Berlin: Fahrplanwechsel Dezember 2006

Neuer Fahrplan: BVG macht Metronetz zum Mogelnetz

Die BVG hat mit dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2006 zum wiederholten Mal ihr Verkehrsangebot bei Bussen und Bahnen reduziert. Sie unterschreitet damit (noch stärker als bisher) die ihr durch den geltenden Unternehmensvertrag auferlegten Verkehrsleistungen – offensichtlich mit Duldung des Senats. Der Berliner Fahrgastverband IGEB hat dafür kein Verständnis.


Berliner Fahrgastverband IGEB

15. Feb 2007

M 41 am neuen Hauptbahnhof. Seit der Verlängerung zum Hauptbahnhof hat die Metrobuslinie M 41 auch auf ihrem Kreuzberger und Neuköllner Linienabschnitten deutliche Fahrgastzuwächse zu verzeichnen. Die BVG hat dennoch in den Vormittagsstunden das Fahrtenangebot auf dem Kreuzberger Abschnitt halbiert. Foto: Raul Stoll

Gerade angesichts der finanziellen Lage der BVG ist es der falsche Weg, das Fahrgeld einbringende Verkehrsangebot zu kürzen, während die Kosten für die Verwaltung auf einem viel zu hohen Niveau verbleiben. Somit entfernt sich die BVG immer mehr von einem „durchschnittlich gut geführten Verkehrsunternehmen“. Dieses Kriterium ist aber nach EU-Recht die Voraussetzung dafür, dass die BVG – wie vom rot-roten Senat geplant – ab 2008 weiterhin alle Bus-, Straßenbahn- und U-Bahn-Verkehre in Berlin erbringen kann.

Paradoxerweise sind von der aktuellen Angebotskürzung insbesondere die Metrolinien betroffen, obwohl diese nach Angaben der BVG stark steigende Fahrgastzahlen aufweisen. Die Folge: längere Wartezeiten und weniger Komfort durch vollere Fahrzeuge.

BVG kürzt Angebot auf Hauptachsen

Konkret wurden von der BVG zum 10. Dezember auf folgenden vier Hauptachsen Kürzungen vorgenommen:

Mit einem halben Jahr Verspätung wurde nun vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg die Straßenanbindung zum östlichen Zugang des Bahnhofs Berlin Südkreuz hergestellt, so dass auch BVG-Busse hier vorfahren können. Die Buslinien 184 und 248 bieten über die neue Straße namens Ballonfahrerweg wichtige Direktverbindungen zwischen dem Fern-, Regional- und S-Bahnhof sowie den benachbarten Ortsteilen. Foto: Raul Stoll

Ergänzungsnetz ebenfalls reduziert

Auch abseits der Hauptachsen gab es einige Kürzungen im Verkehrsangebot der BVG. So fährt der Kiezbus in Hermsdorf (Linie 326) nicht mehr an Sonntagen – er hatte wegen seiner bisher auf fünf Stunden beschränkten Einsatzzeit ohnehin nur eine begrenzte Nachfrage.

Der Betrieb auf der Buslinie 347 in den Abendstunden und am Wochenende wurde weiter reduziert. Damit schikaniert die BVG die vielen treuen Fahrgäste dieser Linie, die sich hartnäckig gegen alle Vertreibungsversuche der BVG wehren, weiter. Nachdem eine von der BVG geplante Verkürzung der Linie im Jahr 2003 am Widerstand der Anwohner gescheitert ist, hat auch die teilweise Umstellung auf den 30-Minuten-Takt nicht dazu geführt, dass die Busse leerer geworden sind. Kein Wunder, denn kaum ein anderes, so dicht bebautes innerstädtisches Wohnquartier ist so schlecht mit dem ÖPNV erschlossen, wie das von der Linie 347 bediente Quartier um den Rudolfplatz und die Corinthstraße. Insofern hat die IGEB keinerlei Verständnis für die nun erfolgte erneute Angebotskürzung der BVG.

Es ist nicht lange her, da plante man noch eine neue Straßenbahnstrecke zwischen Berlin-Schöneweide und Adlershof und hat dafür eine eigene Trasse (der Sandstreifen rechts) in der Mitte des neuen Groß-Berliner Damms freigehalten. Heute wird die großzügig dimensionierte Straße von der sinnvoll veränderten Buslinie 163 bedient, allerdings nur zu ausgewählten Zeiten. Ausgerechnet zu den Stunden, in denen hier das höchste Verkehrsaufkommen zu erwarten wäre, verkehrt sie nicht. Soll bewiesen werden, dass man die Straßenbahn nicht braucht? Foto: Raul Stoll

Auch positive Veränderungen

Allerdings gab es zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember auch positive Veränderungen im Angebot der BVG:

Trotz dieser drei positiven Maßnahmen überwiegen die Angebotsverschlechterungen. Zusammen mit der Fahrpreiserhöhung zum 1. April 2007 (auch wenn diese nur einen Teil der Fahrgäste trifft) wird die BVG so keine neuen Fahrgäste gewinnen. Es bleibt zu hoffen, dass nun auch die politisch Verantwortlichen erkennen, dass die Angebotskürzungen beim Berliner ÖPNV – wie wir sie nun schon seit einem Jahrzehnt erleben – ein Ende haben müssen. Ansonsten wird die Mobilität der Berliner, die ohne eigenes Auto leben (und das sind bemerkenswerte 68% der Einwohner, also fast 2,3 Millionen Menschen) dauerhaft eingeschränkt sein – mit verheerenden sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen.

Positive Tendenzen im Koalitionsvertrag

Erste positive Tendenzen enthält der Koalitionsvertrag, der fordert, dass „mit der BVG ein Verkehrsvertrag abgeschlossen wird, der die im Nahverkehrsplan festgelegten Verkehrsleistungen definiert und deren finanzielle Abgeltung durch das Land regelt.“ Dies würde bedeuten, dass das jetzige Verkehrsangebot – was dem in den Eckpunkten des Nahverkehrsplans festgelegten Umfang weitgehend entspricht – fortbestehen würde. Doch eines ist dafür auch nötig, und daran scheint es der Politik zu fehlen: Der Wille zur ausreichenden Finanzierung der BVG entsprechend ihrer (überdurchschnittlich hohen) Kosten. Denn wenn man die BVG wie im bisherigen Unternehmensvertrag chronisch unterfinanziert, kann die Spirale aus steigendem Schuldenberg und Angebotskürzungen nicht gestoppt werden.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 1/2007 (Februar/März 2007), Seite 14-16