Kleine Anfrage vom 5. Juni 2007
Zusammenfassung der kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke bzgl des Schienengüterverkehrs mit anschließendem IGEB-Kommentar
4. Apr 2008
Frage: Welche Defizite in der Berliner Schieneninfrastruktur für Güterverkehr sind dem Senat bekannt, und wie können diese beseitigt werden?
Antwort: Dem Senat sind im Ergebnis einer Befragung von in Berlin tätigen nichtbundeseigenen Eisenbahnverkehrsunternehmen Defizite im Schienengüterverkehr bekannt.
Probleme gibt es bei der Abwicklung des Schienengüterverkehrs in den Westhafen hinein. Zu kurze Gleislängen im Hamburger und Lehrter Güterbahnhof (HuL) für bis zu 700 m lange Containerzüge und die fehlende Elektrifizierung vom Bahnhof Berlin-Moabit zum HuL begrenzen die Zuführungskapazität und erschweren die betriebliche Abwicklung der Schienenverkehre.
Infrastrukturelle Engpässe werden bei der gleisseitigen Bedienung des Betonwerkes BBI in der voraussichtlich ab 2008 beginnenden Hochlaufphase des Vorhabens gesehen. Bemängelt wird auch die fehlende durchgängige Befahrbarkeit des südlichen Innenrings.
Zu den Themen Westhafen und Betonwerk BBI laufen Gespräche der Unternehmen mit der DB Netz AG mit der Zielstellung einer leistungsgerechten Schienenanbindung. Im Hinblick auf die durchgängige Befahrbarkeit des Innenrings sieht die DB Netz AG zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Instandsetzungs- und Investitionsmöglichkeiten für diesen Streckenbereich.
Frage: Wie schätzt der Senat die Notwendigkeit der Verbesserung von Rangiermöglichkeiten im Westhafen ein, um den erfreulichen Anstieg des Schienengüterverkehrs auch im Westhafen bewältigen zu können?
Antwort: Die positive Entwicklung des Containerverkehrs auf der Schiene in den Westhafen hinein und die positiven Entwicklungsaussichten erfordern Verbesserungen in die Schieneninfrastruktur, um den Eisenbahnbetrieb besser organisieren zu können. Dies gilt sowohl für die DB Netz AG auf den Bahnhöfen Moabit und HuL als auch für die Hafenbahn im Westhafen.
Frage: Wie sieht der Senat die Notwendigkeit von zusätzlichen Weichen im Grünauer Knoten, um insbesondere die Baustellenlogistik für den Flughafen BBI zu verbessern?
Antwort: Nach Aussage der DB Netz AG ist der Ausbau des Schienenknotens Bereich Grünau 2007 abgeschlossen worden. Für die Transporte von Berlin-Grünau nach Schönefeld Süd wurden in diesem Bereich die benötigten Weichen für die Baustellenlogistik eingebaut.
Der Senat von Berlin begrüßt, dass zur Erstellung eines tragfähigen Betriebskonzeptes auf den Gleisanlagen des Flughafengeländes für die Hochleistungsphase beim Bau des Flughafens Gespräche der Unternehmen mit der DB AG geführt werden.
Frage: Welche Möglichkeiten sieht der Senat, um für o. g. und ggf. weitere Maßnahmen für den Schienengüterverkehr Fördermittel aus dem Industriegleisanschlussprogramm der Bundesregierung und ggf. aus anderen Förderprogrammen des Bundes bzw. der EU zu binden?
Antwort: Mit dem Gleisanschlussprogramm der Bundesregierung werden Maßnahmen in private Gleisanschlüsse gefördert, die bestimmte Zuwendungsvoraussetzungen erfüllen müssen. Aus Sicht des Senats erfüllen die o. g. Maßnahmen nicht die Anforderungen der Richtlinie zur Förderung des Neu- und Ausbaus sowie der Reaktivierung von privaten Gleisanschlüssen. Berliner Unternehmen haben, soweit dem Senat bekannt, das Gleisanschlussprogramm der Bundesregierung bisher nicht in Anspruch genommen.
Über das Gleisanschlussprogramm der Bundesregierung hinausgehende Fördermöglichkeiten für private Gleisanschlüsse sind dem Senat nicht bekannt.
