Brückenstörung auf der Ringbahn

Wie die Autobahn die S-Bahn lahmlegte. Und lahmlegen wird.

Die A100-Brücken am Dreieck Funkturm und in Westend nähern sich dem Ende ihrer Lebensdauer, das ist lange bekannt. Daher hat die Planung der Ersatzbauwerke längst begonnen.


Berliner Fargastverband IGEB

1. Jun 2025

Titelbild: Neben dem „abgeknabberten“ Brückenrest der Westendbrücke fährt wieder die Ringbahn, und die Autofahrer auf der Stadtautobahn haben sich mit der geteilten Richtungsfahrbahn im Gegenverkehr inzwischen arrangiert. Wann werden die nächsten baufäligen Straßenbrücken den Eisenbahnverkehr lahmlegen? Foto: Florian Müller (30. April 2025)

Bekanntester Vertreter war bisher die Rudolf- Wissell-Brücke (siehe SIGNAL 1/2025 Seite 14), deren Ersatzneubau in Flächenkonkurrenz zum Wiederaufbau der Siemensbahn steht. Die sogenannte Ringbahnbrücke, die nördlich von Westkreuz in Nähe des ICC eine Richtungsfahrbahn der A100 über die Ringbahngleise von Fern- und S-Bahn verschwenkt, sowie die Westendbrücke für die Rückverschwenkung, traten trotz bekannter Mängel in der Öffentlichkeit bisher weniger in Erscheinung, waren die Einschränkungen (u. a. Lastbegrenzung) doch eher marginal in den Auswirkungen. Das änderte sich schlagartig im März 2025, als bei einer Brückenprüfung ein bekannter Riss eine deutliche Ausweitung aufwies. Als Sofortmaßnahme wurden zwei der drei Fahrstreifen gesperrt. Weitere Untersuchungen wurden veranlasst.

Der eine Übeltäter, die „Ringbahnbrücke“ am S-Bahnhof Messe Nord, oben schon ohne Autoverkehr und noch mit S-Bahn-Verkehr unter der Brücke, unten nach dem Abriss und mit wieder aufgenommenem S-Bahn-Verkehr. Fotos: Florian Müller (20.3.25 und 29.4.25)
Eine bemerkenswerte Fehlinformation in der S-Bahn über den ganzen Zeitraum: Der Bahnhof Westkreuz wird auf der genutzten Halenseekurve eben nicht angefahren. Foto: Florian Müller (23.4.25)
Der andere Übeltäter, die „Westendbrücke“ am S-Bahnhof Westend, oben schon ohne Autoverkehr und mit gesperrtem S-Bahn-Verkehr unter der Brücke, unten nach dem Abriss der Brücke und mit abgerissenem Stellwerk, sowie mit wieder aufgenommenem S-Bahn-Verkehr. Links auf dem unteren Bild ist deutlich das Profil der zur Hälfte abgerissenen Brücke zu sehen. Fotos: Florian Müller (7.4.25 und 29.4.25)
Am S-Bahnhof Westend ist die M45-Bushaltestelle, die bisher direkt vor dem Bahnhofsausgang lag, ersatzlos aufgehoben worden, weil die umgeleiteten Autos zur Stadtautobahn den Haltestellenbereich zustauen. Die Fahrgäste werden auf die reguläre Haltestelle 115 Meter vorher verwiesen. Kollateralschaden Busfahrgäste für die nächsten 3 Jahre? Durch bauliche Abtrennung (Zwischenbord) der nach wie vor gültigen Busspur und eine veränderte Ampelschaltung an der Autobahnauffahrt ließe sich die Haltestelle wieder nutzen. Foto: Florian Müller 29.4.25)

Am 19. März folgte die nächste Verschärfung: Um das Risswachstum zu stoppen, wurde die A100 in Richtung Norden vollständig gesperrt, was in den nächsten Tagen auch den BVG-Busverkehr im Umfeld deutlich beeinträchtigte. Doch der aus Fahrgastsicht interessanteste Termin folgte am 28. März: Während der vormittäglichen Pressekonferenz verkündete die Autobahn GmbH des Bundes noch, dass niemand die Absicht habe, die Ringbahn einzustellen. Auftretende Gerüchte über eine bevorstehende Sperrung wurden im Anschluss dementiert. Am Nachmittag drehte sich die Stimmung. Ab 21 Uhr wurde die Ringbahn wegen der “Brückenstörung” zwischen Halensee und Westend auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Immerhin hieß es bei der DB nicht: „Wegen der Reparatur einer Autobahnbrücke […]”.

