Ein Balken geht seinen Weg
Bahnhof Donnerbalken. Einstürzende Neubauten. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Aber der Bahn und vielen Reisenden blieb in diesen stürmischen Tagen mit der Beinahe- Katastrophe am neuen Berliner Hauptbahnhof das Lachen im Halse stecken.
15. Feb 2007
Am 18. Januar zog Orkan „Kyrill“ über Mitteleuropa hinweg. Berlin kam vergleichsweise glimpflich davon und geriet dennoch in die überregionalen, ja internationalen Schlagzeilen. Einziger Grund dafür war ein Schaden am gerade erst vor acht Monaten feierlich eröffneten Berliner Hauptbahnhof.
An Europas modernstem Bahnhof, so die Werbung der Bahn, fiel kurz nach 19 Uhr durch den Orkan ein Träger von der Fassade der sogenannten Bügelbauten herab. Er stürzte auf eine öffentliche Treppe, doch wie durch ein Wunder kam kein Mensch zu Schaden. Außerdem hatte der Absturz auch keine Auswirkungen auf die Standsicherheit der Gebäude. Die Bahn reagierte schnell und ließ alle anderen Träger innerhalb einer Woche baulich sichern.
Für viele Reisende kam diese Nachbesserung jedoch zu spät. Sicherheitshalber hatte die Bahn den Hauptbahnhof nach dem Absturz räumen lassen und alle Züge bis zum Betriebsschluss umgeleitet. Das betraf am Abend des 18. vor allem den Regional- und S-Bahn-Verkehr, da der Fernverkehr wegen des Orkans erstmals in der Geschichte der DB deutschlandweit eingestellt worden war. Auch am folgenden Tag war der Verkehr noch bis mittags unterbrochen.
Nachdem sich der Bahnverkehr gerade erst normalisiert hatte, ließ die Bahn den Hauptbahnhof am 21. Januar wegen eines weiteren Sturmtiefs erneut räumen. Der oberirdische Fernverkehr wurde umgeleitet, aber die Regionalzüge und S-Bahnen fuhren zumindest zeitweise ohne Halt durch. Erneut waren zehntausende von Reisenden des Fern-, Regional- und Nahverkehrs betroffen.
Mit einem solchen Bauschaden konnte niemand rechnen. Und niemand warf der Bahn vor, dass sie den Bahnhof aus Sicherheitsgründen zwei Mal sperrte, bis die Nachbesserungsarbeiten abgeschlossen waren. Aber das jeweils folgende Chaos brachte der Bahn schwerste Vorwürfe ein – zu Recht. Wie so oft bei Störungen zeigte sich, dass die DB über kein qualifiziertes Krisenmanagement verfügt. Die Organisation des auf der Stadtbahn unterbrochenen Zugverkehrs war schlecht und die Information der Betroffenen war katastrophal. Auf den Bahnhöfen, in der Pressearbeit und im Internet gab es schwere Missstände. Immerhin entschuldigte sich die DB ausdrücklich bei ihren Kunden, allerdings erst nach mehreren Tagen und somit unverständlich spät.
Wehmütig erinnerten sich viele Reisende an den Bahnhof Zoo, den die Bahn als Fernbahnhof noch immer konsequent ignoriert. Folgerichtig wurde die Bahn mit Forderungen nach Fernbahnhalten im Bahnhof Zoo geradezu überschüttet. Allerdings hat dieser Bahnhof mit seinen vier Bahnsteigkanten für den Fern- und Regionalverkehr bei weitem nicht die Kapazität, um als Kopfbahnhof für alle Züge auf der Stadtbahn zu fungieren.
Die Chaostage der Bahn offenbarten aber auch, dass die Ausweichbahnhöfe Berlin- Spandau und Berlin-Gesundbrunnen für eine größere Zahl von Fernverkehrsreisenden vollkommen ungeeignet sind. So erwiesen sich die Treppenanlagen in Spandau erneut als gravierende Fehlplanung. Und in Gesundbrunnen fehlt jeglicher Mindeststandard für die Information, den Aufenthalt und die Versorgung von Fernreisenden.
Außerdem sind auf allen neuen Bahnhöfen die Zugzielanzeiger unzureichend. Immer wieder suchen Fahrgäste die Linienbezeichnung ihres Regionalexpresses. Wie man besser informieren kann, zeigt die DB selbst – am Bahnhof Zoo.
Geärgert haben sich viele am 18. Januar gestrandete Reisende auch, dass die DB bis zum nächsten Morgen nur eine kostenpflichtige Informationsnummer anbot. Erst danach wurde eine kostenlose Hotline geschaltet, obwohl die Warnungen vor „Kyrill“ bereits zwei Tage zuvor Deutschlands Medienthema Nummer eins waren.
Weder einen Orkan noch jeglichen Bauschaden kann die DB verhindern, aber sie kann sehr viel mehr für ein funktionierendes Krisenmanagement tun.
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 1/2007 (Februar/März 2007), Seite 8-9