Stadion „An der Alten Försterei“

Wo bleibt die erstklassige Anbindung?

Neben Hertha BSC vertritt in der Saison 2019/2020 erstmals auch der 1.FC Union die Stadt Berlin in der 1. Fußball-Bundesliga. In Berlins zweitgrößter Sportstätte, im Stadion „An der Alten Försterei“, finden somit ebenfalls Bundesliga-Spiele statt. Bayern München, Borussia Dortmund und Co. werden in Köpenick zu Gast sein. Aber ist auch die Verkehrsanbindung des Stadions erstklassig?

Außerdem will der Verein in die Infrastruktur investieren. Das Stadion soll deshalb in den nächsten Jahren massiv ausgebaut werden. Was bedeutet das für die schon bisher schwierige Verkehrsabwicklung gerade in Bezug auf den ÖPNV? Schon häufiger haben wir im Signal über Probleme bei der An- und Abfahrt berichtet. Wenn auch das eine oder andere bereits verbessert wurde, so gibt es dennoch sehr viel Nachholbedarf – gerade im Hinblick auf den Stadionausbau.


IGEB Stadtverkehr

1. Sep 2019

Künftig findet auch in Berlin-Köpenick in diesem Stadion Erstliga-Fußball statt. Das stellt die Verkehrsanbindung vor neue Herausforderungen. Das Stadion soll von 22 000 auf 37 000 Plätze erweitert werden. Foto: Jens Ullrich

Das „Stadion An der Alten Försterei“ ist die Heimstätte des Fußball-Bundesligisten 1.FC Union Berlin. Aktuell passen rund 22 000 Besucher ins Stadion. In den nächsten Jahren ist eine Erweiterung der Kapazität auf 37 000 Plätze geplant. Das sind immerhin 68 Prozent als jetzt.

Der Schritt ist aus Sicht des Vereins nachvollziehbar. Das Stadion ist fast immer ausverkauft, Tickets für Spontanbesucher fast nie zu bekommen. Der Verein hat inzwischen deutlich mehr Mitglieder als Besucher ins Stadion hineinpassen.

Verkehrsgutachten

Im Gegensatz zu den letzten Ausbaustufen ist dieses Mal allerdings ein erweitertes Verfahren nötig, da der Eingriff in die Umgebung deutlich größer ist. Neben notwendigen Gutachten für Umweltbelange und Lärm ist vor allem ein Verkehrsgutachten Voraussetzung für eine Zustimmung zur geplanten Maßnahme. Der Verein hat dafür 2017 einen entsprechenden Antrag gestellt, und im Herbst 2018 hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen einen Aufstellungsbeschluss für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan gefasst.

Daraufhin hatte die Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich zum Verfahren und auch zum vom

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Verein erstellten Verkehrsgutachten zu äußern. Davon hat auch die IGEB Gebrauch gemacht. Aus dem Gutachten ist sehr gut ersichtlich, dass beim ÖPNV die größten Defizite liegen. Dazu kommt eine stärkere Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Vergleich zu vorherigen Jahren.

Rund 57 Prozent der Stadionbesucher reisen mit dem ÖPNV an. Davon entfallen gut 60 Prozent auf die S-Bahn und knapp 40 Prozent auf Straßenbahn und Bus.

Das Gutachten zeigt auch, dass es schon aktuell sehr schwierig ist, was sowohl die Kapazitäten als auch die Infrastruktur betrifft.

S-Bahn

Bei der S-Bahn konzentriert sich fast alles auf den S-Bf Köpenick (Linie S 3). Zwischen 500 und 600 Fahrgäste steigen vor und nach den Spielen an diesem Bahnhof in einen Zug ein bzw. aus. In der Spitze sind es sogar 1000 Ein-/Aussteiger. Damit ist die Grenze des Möglichen beim derzeitigen 10-Minuten-Takt erreicht. Es kommt bereits vor, dass Fahrgäste auf Unterwegsbahnhöfen zurückbleiben müssen. Das konnte beispielsweise am S-Bf Karlshorst beobachtet werden.

Mit dem Ausbau werden bis zu 10 000 ein- bzw aussteigende Fahrgäste pro Stunde am S-Bf Köpenick erwartet. Das ist nur mit einem dichteren Takt zu bewältigen.

Das Gutachten empfiehlt einzelne Verstärker zu einem 5-Minuten-Takt. Aus Sicht der IGEB sollte es jedoch ab 3 Stunden vor dem Spiel bis ca. 2 Stunden nach dem Spiel einen 5-Minuten-Takt mindestens auf dem Abschnitt Ostkreuz—Köpenick geben.

