Bayern: Kurz vorm Gebirge ist (vorerst?) Schluss
Seit dem 8. Januar 2007 fahren auf der Fichtelgebirgsbahn Bayreuth—Weidenberg— Warmensteinach auf dem Abschnitt zwischen Bayreuth und Weidenberg wieder Züge der Deutschen Bahn (Regio Obnerfranken). Betreiberin der Infrastruktur (Strecke und Bahnhöfe) ist die Deutsche Regionaleisenbahn (DRE).
1. Jan 2007
Das bis zu rund 1000 m hohe Fichtelgebirge erstreckt sich im Nordosten Bayerns in der Nachbarschaft zu Sachsen und Böhmen(Tschechien). Es wird von vier Hauptbahnen eingerahmt:
Von diesen vier Hautbahnen ausgehend erschlossen sieben radiale Nebenbahnen das innere Fichtelgebirge bis Warmensteinach, Bischofsgrün, Gefrees, Zell, Weißenstadt, Wunsiedel und Fichtelberg. Im Güterverkehr dienten sie vor allem dem Granittransport aus den Steinbrüchen sowie dem Materialtransport für die dominierende Porzellanindustrie. Im Personenverkehr spielte der erhebliche Fremdenverkehr eine bedeutende Rolle.
Einhergehend mit der Motorisierung im Straßenverkehr nach 1950 sowie den Strukturproblemen der Porzellan- und der Steinindustrie sind inzwischen sämtliche Stichbahnen bis auf die Strecke Bayreuth—Warmensteinach stillgelegt.
Auf der Strecke Bayreuth—Weidenberg—Warmensteinach wurde der planmäßige Zugbetrieb am 15. August 1896 aufgenommen, also vor fast 111 Jahren. Die Streckenlänge beträgt bis Weidenberg 14 km, bis Warmensteinach 23 km. Die größte Steigung liegt bei 1:50. Der Streckenverlauf wird durchgängig von der Steinach bestimmt, einem Quellflüsschen des (Roten) Mains.
Aufsteigend aus dem Bayreuther Becken weitet sich das Tal bei Weidenberg, um dann der Bahn eine faszinierende Hanglage neben dem in den Fels eingeschnittenen Steinachbett bis Warmensteinach zu geben. 220 m Höhendifferenz werden überwunden. Im Luftkurort Warmensteinach gibt es einen Sessellift auf den Ochsenkopf (1024 m), eine touristische Attraktion ersten Ranges. Die winterlichen Skisonderzüge Nürnberg—Warmensteinach waren einmal prägend.
Doch auch diese Strecke litt unter sinkender Inanspruchnahme, so dass sie beim damaligen Eigentümer DB in den Teufelskreis ungenügender Investitionen in Oberbau und Brücken (z. B. Mengersreuth) mit der Folge zahlloser Langsamfahrstellen geriet.
Für den unteren Abschnitt Bayreuth—Weidenberg schien sich mit zeitlichem Verzug Analoges anzubahnen. Am 10. Juni 2001 sperrte die DB auch diesen Abschnitt „aus technischen Gründen“ und verlegte den Verkehr auf die Straße. Als „Retter in der Not“ trat nunmehr die Deutsche Regionaleisenbahn GmbH (DRE) auf den Plan. Gemeinsam mit dem Landkreis Bayreuth und der Gemeinde Weidenberg kämpfte sie für die Wiederinbetriebnahme und Sanierung der Fichtelgebirgsbahn. Hier sind drei Namen zu nennen: Landrat Dietel, Bürgermeister Fünfstück und Vorsitzender DRE-Geschäftsführer Curth engagierten sich weit über das berufliche Muss hinaus. Lediglich in Warmensteinach wurde keine politische Mehrheitsbildung im Gemeinderat erzielt.
Umso nachhaltiger war die Unterstützung, welche die Idee einer Wiederbelebung der Fichtelgebirgsbahn von Seiten der Bürgerinitiative „Pro Fichtelgebirgsbahn“ unter Prof. Hiery von der Universität Bayreuth erhielt. Hier entwickelte sich auch eine vitale Ortsgruppe Warmensteinach. In aktiver Eigenarbeit schnitt die Bürgerinitiative beispielsweise das Lichtraumprofil für den Zugverkehr wieder frei und legte damit den Grundstein für eine echte „Bürgerbahn“.
