsfähiger Hotelkosten nennt, sondern vielmehr auf die Angemessenheit der entstandenen Kosten abstellt, sind der Beschwerdeführerin die Hotelkosten in voller Höhe zu erstatten.

Vor diesem Hintergrund schlug die söp die Zahlung einer Verspätungsentschädigung i.H.v. 14,50 Euro sowie die Erstattung der Hotelkosten i.H.v. 90 Euro vor. Der Schlichtungsvorschlag wurde vom Verkehrsunternehmen vorbehaltlos angenommen, so dass die Angelegenheit einvernehmlich geklärt werden konnte. (Dr. Katja Schmidt)

Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff können von Verkehrsunternehmen wie von deren Kunden noch so gut geplant und organisiert sein: Es wird immer wieder zu Problemen kommen, die Anlass zur Beschwerde geben. Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende Antwort bekommt, kann sich an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet dann einen Schlichtungsvorschlag zur einvernehmlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten Geld, Zeit und Ärger.

SIGNAL-Leserinnen und -Leser können in jeder Ausgabe anhand eines konkreten Falls einen Einblick in die praktische Arbeit der söp bekommen.

Aber auch Fahrgäste im Nahverkehr der Länder Baden Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen können sich an die söp wenden, wenn sie auf ihre Beschwerde hin von dem an der Schlichtung teilnehmenden Verkehrsunternehmen der Region keine sie zufriedenstellende Antwort erhalten haben.

söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
E-Mail: kontakt@soep-online.de
Internet: www.soep-online.de

söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.

aus SIGNAL 1/2018 (April 2018), Seite 31