Berlin, den 27. Juni 2007
Staatssekretärin Maria Krautzberger
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Beim Güterfernverkehrsaufkommen in Berlin ist die Bedeutung der Bahn erschreckend gering. 2006 wurden von den insgesamt 42,9 Mio Tonnen allein 34,6 Mio Tonnen auf der Straße, lediglich 4,9 Mio Tonnen auf der Schiene und sogar nur 3,4 Mio Tonnen auf dem Wasser transportiert.
Angesichts dieser Dominanz des Straßenverkehrs sind die langwierigen Diskussionen bzw. Realisierungszeiträume bezüglich einer leistungsfähigeren bahnseitigen Anbindung des trimodalen Containerterminals im Berliner Westhafen unbegreiflich.
Die Probleme haben sich in den letzten Jahren sogar noch verschärft. Im Rahmen der Anbindung des Hauptbahnhofs und der Umstellung der Zugsicherung auf elektronische Stellwerkstechnik (EStW) wurden die für die Übergabe der Züge an die Hafenbahn wichtigen Gleise im Güterbahnhof Moabit und auf dem Gelände des einstigen Hamburger und Lehrter Güterbahnhofs (HuL) verkürzt. Um die Tragweite dieser Beschränkung ermessen zu können, muss man wissen, dass das im April 2001 in Betrieb gegangene Terminal Westhafen mittlerweile die einzige Anlage dieser Art innerhalb Berlins ist! Eine betrieblich günstige, leistungsfähige Anbindung des Westhafens an das überregionale Schienennetz sollte daher eine Selbstverständlichkeit sein.
Kurzfristig verfügbare Alternativen zum Umschlag im Westhafen gibt es in Berlin nicht. Die Umschlaganlagen Frankfurter Allee und HuL sind stillgelegt. Ende 2004 folgte die Schließung des Innenstadt-Terminals im Güterverkehrssubzentrum Neukölln/Treptow – vor dem Hintergrund der Klimaschutz- und Feinstaubdiskussionen eine sehr kurzsichtige Entscheidung! Die im Umland liegenden Umschlaganlagen in den Güterverkehrszentren Großbeeren und Wustermark sind angesichts der relativ langen Lkw-Vor- und Nachläufe auf überlasteten Hauptstraßen keine geeignete Alternative.
Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist die beschleunigte Entwicklung und Umsetzung von Konzepten notwendig, die eine konsequente Förderung des ressourcenschonenden Schienengüterverkehrs zum Ziel haben. Dazu gehört aktuell die leistungsfähige bahnseitige Anbindung des Containerterminals im Westhafen. Seit kurzem hat die BEHALA nun zwar eine Zusage der DB Netz AG, die Infrastruktur auf dem einstigen HuL-Gelände anzupassen und dort zwei zuglange Gleise mit je ca. 700m nutzbarer Gleislänge für die Übergabe der Züge zur Verfügung zu stellen. Beide Gleise werden elektrifiziert, gleiches gilt auch für die Verbindungsstrecke zum Güterbahnhof Moabit. Aufgrund des notwendigen Plangenehmigungsverfahrens und der Ausschreibungen wird mit einer Fertigstellung jedoch nicht vor 2011 (!) gerechnet – ein unverständlich langer Zeitraum für eine vergleichsweise kleine Baumaßnahme.
Zur aktiven Förderung des Schienengüterverkehrs gehören aber auch die Entwicklung weiterer innerstädtischer Terminalstandorte wie z. B. auf dem Gelände des Güterbahnhofs Tempelhof oder die Wiederbelebung des Güterverkehrssubzentrums Neukölln/Treptow. Zur Vermeidung von Umwegfahrten muss damit auch die Wiederherstellung der durchgängigen Befahrbarkeit des südlichen Innenrings für den Schienengüterverkehr einhergehen.
Es gibt also viel zu tun. Die Antworten des
Senats auf die kleine Anfrage lassen allerdings
bestenfalls ein Problembewusstsein erkennen.
Wer beim Schienengüterverkehr jedoch nur
die Rolle des Beobachters einnimmt, bleibt
weit hinter seinem Anspruch zurück, Berliner
Stadtentwicklungsbehörde zu sein.
(Kommentar der IGEB)
Jutta Matuschek, MdA Verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus von Berlin
aus SIGNAL 1/2008 (Februar/März 2008), Seite 12-13