Architektur
Der Architekt Alfred Grenander ist in Berlin in erster Linie als Gestalter der Berliner Hoch- und Untergrundbahn bekannt. Wie umfassend und bedeutend sein Gesamtwerk von 18 97 bis 1 931 ist, zeigte das Institut für Kunstgeschichte der TU Berlin im Februar in einem Symposium. Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Diskussion über den Umgang mit den von Grenander gestalteten Bahnhöfen der Berliner U-Bahn. Zündstoff bot der bisherige Umgang der BVG mit den wertvollen Fliesen an Wänden und Stützen bei Erneuerungsmaßnahmen.
15. Apr 2007
Den schwedischen Staatsbürger Alfred Grenander (1863-1931) berief die Hochbahngesellschaft im Jahr 1900 zum architektonischen Berater. Er sollte den kritisierten Bauplänen die notwendige architektonischgestalterische Qualität verleihen. Bis zu seinem Tod 1931 blieb er „der“ Architekt der Berliner U-Bahn, auch wenn es andere wichtige Baukünstler gab wie Peter Behrens (U-Bahnhof Moritzplatz) oder Wilhelm Leitgebel (U-Bahnhöfe Hohenzollernplatz bis Breitenbachplatz). Grund für die Bekanntheit Grenanders war nicht nur der Umfang seines Werkes, sondern auch die Qualität und Vielfalt seiner „Handschrift“: Er gestaltete nicht weniger als 69 Stationen. Bei vielen Bahnhöfen ist die ursprüngliche Gestaltung heute allerdings nicht mehr oder nur sehr verändert erhalten geblieben. Besonders bekannte Bahnhofsbauten von Grenander sind:
Das stilistische Spektrum reichte von überschwänglichen Formen des Jugendstils bis zur Neuen Sachlichkeit. Besonders die Farbigkeit war ein hervorstechendes Merkmal. Deutlich machte die Veranstaltung, dass es bis in die 30er Jahre einen intensiven internationalen Austausch zu Fragen der Gestaltung von Schnellbahnen gab. So kann man die Einschätzung wagen, dass einerseits die Verantwortlichen der Londoner U-Bahn Anregungen in Berlin sammelten, andererseits der Berliner S-Bahn-Architekt Richard Brademann beeinflusst von Berliner oder Londoner U-Bahnstationen entwarf.
Nach der jetzt weitgehend abgeschlossenen Erneuerung des U-Bahnhofs Alexanderplatz stehen in den kommenden Jahren weitere Maßnahmen auf der U 8 an. Dies war auch der Anlass, die Veranstaltung an der TU mit einem Ausblick auf den Umgang mit dem verbliebenen Werk Grenanders enden zu lassen. Ein Gesprächskreis, zu dem u. a. Uwe Kutscher, Abteilungsleiter Bau (U-Bahn) und der oberste Berliner Denkmalpfleger, Dr. Jörg Haspel, eingeladen waren, beschloss deshalb die Tagung. Vielfach wurde in den letzten Jahren – auch im SIGNAL – die BVG für den Umgang mit dem historischen Erbe Grenanders gescholten, fehlende Sensibilität und mangelhafte Kooperationsbereitschaft mit der Denkmalpflege kritisiert. Die Veranstaltung zeigte aber, dass – so Dr. Haspel – das „Verhältnis zunehmend besser wird“.
Grund für die jahrelang immer wieder aufkeimende Kritik war vor allem der Streit um die Bewahrung der einzigartigen historischen Fliesen mit ihrem differenzierten, nicht wieder herstellbaren Farbspiel. Dazu Uwe Kutscher: „Nicht die Fliesen sind das Problem, sondern die Wände dahinter“. Denn:
Das eindringende Wasser zerstört den Beton und führt zu Schäden an Armierung und Trägern. Abplatzende oder gerissene Fliesen sind also häufig nur ein Indikator für viel gravierendere konstruktive Schäden, durch die im Extremfall sogar die Standsicherheit des Bauwerkes gefährdet sein kann.
Unglücklicherweise treten diese Schäden in der Regel nicht konzentriert, sondern zufällig verteilt auf. Eine Sanierung durch die Fliesen hindurch oder von außerhalb des Tunnels ist technisch nicht möglich. Eine zerstörungsfreie Entfernung von Fliesen (um sie später wieder anzubringen) gelingt nur in Ausnahmefällen – vielleicht 5 bis 10% wären wieder verwendbar.
