Baustellen bei der Straßenbahn in Köpenick:

Betrieblich optimiert, Fahrgäste schikaniert

Verschiedene Bauarbeiten schränken in diesem Jahr alle Straßenbahnlinien in Köpenick ein. Dieser Artikel betrachtet drei Baustellen und deren Auswirkungen auf die Fahrgäste. Er erklärt die Betriebsführung und wertet diese aus Sicht der Fahrgäste.


IGEB Stadtverkehr

1. Aug 2020

Hier am Lienhardweg entstand diese Stumpfendstelle. Wer zügig nach Wendenschloß will, steigt lieber hier aus und läuft zu Fuß weiter, statt 8 Minuten auf den SEV zu warten. Foto: Tom Gerlich

Baustelle Wendenschloßstraße

600 Meter Abwasserkanal mussten auf dem Abschnitt in der Wendenschloßstraße zwischen den Haltestellen Lienhardweg und Wendenschloss erneuert werden. Hierzu wurde am Lienhardweg eine provisorische Stumpfendstelle eingerichtet. Fahrgäste, die normalerweise an den nicht mehr angefahrenen Haltestellen Müggelbergallee oder Wendenschloß aussteigen, sollten an der Haltestelle „Zur Nachtheide“ (eine Haltestelle vor Lienhardweg) in einen Bus umsteigen.

Der Haken an der Sache: Der Bus fährt täglich rund um die Uhr nur alle 20 Minuten, die Straßenbahn alle 10 Minuten. Zugleich wurden Fahrgästen in beiden Richtungen ganze 8 Minuten eingeräumt – für die Abfahrt am selben Haltestellenmast in die eine Richtung bzw. das bloße Überqueren einer Straße in die Gegenrichtung.

Obwohl der Schienenersatzverkehr (SEV) von keinerlei Stau oder operativen Sperrungen betroffen war, wurde der SEV-Fahrplan maximal ungünstig zur Straßenbahn gelegt (siehe Kasten). Wer die beiden vom SEV bedienten Haltestellen erreichen wollte, konnte genauso gut eine Haltestelle mit der Straßenbahn weiterfahren und war bei normaler Gehweise ebenso schnell dort wie der Ersatzverkehr.

Baustellen Bahnhofstraße

Wegen Bauarbeiten in der Bahnhofstraße fuhren vom 2. März bis zum 7. Juni keine Straßenbahnen durch die Köpenicker Bahnhofstraße (sowie in Friedrichshagen und Richtung Mahlsdorf). Ersatzbusse übernahmen diesen Abschnitt.

Für die Linien 62 und 63 fuhren die Busse durch die Bahnhofstraße weiter über die Dammbrücke Richtung Altstadt Köpenick. Vor dem Rathaus Köpenick war jedoch für Fahrgäste die Fahrt beendet. Wer hier Richtung Krankenhaus Köpenick weiter wollte, musste wieder in die Straßenbahn umsteigen. Und dies, obwohl der SEV-Bus ab dort als Betriebsfahrt ebenfalls zum Krankenhaus Köpenick fuhr! In einer Zeit, in der alle aufgrund von Corona zu Abstand aufgefordert wurden, setzte die BVG ihre Fahrgäste vor die Tür und fuhr 4 Haltestellen zum Krankenhaus Köpenick leer weiter!

Auch für die Linien 68 und 61 ließ die BVG bereits am Rathaus Köpenick die Fahrgäste aus dem SEV aussteigen, und dann fuhren die Busse leer zur Betriebshaltestelle Köllnischer Platz über die Lange Brücke.

Nach Beendigung der Baustelle Bahnhofstraße konnte die 61 jedoch weiterhin nicht in ihrer originalen Linienführung durch den Müggelseedamm fahren: Am 5. Juni gab die BVG bekannt, dass da ja noch eine Fahrleitung zu sanieren sei und der Abschnitt zwischen Hirschgarten und Bölschestraße für weitere 7 Wochen gesperrt werden muss.

Der Ersatzverkehr für die Sperrung der Bahnhofstraße fuhr noch weit aus dem Kartenausschnitt hinaus bis Krankenhaus Köpenick und Köllnischer Platz. Nur leider ab Rathaus Köpenick unter Ausschluss der Fahrgäste. Abb: BVG

Pikant hierbei: Anfang Juni war der Straßenbahnverkehr bereits seit 10 Monaten wegen eines Rohrbruches in der Seelenbinderstraße in Friedrichshagen eingestellt. Die Einschränkung aufgrund der Havarie in der Seelenbinderstraße ging nahtlos über in die planmäßige Baustelle in der Bahnhofstraße – und die BVG schaffte es nicht, binnen 40 Wochen die Erneuerung von 2000 Meter Oberleitung in dieser Sperrpause unterzubringen?

Baustelle Altstadt Köpenick

Nach der Wiedereröffnung der Bahnhofstraße für den Straßenbahnverkehr am 8. Juni ging es nahtlos weiter mit der Sperrung der Gleise in der Altstadt Köpenick. Für die Erneuerung von 350 Metern Gleis und einer Weiche wurden die Linien 27, 61, 62, 63, 67 und 68 für 7 Wochen unterbrochen.