Ein weiteres Problem betrifft die Infrastruktur. Der S-Bf Köpenick hat nur einen einzigen Abgang. Dieser ist bei Ankunft eines Zuges natürlich total verstopft, und das Räumen des Bahnsteigs dauert einige Minuten. Bei einem 5-Minuten-Takt reicht diese Zeit nicht aus, den Bahnsteig vor Ankunft des Folgezuges zu räumen. Mindestens ein weiterer Abgang ist damit zwingend erforderlich. Ein Ausgang über die Brücke auf die Westseite der Bahnhofstraße wäre von großem Vorteil, weil auch die beengten Verhältnisse am nördlichen Ausgang vor der Ampel ein großes Problem darstellen.

Aber auch eine Vollendung der unendlichen Geschichte „Regionalbahnhof Köpenick“ würde die Situation bei der S-Bahn entschärfen. Die Wichtigkeit dieses Regionalzughaltes, nicht nur für den Stadionverkehr, kann nur immer wieder betont werden. Nach derzeitiger Planung wird diese Station allerdings erst 2027 zur Verfügung stehen.

Straßenbahn

Die Straßenbahn übernimmt zurzeit die direkte Erschließung der Spielstätte. Der S-Bf Köpenick ist etwa 1,3 km Fußweg entfernt. Foto: Jens Ullrich
Stadionatmosphäre in der Alten Försterei vor dem Anpfiff. Foto: Jens Ullrich

Bei der Straßenbahn reisen die meisten Besucher über die Haltestelle „Alte Försterei“ an.

Im Gutachten ist von bis zu 280 wartenden Fahrgästen nach Spielschluss die Rede, die an der Haltestelle auf die nächste Straßenbahn warten. Da im Regelbetrieb nur Fahrzeuge mit einer Kapazität von 150 Fahrgästen eingesetzt werden, müssen schon heute viele Besucher lange Wartezeiten für die Anfahrt in Kauf nehmen.

Inzwischen setzt die BVG zwar auch Tatra-Doppeltraktionen als Sonderzüge ein, allerdings eher unregelmäßig und nicht im dichten Takt.

Durch den Stadionausbau werden zukünftig in der Spitze bis zu 2100 Fahrgäste pro Stunde in Lastrichtung an der Haltestelle „Alte Försterei“ erwartet. Bei einer angenommenen Auslastung je Bahn von 90 Prozent entspricht das einem Bedarf von etwa 16 Zügen pro Stunde, was ungefähr alle 3 bis 4 Minuten ein Zug bedeutet.

Um diese zusätzlichen Züge nicht alle bis nach Köpenick hinein fahren zu müssen, ist eine Endstellen-Lösung im Bereich der Haltestelle „Alte Försterei“ unumgänglich. Das Gutachten schlägt dazu eine Wendeschleife rund 800 m westlich vom Stadion zwischen Eisenbahnbrücke und „Straße zum FEZ“ vor.

Diese Variante hält die IGEB für problematisch. Gerade nach Spielschluss werden die Besucher die Haltestelle vor dem Stadion ansteuern und nicht noch mehrere hundert Meter weiter die Schleife ansteuern – in der Hoffnung, dass dort dann auch bald eine Bahn fährt, während in der Zwischenzeit die Regelzüge vorbeifahren. Diese Züge müsste man dann an der Haltestelle „Alte Försterei“ wahrscheinlich sogar durchfahren lassen, um die Fahrgast-Ströme zur neuen Schleife zu lenken.

Sinnvoller ist deshalb eine Lösung wie am FEZ durch Schaffung einer Kehrmöglichkeit östlich der Haltestelle inklusive mindestens einem Kehrgleis. Platz ist genug vorhanden (s. Foto). Damit kann die vorhandene, auch heute schon extra breite Haltestelle weiter genutzt werden, und es wird keine zusätzlich kompliziert anzulegende Infrastruktur, inklusive Flächenverbrauch, benötigt.

Aber auch an anderen Haltestellen der Straßenbahn ist ein stark gestiegenes Fahrgast-Aufkommen zu beobachten. Bis zu 80 Fans steigen aus den Zügen entlang der Bahnhofstraße ein oder aus. Das Gutachten erwartet zukünftig sogar bis zu 120 Ein-/Aussteiger pro Bahn.

Die Zahl der Fahrradständer auf dem Stadiongelände wurde in den letzten Jahren deutlich erhöht, ist aber bei weitem noch nicht ausreichend. Foto: Jens Ullrich

Dieses Fahrgastaufkommen lässt sich bei Nutzung der derzeit eingesetzten Fahrzeuge nur mit zusätzlichen Zügen abfangen. Hauptsächlich betrifft das die Bahnen Richtung Mahlsdorf und Adlershof.

Auch die Wartebereiche an den Haltestellen, z. B. am S-Bf Köpenick, sind viel zu klein, um solche Fahrgastströme zu bewältigen.