Die Alternative zum flächenhaften Abschlagen aller Fliesen wären punktuelle Sanierungsmaßnahmen. Selbst die Denkmalpflege steht solcher Lösung allerdings skeptisch gegenüber, denn die notwendige Ergänzung mit neuen Fliesen schafft einen gestalterischen Flickenteppich. Außerdem kann es sein, dass sich bislang feste Fliesen bereits kurz nach Abschluss der Baumaßnahme lösen. Die Folge wäre eine Dauerbaustelle, betrieblich und finanziell unkalkulierbar.
Historische Substanz ist, nicht nur wegen ihrer gestalterischen Qualität, unwiederbringlich. Gemeinsam bemühen sich BVG und Denkmalpflege aber um eine weitestgehende Annäherung an das Original und um eine neue Qualität. Dabei wird auch Wert darauf gelegt, andere Elemente der Architektur wie Raumabfolgen, Blickbeziehungen oder Beleuchtungskörper zu erhalten oder (unter Berücksichtigung heutiger technischer und rechtlicher Vorgaben) denkmalverträglich weiterzuentwickeln. Die Ergebnisse können stets nur ein Kompromiss sein, immerhin aber einer, den die Denkmalpflege mitträgt.
Die verbesserte Zusammenarbeit zwischen BVG und Denkmalpflege führt auch zu Experimenten. So wurde auf dem U-Bahnhof Moritzplatz kürzlich ein Verfahren erfolgreich erprobt, Fliesen durch Einspritzen eines hochflüssigen Klebers dauerhaft zu sichern. Wo die dahinter befindlichen Wände standfest und trocken sind, soll dieses Verfahren künftig häufiger angewendet werden.
Eine weitere vorgetragene Idee war die Schaffung von „Denkmalnischen“, d.h. räumlich klar abgrenzbaren Bereichen, in denen keine sichtbare Erneuerung erfolgt, sondern der alte Zustand gesichert werden kann. Die in den übrigen Teilen des Bahnhofs umgesetzte Erneuerung kann sich dann am Original messen, und ein Eindruck des Originalzustandes bleibt weiterhin (wenn auch als Ausschnitt) erhalten. „Im Großen“ hat die BVG dieses Konzept auf dem U-Bahnhof Samariterstraße angewendet. Er war als einziger auf der U 5 von der Erneuerung in den 70er Jahren verschont geblieben. Deshalb hat die BVG dort jetzt nur Sicherungsmaßnahmen durchgeführt und selbst den charakteristischen Asphaltbelag des Bahnsteigs erhalten.
Auch die Nachkriegsmoderne kommt in die Jahre. Bei aller Aufmerksamkeit gegenüber den Bahnhöfen aus der Zeit bis 1930 bedürfen die in den 50er und 60er Jahren maßgeblich von Bruno Grimmek gestalteten Stationen der U 6 und U 9 sowie die Postmodernen des Architekten Rainer Rümmler künftig der verstärkten Aufmerksamkeit. BVG und Denkmalpflege haben die Beschäftigung mit diesen Stationen zugesagt. Jede Renovierungsmaßnahme sollte das Gesamtkonzept der Gestaltung achten und unterstützen. Sonst droht die schleichende Zerstörung im Schatten der Beschäftigung mit den wirklich „alten“ Bahnhöfen.
Als Fazit des TU-Symposiums lässt sich festhalten: Die Erneuerung der Berliner U-Bahn-Stationen wird und muss weitergehen. Weitere Verluste historischer Substanz sind dabei zu erwarten. BVG und Denkmalpflege wollen aber eng miteinander kooperieren, um die Folgen in Grenzen zu halten. Dass die BVG inzwischen ihr kulturelles Erbe als Wert erkannt hat, ist ausdrücklich anzuerkennen. Sie könnte dafür jedoch – auch im Interesse Berlins als Touristenziel – noch mehr tun, wenn der Finanzsenator die BVG endlich nicht mehr nur als Kostenfaktor mit Einsparpotenzial betrachten würde.
Berliner S-Bahn Museum
aus SIGNAL 2/2007 (April/Mai 2007), Seite 15-16