Diesmal begannen die Ersatzbusse für die 68 am Bahnhof Grünau und für die 61 und 63 in Adlershof und brachten die Fahrgäste zur Bahnhofstraße. Die Busse für die 27, 62 und 67 begannen nun am Krankenhaus Köpenick, genau dort wo sie in der vorherigen Bauphase noch als Betriebsfahrt, also

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unter Ausschluss der Fahrgäste, hinfuhren. Warum ging das nicht bereits in der Bauphase davor?

In dieser Bauphase traf es nun Fahrgäste, die am Bahnhof Köpenick mit der S-Bahn ankamen und weiter mit 62 oder 63 Richtung Mahlsdorf fahren wollten: Die Straßenbahnlinien 62 und 63 hielten zwar direkt vor dem Bahnhof Köpenick in der eigentlich günstigsten Position, die dieser Umsteigeknoten überhaupt vorweisen kann: im Stellingdamm, direkt am Bahnhofseingang.

Dort jedoch brachte es den Fahrgästen leider nichts, in die Bahn einzusteigen. Diese fuhr zur Endhaltestelle in der Hirtestraße und machte dort wochentags erst einmal 7 Minuten Pause. Wer am Wochenende oder spätabends in die Bahn einstieg, konnte dem Fahrpersonal sogar 17 Minuten beim Pausieren zuschauen.

Erst hier sollen die Fahrrgäste in die Straßenbahn Richtung Mahlsdorf einsteigen. Mit dem üblichen hastigen Übergang vom verspäteten SEV zur Straßenbahn. Ob sie auch wartet?
Eine Szene, die sich hier wahrscheinlich besondern in der ersten Woche alle 10 Minuten abspielte. Fahrgäste fragen das Fahrpersonal, ob sie schon einsteigen können. Fotos: Tom Gerlich
In der Bauphase der Sperrung der Altstadt Köpenick war ein Großteil des Straßenbahnnetzes in Köpenick gesperrt. Abb: BVG

Die Baubetriebsplaner der BVG hatten sich das anders vorgestellt: Wer am Bahnhof ankommt, sollte auf einen – dank zugestauter Bahnhofstraße – unzuverlässigen SEV warten, um mit diesem eine Station weiter Richtung Norden zur Haltestelle Mahlsdorfer/ Gehsener Straße vorzufahren. Und dort wäre der Umstieg zur Straßenbahn.

Das Erstaunliche daran: Die BVG selbst zeigte noch im Jahr 2017, wie es besser geht: Die Bahnen kamen von Mahlsdorf und fuhren in die Gleisschleife Hirtestraße, das Fahrpersonal machte Pause. Anschließend fuhren die Bahnen ein zweites Mal an die Haltestelle am S-Bahnhof Köpenick vor, um nun die Fahrgäste einsteigen zu lassen. Der Unterschied in diesem Jahr: Auch die 27 befuhr die Wendeschleife Hirtestraße. Sofern dies ein Problem darstellen würde, wäre eine Möglichkeit gewesen, die 27 in der Gleisschleife Mahlsdorf Süd wenden zu lassen.

Fazit

Schlecht abgestimmter SEV-Fahrplan in Wendenschloß, lange Leerfahrten auf verkehrlich bedeutenden Abschnitten Richtung Krankenhaus Köpenick und Köllnischer Platz, schlechte Baukoordination im Müggelseedamm und unnötige Umstiege am S-Bahnhof Köpenick mit Gefahr des Anschlussverlustes. Diese Bilanz zieht die IGEB aus der Baustellenfahrplanung der BVG in Köpenick.

Es wäre an der Zeit, dass künftig ein weiteres unabhängiges Unternehmen, beispielsweise das für die Kontrolle der BVG zuständige „Center Nahverkehr Berlin“, die Fahrpläne von Ersatzverkehren überprüft und die BVG zu Anpassungen auffordert. Teil der Prüfung sollte sein: Kurze Anschlüsse, Leerfahrten vermeiden, fahrgastfreundliche Umstiege.

Kleine fahrplanerische Aufgabe

Angenommen, Sie sind Fahrplaner bei der BVG und müssen nun für eine kurze SEV-Linie, die keine weitere Aufgabe hat, als einen Zu- und Abbringer zur Straßenbahn herzustellen, die ideale Abfahrtsminute ermitteln.

Die Straßenbahn kommt zur Minute 4, 14, 24 an und fährt zur Minute 00, 10, 20 ab. Da der SEV am Umsteigepunkt keine Aufenthaltszeit einlegen kann, stellt sich folgende Frage: Wann wäre die ideale und wann wäre die ungünstigste Abfahrtszeit?

Die Antwort: Die schlechteste Abfahrtszeit wäre die zur Minute 2. Aus beiden Richtungen (Tram-SEV und SEV-Tram) müssten die Fahrgäste je 8 Minuten beim Umsteigen warten. Die ideale Abfahrtszeit wäre die Minute 7. Hier müssten die Fahrgäste je Richtung 3 Minuten warten.

Welche Abfahrtsminute hat die BVG gewählt? Richtig, die schlechteste. Abfahrt zur Minute 2!

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 3/2020 (August 2020), Seite 4-5