Bus

Auch der Bus wird verstärkt für die Anreise zum Stadion genutzt. Vor allem aus dem Raum Marzahn/Hellersdorf sind die Busse der Linien X 69 und 169 sehr stark ausgelastet, und es bleiben häufig Fahrgäste zurück (beobachtet am Umsteigepunkt U-Bf Elsterwerdaer Platz).

Möglicherweise liegt hier auch der Grund, dass das Gutachten für diese Bezirke eine verstärkte Nutzung des Autos mit all den negativen Folgen für den Weg zum Stadion festgestellt hat.

Eine attraktive Busverbindung in/aus Richtung Norden kann und muss über eine zeitweise Verdichtung der genannten Linien erreicht werden. Eine weitere Möglichkeit wäre eine zusätzliche Nord-Süd-Busverbindung, die den Elsterwerdaer Platz, den S-Bf Wuhlheide, die Alte Försterei und schließlich den S-Bf Spindlersfeld erreicht. Voraussetzung dafür ist allerdings eine ausreichende Tragfähigkeit der Brücke am S-Bf Wuhlheide. Ansonsten steht diese Alternative erst mit Fertigstellung der Straße „TVO“ zur Verfügung.

Auch eine Verstärkung der Straßenbahnen in/aus Richtung Norden (Hohenschönhausen, Friedrichsfelde, Karlshorst, Mahlsdorf (abhängig Infrastruktur)) ist anzustreben.

Parkhaus lieber für Fahrräder als Autos

Die vor wenigen Jahren neu gebaute Straßenbahn-Zwischenendstelle FEZ ist knapp zwei Kilometer vom Stadion entfernt. Foto: Jens Ullrich
Möglicher Standort für eine neue Straßenbahn-Endstelle östlich der Haltestelle Alte Försterei. Foto: Jens Ullrich
Standort für die vorgeschlagene Wendeschleife, Ecke Staße zum FEZ. Foto: Jens Ullrich
Ein Blick zurück: Auch zum Olympiastadion in Charlottenburg gab es Sonderverkehr mit Straßenbahnen „bis zum Horizont“. Foto: Sigurd Hilkenbach, 1963

Neben dem ÖPNV spielen natürlich auch noch andere Verkehrsträger im Stadionverkehr eine Rolle. Das Gutachten fordert hier zurecht eine stärkere Fokussierung auf den Umweltverbund.

Neben dem ÖPNV gibt es auch beim Fuß- und Radverkehr noch Nachholbedarf. Gerade bessere Bedingungen für Radfahrer würden auch den ÖPNV nachhaltig entlasten. Insofern ist das empfohlene Parkhaus für Autos eher kontraproduktiv. Stattdessen wäre ein Fahrrad-Parkhaus deutlich effektiver. Schon heute müssen viele Fahrräder wild im Umfeld des Stadions geparkt werde, obwohl die Zahl der Fahrrad-Stellplätze bereits deutlich zugenommen hat – aber eben bei weitem noch nicht genug. Stattdessen wird eine große Fläche vor dem Stadion für rund 400 Autos bereitgestellt. Auf dieser Fläche hätten theoretisch auch rund 4000 Fahrräder Platz.

Unendliche Geschichte Kombiticket

Um zu verhindern, dass Autofahrer versuchen, so nah wie möglich ans Stadion heranzufahren, sollte statt über ein Parkhaus endlich über ein Kombiticket nachgedacht werden. So können gerade auswärtige Besucher, die in der kommenden Saison noch deutlich zahlreicher sein werden, frühzeitig an einen Bahnhof oder eine Haltestelle in weiterer Entfernung herangeführt werden. Von dort können sie dann mit Hilfe des im Preis der Eintrittskarte enthaltenen ÖPNV-Anteils ins Stadion fahren. Aktuell nutzen nur etwa 10 Prozent der auswärtigen Stadionbesucher öffentliche Verkehrsmittel.

Fazit

Die Verkehrsprobleme rund um das Stadion an der Alten Försterei sind sicher auch mit der geplanten Erweiterung lösbar. Aber die dafür erforderlichen Maßnahmen müssen geklärt und auf den Weg gebracht werden, bevor mit dem Stadion-Umbau begonnen werden kann. Ansonsten droht nach Fertigstellung das blanke Chaos. Und damit wäre weder den Fans noch dem Verein noch den Anwohnern geholfen. Gerade für den Autoverkehr gibt es keine Kapazitäten mehr. Die Lösung kann nur in der Stärkung des Umweltverbundes liegen. Nur mit einem starken ÖPNV, ergänzt durch breite Wege für Fußgänger und sichere Wege sowie Abstellmöglichkeiten für Radfahrer, E-Scooter o.ä., sind Großveranstaltungen innerhalb der Stadt zu bewältigen.

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 3/2019 (September 2019), Seite 8-10