Positiv: Die S-Bahn hatte ihre Hausaufgaben gemacht und war, so gut es ging, bereits auf die Situation vorbereitet. Sie holte einen entsprechenden Plan aus der Schublade. Hier endet das Lob, denn die Auswirkungen waren gravierend und wirkten sich weit auf den Südring aus. Der 10-Minuten-Grundtakt der Ringbahn bestand zwischen Westend und Halensee via Gesundbrunnen, Ostkreuz und Südkreuz. Jeder zweite Zug (20er-Takt) fuhr über die Halenseekurve weiter nach Charlottenburg. Der 5er-Takt endete bereits in Tempelhof und verpasste somit die wichtigen Umsteigebahnhöfe Südkreuz und Schöneberg. Die S 46 wurde nach Bundesplatz zurückgezogen und wendete dort mit dreimaligem Fahrtrichtungswechsel durch die Kehranlage. Auf einen Pendelverkehr Halensee—Westkreuz wurde dagegen verzichtet, obwohl dort ein deutlich dichterer Takt als nach Charlottenburg möglich gewesen wäre.

Einmal mehr zeigt sich damit, dass die Infrastruktur der S-Bahn weiterhin deutliche Mängel in der Netzresilienz aufweist. Es fehlen Gleiswechsel und die Möglichkeit, an wichtigen Umsteigebahnhöfen Züge kehren zu können. Mit der altbekannten IGEB-Forderung, Westkreuz (Ring) in der Leit- und Sicherungstechnik vom Haltepunkt zum Bahnhof aufzuwerten, wäre der 5-Minuten-Takt auf der gesamten Strecke möglich gewesen. Die S 46 hätte dann über die kapazitätsschwache eingleisige Halenseekurve nach Charlottenburg abgeleitet werden können. Die Notwendigkeit dieser Teilmaßnahme bleibt bestehen, denn auch für den Neubau der Ringbahn- und Westendbrücke werden wieder Unterbrechungen der Ringbahn erforderlich sein.

Weitere Ersatzneubauten sind in der Planung schon weit fortgeschritten oder stehen demnächst auf der Agenda. Neben der bereits genannten Rudolf-Wissell-Brücke betrifft das auch die Schönfließer Brücke, Schönhauser Allee, Greifenhagener Straße, Stahlheimer Straße, Dunckerstraße, Kniprodestraße und Landsberger Allee. Hierfür müssten die Haltepunkte Jungfernheide (im Rahmen der Siemensbahn geplant), Prenzlauer Allee und Storkower Straße analog zu Westkreuz mit passenden Signalen und Weichen ausgestattet werden, so dass die Strecke des Ersatzverkehrs möglichst kurz gehalten werden kann.

Doch wie geht es im Charlottenburger Ringbahngraben weiter? Wohl mit einem „weiter so”. Die einzige Ambition besteht darin, möglichst schnell die Autobahn wiederherzustellen und das Dreieck Funkturm mit einer höheren Leistungsfähigkeit unter dem Label der Verkehrssicherheit umzubauen. Ansonsten bleibt es beim Bekannten, trotz aller Ideen zur Entflechtung von Autobahn und Bahntrasse durch Verzicht auf den Seitenwechsel. Auch die Idee, den (Auto-)Bahngraben zu deckeln, ist wenig fortgeschritten. Beides würde höhere Investitionen und weitergehende Planung erfordern. Damit ist nicht zu rechnen.

Berliner Fargastverband IGEB

aus SIGNAL 2/2025 (Mai 2025), Seite 4-5