Brandenburg

Busse statt Bahnen in Brandenburg

In Brandenburg wurde in den letzten 12 Jahren auf einer Vielzahl von Strecken der Personenverkehr eingestellt. Neben der Kostenersparnis war ein Argument für den Bus, dass das Angebot wegen der Feinerschließung sogar besser werden könne. Die jüngste Abbestellungswelle im Dezember gibt Anlass, das etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.


IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

15. Feb 2007

Brandenburg mit noch dichtem Bahnnetz. Karte: Rbd Berlin 1990

Abbestellungen Mitte der 90er Jahre

Während der ersten Einstellungswelle im Land Brandenburg Mitte der 1990er Jahre wurde der Zugverkehr häufig eingestellt, ohne dass er durch ein entsprechendes Busangebot ersetzt wurde.

Beispiel Jüterbog—Sperenberg

Im Zuge der 1996 eingestellten Bahnverbindung Jüterbog—Sperenberg (zuletzt im Zweistundentakt verkehrend) bedienen montags bis freitags noch einige Busse von Luckenwalde aus die fragliche Relation. Der letzte Bus von Luckenwalde nach Jänickendorf verkehrt dabei bereits um 16.35 Uhr. Am Wochenende ist dort überhaupt kein Betrieb mehr, und das in einer Region, die beispielsweise durch den Fläming-Skate ein durchaus nennenswertes touristisches Potential besitzt.

Beispiel Schlieben

Nach Schlieben, zwischen Herzberg und Luckau-Uckro an der Strecke Falkenberg—Lübben gelegen (Einstellung durch die DB 1995) fahren werktags einige Busse von Herzberg aus, nach Luckau und Uckro besteht gar keine Verbindung mehr. Am Wochenende verkehren von Juli bis Dezember 2006 die Züge der Bürgerbahn zwischen Herzberg, Schlieben und Falkenberg mit vier bzw. zwei Zugpaaren. Dieses Projekt baut auf Engagement der Anliegergemeinden und Bürger sowie finanzielle Anschubförderung durch die EU, nicht jedoch auf Finanzierung durch das Land. Allerdings wurde dieses bemerkenswerte Verkehrsangebot von den Fahrgästen leider nur wenig genutzt, was auch daran gelegen haben mag, dass die Züge bei potentiellen Fahrgästen wenig bekannt waren. In einigen Gaststätten in der Nähe der Bahnhöfe war das Zugangebot zum Teil unbekannt.

Bahnhof Putlitz und Sonderfahrkarte für den letzten Betriebstag am 9. Dezember 2006. Zu diesem Anlass setzte die Prignitzer Eisenbahn PEG noch einmal einen ihrer alten Uerdinger Tiebwagen ein, mit denen vor 10 Jahren in Putlitz alles begonnen hatte. Foto: Thorge Bockholt

Beispiel Oderberg

Oderberg (Strecke Angermünde— Bad Freienwalde, Einstellung 1996) hat immerhin noch fünf Busse sonnabends und zwei Busse am Sonntag nach Eberswalde. Auch diese Stadt liegt in einer Region, die Touristen anlocken könnte.

Beispiel Lychen

Eine Ausnahme unter den Mitte der 1990er Jahre abbestellten Strecken ist Fürstenberg— Lychen—Templin, wo sogar am Wochenende Busse im Zweistundentakt verkehren, wenn auch mit sehr eingeschränkten Betriebszeiten und mäßigen Anschlüssen: Übergangszeiten Berlin—Lychen in Fürstenberg über 20 Minuten in Richtung Lychen und mehr als eine halbe Stunde in der Gegenrichtung. In Templin sieht es noch schlechter aus.

Abbestellungen um das Jahr 2000

Wegen wachsender öffentlicher Kritik an der Abbestellungspolitik gab es in späteren Jahren stärkere Zugeständnisse des Landes. Auf den Strecken, die bei der zweiten großen Abbestellungswelle 1998 eingestellt wurden, wurde Bus-„ersatz“ meist im Zweistundentakt eingerichtet und den Kreisen wurden vom Land entsprechende Zuschüsse gewährt. Brandenburg (wie auch Mecklenburg-Vorpommern) hoben sich damit von anderen Ländern wie Sachsen- Anhalt ab, wo selbst touristisch attraktive Ziele wie Jerichow an der Elbe an Wochenende nur mit einigen wenigen Klein- oder gar Rufbussen bedient werden.