Zum Jahreswechsel 2001/2002 konnte die DRE die Gesamtstrecke von der DB erwerben und damit den Grundstock für eine an den örtlichen Bedürfnissen ausgerichtete, mit sparsamsten Notunterhaltungen vorzunehmende kurzfristige Revitalisierung und mittelfristige Sanierung legen. Am 5. Mai 2002 war es dann soweit: Unter großer Anteilnahme von Politik und Bevölkerung wurde – fränkisch volksfestartig ausgestaltet – der Zugbetrieb zwischen Bayreuth und Weidenberg wieder aufgenommen.
Im nächsten Schritt galt es, Investitionsmittel in der Größenordnung von mehreren Millionen Euro für die Sanierung einzuwerben. Hier wurde zunächst weitere zwei Jahre lang der Schwarze Peter im Kreis herum geschoben. Fast zeitgleich erfolgte ab 1. Juni 2004 erneut eine Unterbrechung des Zugverkehrs, die bis zum Ablauf der Sanierung im Januar 2007 anhalten sollte. Ursächlich war der sechsspurige Ausbau der durch Bayreuth führenden Bundesautobahn A9. Die aus dem Jahr 1937 stammende Eisenbahnbrücke wurde am 19. Juni 2004 abgerissen und durch eine Einbeziehung der Bahnkreuzung in die aus Lärmschutzgründen vorgenommene Einhausung (Tunnel) der Autobahn erneuert.
Kurz darauf, am 28. Juli 2004, konnte der Kreistag des Landkreises Bayreuth nach einer Einigung zwischen dem damaligen Wirtschaftsminister des Freistaates Bayern, Otto Wiesheu, und dem Bayreuther Landrat Klaus-Günter Dietel folgenden wegweisenden Grundsatzbeschluss fassen: Der Landkreis Bayreuth und die Gemeinde Weidenberg schließen eine Zweckvereinbarung unter Federführung des Landkreises. Dieser schließt mit der DRE einen langfristigen Erbbaurechts- und Betriebsführungsvertrag. Der Freistaat Bayern gibt aus Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) einen Zuschuss in Höhe von 6,5 Millionen Euro für die Streckensanierung an den Zweckverband.
Letzteres war erforderlich, weil eine direkte Bezuschussung der Eisenbahninfrastruktur privatrechtlich organisierter Bahnen, wie dies in anderen Bundesländern erfolgt, vom Freistaat Bayern strikt abgelehnt wird. Betreiber der Eisenbahninfrastruktur bleibt jedoch nach wie vor die DRE.
Der Landkreis führte Ausschreibung und Vergabe durch. Die Streckengeschwindigkeit wurde von 50 auf 60km/h erhöht. Die Gesamtfahrzeit verkürzte sich so um ein Drittel von 30 auf 20 Minuten. Die Bayerische Eisenbahn-Gesellschaft (BEG) GmbH als SPNV-Aufgabenträger bestellte langfristig zweimal sieben Fahrten montags bis freitags. Durch diese Erhöhung der Zugfrequenz um 40% wird fast ein Stundentakt erreicht.
Die Inbetriebnahme war zu jenem Zeitpunkt für Dezember 2005 vorgesehen. Durch Schwierigkeiten bei der EU-weiten Ausschreibung, bei den notwendigen Planfeststellungsverfahren sowie bei der Baudurchführung ergab sich eine einjährige Verzögerung. Umso freudiger wurde am 8. Januar 2007 nach den Weihnachtsferien der Schulen der qualitativ und quantitativ verbesserte Zugbetrieb Bayreuth—Weidenberg auf der Fichtelgebirgsbahn wieder aufgenommen. Zwei Tage später feierte man offiziell die Wiedereröffnung.
Für die einen ist mit Weidenberg das Ziel erreicht, für andere nur ein Etappenziel. Weidenbergs Bürgermeister Wolfgang Fünfstück freute sich über die fast S?Bahn-mäßige Anbindung seiner Ortsteile Döhlau, Untersteinach, Görschnitz und Weidenberg an den DBVerkehr in Bayreuth.
