Abschätzung der Auswirkungen der Teilprivatisierung

Was wird aus dem DB-Fernverkehr?

Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG (DB AG) ist entsprechend dem von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück vorgelegten Holding-Modell auf den Weg gebracht worden. An den Betriebsgesellschaften Nah- und Fernverkehr, Schienengüterverkehr bzw. Logistik dürfen sich private Investoren künftig mit 24,9 Prozent beteiligen. Nicht privatisiert wird der Bereich Infrastruktur, der vollständig in staatlicher Hand bleibt. Diese Entwicklung hat mit Sicherheit Auswirkungen auf den DBFernverkehr – aber welche?


IGEB Fernverkehr

18. Jul 2008

IC nach Berlin im Bahnhof Ostseebad Binz auf Rügen. Solche umsteigefreien Angebote des DB-Fernverkehrs in Urlaubsgebiete sind durch den Privatisierungsprozess gefährdet. Foto: Christian Schultz

Am 28. April 2008 einigten sich die Regierungsparteien CDU und SPD im Koalitionsausschuss auf die Eckpunkte des geplanten Börsengangs. Am 30. April folgte der Beschluss des Bundeskabinetts. Der Bundestag hat schließlich am 30. Mai dem Regierungsantrag zugestimmt.

Unter dem Dach der DB-Holding, deren Eigentümer der Bund bleibt, soll es künftig zwei Unternehmen geben. Ein Teil des Bahnkonzerns, die Bahninfrastruktur (Schienennetz, Bahnhöfe, Energie), bleibt vollständig im Bundesbesitz. Der gesamte Personenund Güterverkehr sowie die Logistik werden in einer Aktiengesellschaft zusammengeführt. Von dieser Aktiengesellschaft werden 24,9 Prozent privatisiert. Damit ist – zumindest vorerst – gewährleistet, dass der Bund Haupteigentümer bei der Deutschen Bahn bleibt.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee erhofft sich Privatisierungserlöse zwischen fünf und acht Milliarden Euro. Die Verkaufserlöse fließen zu gleichen Teilen in den Bundeshaushalt, in die Eigenkapitalerhöhung der Bahn und in Investitionen in den Schienenverkehr.

Studie zeigt Risiken für DB-Fernverkehr

Der nunmehr gefundene Privatisierungskompromiss birgt allerdings erhebliche Risiken. Unabhängig von der Frage, ob z. B. nach einem Regierungswechsel über die 24,9 Prozent hinaus nicht doch weitere Teile privatisiert werden, ist unklar, welche Auswirkungen sich

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für den Fernverkehr ergeben. Die von der Berliner Beratungsfirma KCW im Auftrag einiger Bundesländer und Aufgabenträger erarbeitete Studie zur Folgeabschätzung für den DB-Fernverkehr im Fall der Kapitalprivatisierung entsprechend dem Holdingmodell weist auf erhebliche Risiken für den derzeitigen Angebotsumfang hin:

Gewinne nur nach einschneidenden Änderungen

Private Investoren dürften eine derartige Bilanz kaum tolerieren. Sollte die Planung eines Gewinnsprungs von ca. 110 Mio. Euro in 2007 auf 570 Mio. Euro in 2011 tatsächlich realisiert werden, dürften für die Bahnkunden einschneidende Maßnahmen unausweichlich sein. Seitens KCW wurde hierzu auf folgende Varianten verwiesen:

Die Deutsche Bahn kritisierte die KCWStudie umgehend als „hanebüchene Stimmungsmache“, konnte die Aussagen letztlich jedoch nicht entkräften. Vielmehr hat die aktuelle Entwicklung zum kleinen Fahrplanwechsel am 15. Juni 2008 die Befürchtungen bestätigt. Die Salamitaktik mit kontinuierlichen Angebotsausdünnungen im Fernverkehrsangebot wurde fortgesetzt, u.a. auf der IC-Linie 77 mit Entfall der IC 143/144 im Abschnitt Berlin—Szczecin am Sonnabend bzw. Sonntag und beim ICEAngebot – ebenfalls am Wochenende – in der Relation Frankfurt am Main—Dresden. Für die künftige Entwicklung muss daher – entsprechend der KCW-Studie – von hohen Risiken für den derzeitigen Angebotsumfang ausgegangen werden.

Gemeinwohlinteresse im Fernverkehr

Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion, aber auch angesichts der Klimaschutzdiskussion und der Ressourcenschonung muss der Bund seine Verantwortung im Fernverkehr endlich wahrnehmen, ebenso aus strukturpolitischen Gründen und im Interesse einer wirkungsvollen Versorgung aller Landesteile mit Fernverkehrsverbindungen im Sinne einer grundhaften Daseinsvorsorge. Diese Verpflichtung besteht nach Artikel 87e Abs. 4 des Grundgesetzes!

Erforderlich ist ein Be- und Erstellermodell mit klaren staatlichen Mindestvorgaben bezüglich des Angebots bei Berücksichtigung verkehrspolitischer Ziele. Festgeschrieben werden kann dies in einem Masterplan „Fernverkehr“, vergleichbar mit dem jüngst veröffentlichten Masterplan „Güterverkehr und Logistik“, flankiert durch ein Fernverkehrssicherstellungsgesetz. Angesichts der in Milliardenhöhe aus Steuergeldern finanzierten Hochgeschwindigkeitsstrecken sind derartige Rahmenbedingungen für die Gestaltung des Fernverkehrsangebots durchaus gerechtfertigt.

IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 3/2008 (Juli 2008), Seite 6-7