Brandenburg:
Die Deutsche Bahn AG verschiebt den Ausbau der Strecke Cottbus—Berlin auf unbestimmte Zeit trotz gegenteiliger Absichtserklärungen des Bahn-Chefs Hartmut Mehdorn. Damit kann eine zügige Anbindung des Oberzentrums Cottbus und der angrenzenden polnischen Region an Berlin auf unbestimmte Zeit nicht umgesetzt werden.
18. Jul 2008
Infrastrukturminister Reinhold Dellmann: „Entgegen konkreter Absichtserklärungen des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG gegenüber dem Land Brandenburg und einer vertraglichen Vereinbarung, mit der das Land insgesamt 5,5 Mio Euro Planungskosten zur Beschleunigung des Ausbaus vorfinanziert, verschiebt die Deutsche Bahn Netz AG den ursprünglich bis zum Ende 2011 vorgesehenen Streckenausbau von Cottbus nach Berlin für eine Geschwindigkeit von 160 km/h auf unbestimmte Zeit. Dies ist nicht akzeptabel und muss den Eindruck erwecken, dass die Deutsche Bahn AG mit Blick auf den geplanten Börsengang bewusst in Kauf nimmt, dass wichtige Teile des Landes Brandenburg weiterhin keine akzeptable Eisenbahnanbindung haben.“
Für die Strecke zwischen Cottbus und Berlin Ostbahnhof war eine Fahrzeitverkürzung von derzeit 92 Minuten auf bis zu 63 Minuten
vorgesehen. Im Rahmen der Ausrüstung mit elektronischer Stellwerkstechnik für eine Streckengeschwindigkeit von 160 km/h ist nun lediglich der Streckenabschnitt Lübbenau— Cottbus vorgesehen. Ohne den Ausbau der gesamten Strecke, bringt dieses Teilstück keinen nennenswerten Vorteil für die Bahnkunden.
Durch die Verzögerungen ist eine schnelle Umsetzung für eine verkehrsgerechte Anbindung des Oberzentrums Cottbus und der angrenzenden polnischen Region an Berlin und den Flughafen BBI auf absehbare Zeit nicht möglich. Die vorgesehene Fahrzeitverkürzung zwischen Cottbus und Berlin Ostbahnhof wird auf unbestimmte Zeit nicht erreicht. (Pressemitteilung vom 4.6.2008)
Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung
VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz kritisiert die Entscheidung der Deutschen Bahn AG scharf, den Streckenbausbau zwischen Berlin und Cottbus zu verschieben. Fahrtzeitverkürzungen können damit nicht realisiert und die Anbindung der Lausitz an Berlin nicht verbessert werden.
Am 16. September 2006 hatte sich die Deutsche Bahn AG – passenderweise beim „Tag für die Fahrgäste“ von VBB und Cottbusverkehr – gegenüber dem Land Brandenburg verpflichtet, bis zum Jahr 2011 die gesamte Strecke zwischen Berlin und Cottbus auf eine Streckengeschwindigkeit von 160 km/h auszubauen. Im Gegenzug unterstützte das Land Brandenburg die DB bei Planungsaufgaben massiv finanziell.
Bahn und Bund haben nun einseitig ihre Investitionsprojekte neu priorisiert und dabei prestigeträchtigen Neubaustrecken den Vorzug eingeräumt. Die Folgen für den Eisenbahnverkehr im Südosten Brandenburgs sind katastrophal: Mit einem Ausbau auf der gesamten Strecke würde eine Fahrtzeitverkürzung von einer knappen halben Stunde ermöglicht. Die Modernisierung des ersten Teilstücks zwischen Cottbus und Lübbenau allein, der in der zweiten Jahreshälfte 2008 stattfinden wird, wird dagegen für den Fahrgast praktisch keinen Vorteil bringen. Die hier zu erreichende Beschleunigung wird nicht ausreichen, um andere Zwangsstellen im Fahrplan umgehen zu können. Die Züge werden an anderen Stationen lediglich längere Standzeiten haben.
Auch der internationale Verkehr wird die Auswirkungen spüren. Die Fahrtzeit mit dem Zug von Berlin nach Wrocław (Breslau) liegt derzeit auf dem Niveau von 1895 (!), nämlich je nach Verbindung zwischen fünfund sechseinhalb Stunden. Der Konkurrenzkampf des Schienenverkehrs mit dem Auto ist damit nicht zu gewinnen.
VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz: „Diese einsame und unabgestimmte Entscheidung ist absolut nicht hinnehmbar. Es zeigt sich erneut, wie wichtig ein starkes Mitspracherecht der Bundesländer über die Infrastrukturentwicklung der Bahn ist. Hierzu muss dringend eine Regelung her, andernfalls droht die Bahnteilprivatisierung zu einem Desaster zu werden: Nur noch Magistralen und Prestigeobjekte werden gefördert, die Fläche und teilweise sogar internationale Verbindungen werden abgehängt.“ (Pm 5.6.2008)
Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg
Einen solchen Affront gegenüber einem Geschäftspartner kann sich nur ein Monopolist wie DB Netz erlauben. Es ist zugleich aber auch ein Armutszeugnis für den Eigentümer: den Bund. Es wäre schön, wenn sich die Verwaltung von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee und die Bundestagsabgeordneten mit solch ungeheuerlichen Vorgängen bei der DB ähnlich intensiv befassen würden, wie aktuell mit der Dachverlängerung beim Berliner Hauptbahnhof.
Der kämpferische Ton in den Pressemitteilungen des brandenburgischen Ministeriums und des Verkehrsverbunds ist aus Fahrgastsicht zu begrüßen. Er ist zugleich ein Indikator für das Ausmaß der Verärgerung, denn die Strecke Berlin—Cottbus ist für die Entwicklung der Niederlausitz von großer Bedeutung. Dementsprechend war das Land Brandenburg auch bereit, hier mit über 5 Mio Euro die Planung zu unterstützen. Dass die Bahn nun ausgerechnet dieses Projekt ruhen lässt und das Land dermaßen vor den Kopf stößt, kann aus Fahrgastsicht nur als katastrophal bezeichnet werden.
Hoffentlich haben das Land Brandenburg und der VBB einen langen Atem, damit dem kämpferischen Ton gegenüber der DB AG bald auch Taten folgen.
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 3/2008 (Juli 2008), Seite 16