Bayreuths Landrat Klaus-Günter Dietel, der für seinen über 20-jährigen Kampf um die Fichtelgebirgsbahn vom Deutschen Bahnkunden-Verband den Deutschen Schienenverkehrs-Preis 2002 erhalten hatte, freute sich, dass trotz der bei der Sanierung aufgetretenen „Höhen und Tiefen“ sowie „Finten und Fallen“ das Werk vollbracht ist. Er bedankte sich bei allen Beteiligten, vor allem beim Freistaat Bayern für die 100%ige Förderung und eisenbahnrechtlichen Segnungen, bei der DRE für die Rettung der Strecke vor der Stilllegung und beim Markt Weidenberg für die Mitwirkung im Zweckbündnis. Bayerns Verkehrsstaatssekretär Hans Spitzner betonte, dass auch die kleinen Strecken für die Erschließung des Flächenstaates Bayern unerlässlich seien. Daher nehme man regionale Bemühungen um die Nutzung der Nebenstrecken äußerst ernst. Er lobte dabei gerade das regionale Engagement um Bayreuth.
DRE-Geschäftsführer Gerhard J. Curth ließ in seiner Festansprache keine Zweifel darüber aufkommen, dass die Instandsetzung des oberen Abschnitts Weidenberg—Warmensteinach in diesem Jahr begonnen und hoffentlich auch abgeschlossen werden wird. Er antwortete damit auf den von allen Vorrednern als Hoffnung und Vision in den Raum gestellten Wunsch, dass die Wiederinbetriebnahme nach Warmensteinach doch noch kommt. Curth erläuterte, dass die DRE 2001 die ganze Strecke übernommen habe. Dass für einen Teil der Strecke eine Finanzierungslösung gefunden wurde, stellt für die DRE deshalb nicht den Rest in Frage. Der Deutsche Bahnkunden-Verband (DBV) habe 1993 die DRE genau dafür gegründet, um das zu retten, was es zu retten gilt und was andere wegzuwerfen gedenken, erläuterte Curth, der auch Präsident des DBV ist.
Der DBV–Förderverein Fichtelgebirgsbahn e. V. unter seinem Vorsitzenden Frank Hauschild wird den Unmut der Warmensteinacher Bürger, die sich inzwischen für eine durchgehende Verbindung zwischen Warmensteinach und Bayreuth stark machen, aktiv in seine verkehrspolitische Arbeit einfließen lassen, um die Reaktivierung der Strecke politisch auf die Tagesordnung zu bringen. Während Warmensteinachs Bürgermeister Reinhard Jaresch noch immer der Glaube an „seine“ Bahn fehlt, setzt sich sein Weidenberger Kollege Fünfstück für die Anbindung seiner in Richtung Warmensteinach liegenden Ortsteile Mengersreuth und Sophienthal ein. Er stellte der DRE in Mengersreuth die für die Lagerung von Schienen, Schwellen und Schotter erforderlichen Flächen zur Verfügung, wodurch nunmehr die Voraussetzungen für den in den nächsten Wochen beginnenden Antransport dieses Materials geschaffen sind.
Dem bei dem Gesprächsforum im Rahmen der „Deutschen Schienenverkehrs-Wochen“ am 7. September 2006 in Warmensteinach geäußerten dringenden Wunsch auf Wiederbelebung der Bahnverbindung Warmensteinach—Bayreuth zum Vorteil von Schülern, Arbeitnehmern, Urlaubsgästen, Ausflüglern und Forstwirtschaft werden nunmehr die Taten folgen.
Es gibt verschiedene Modelle, die sich um Zusammenwirken mit den Regionen, der Wirtschaft, den Verbänden und sonstigen Bedarfsträgern sowie dem Deutschen Bahnkunden-Verband beim Bemühen um die Reaktivierung nicht mehr genutzter Strecken entwickelt wurden. Herausragend waren bislang eine gemeinsame Bahngesellschaft zwischen den Kommunen und dem DBV bzw. der DRE bei der schmalspurigen Döllnitzbahn in Sachsen oder das EU-geförderte Projekt „BürgerBahn Elbe-Elster-Express“ in Brandenburg.
Das „Bayreuther Modell“ mit temporärer Übernahme der Infrastruktur durch den Landkreis und der damit möglich gewordenen Bezuschussung unter Beibehaltung der DRE-Betriebsführung ist in seiner jetzt verwirklichten Form bislang einmalig – aber; wie sich nunmehr zeigt, auch ein Erfolgsmodell. In Zeiten der Einsparungen im SPNV sind neue Ideen vor allem in den Regionen gefragt, wenn man sich seine Bahn erhalten will.
DBV-Förderverein Fichtelgebirgsbahn e. V.
aus SIGNAL 1/2007 (Februar/März 2007), Seite 4-6