Beispiel Neustadt (Dosse)—Rathenow

Hier ersetzten Busse im Zweistundentakt die Ende 2003 eingestellte Bahnstrecke. In Rathenow gibt es passable Übergänge Richtung Berlin (etwa eine Viertelstunde) und sehr knappe drei Minuten Richtung Stendal. Der Pferdefuß sitzt am anderen Ende der Strecke: Anschlüsse in Neustadt Richtung Berlin gibt es nicht. Bereits in den letzten Betriebsjahren der Bahnstrecke waren die Anschlüsse in Neustadt schlecht. Das dürfte mit ein Anlass für die niedrigen Fahrgastzahlen und letztlich für die Einstellung der Strecke gewesen sein. Der VBB hat nun die Konsequenzen gezogen: Die meisten Busse enden jetzt in Großderschau. Weiter über die Kreisgrenze nach Neustadt geht es nur noch viermal montags bis freitags bzw. dreimal am Wochenende. Damit sind die in Neustadt erreichbaren Verbindungen nicht mehr nur schlecht, sondern zu den meisten Zeiten des Tages ganz und gar gekappt.

Beispiel Meyenburg—Güstrow

Auf dieser Strecke hat das Land Mecklenburg- Vorpommern im Jahr 2000 den Zugverkehr abbestellt. Dieses, obwohl durchaus ein touristisches Aufkommen aus Berlin und Brandenburg in Richtung der Mecklenburgischen Seenplatte bestand. Die Bahnlinie ersetzte man durch eine Buslinie, nach wie vor im Zweistundentakt. Angepriesen wurde, dass statt neun nun 22 Zwischenhalte zwischen Güstrow und Meyenburg bedient würden. Die Fahrzeit verlängerte sich allerdings dadurch um etwa eine Viertelstunde und in Meyenburg musste zwischen Zug auf Bus umgestiegen werden.

Schon direkt mit der Einführung des Busverkehrs gab es daneben weitere Verschlechterungen: Die Anschlüsse in Karow (früher Taktknoten in Richtung Lübz und Malchow) fielen weg und in Krakow am See muss zwischen den Bussen zweier Gesellschaften umgestiegen werden. Fahrradmitnahme war trotz hoher Nachfrage in den Zügen nicht mehr möglich. Resultat: Die touristische Nachfrage brach völlig ein.

Die Folge: Anpassung der Fahrpläne, die Anschlüsse in Meyenburg sind weggefallen. Seit ein paar Jahren muss man im völlig unbedeutenden Meyenburg zumindest in eine – oft sogar in beide – Richtungen mehr als eine Stunde auf Anschluss warten. Touristen dürften dort nun überhaupt nicht mehr mitfahren.

Interessanterweise war bei der Einstellungswelle 2006 der mögliche Anschluss nach Mecklenburg eine Begründung für den Weiterbetrieb der Bahnstrecke Meyenburg— Pritzwalk. Bei der Angebotsgestaltung wird man aber lange auf Reisende dorthin warten können. Die Folgen für die Bahn kann man sich denken.

Beispiel Wittstock—Mirow

Das ist ebenfalls eine die Landesgrenze überschreitende Strecke, auf der der Bahnverkehr 1998 eingestellt wurde. Auch hier wurde eine durchgehende Buslinie im Zweistundentakt eingerichtet. Obwohl zunächst die Anschlüsse funktionierten – im Unterschied zu den letzten Betriebsjahren der Bahn – blieben ortsfremde Nutzer aus. Das lokale Potential ist freilich dort so gering, dass meistens wirklich niemand mitfuhr. Resultat: Nach wenigen Jahren wurde auch die Buslinie komplett eingestellt.

Bahnhof Rheinsberg mit Zug nach Löwenberg (RB 54). Bahnverkehr nach Rheinsberg gibt es seit dem Fahrplanwechsel allerdings nur noch freitags bis sonntags und die Direktverbindung nach Neuruppin wurde ganz aufgegeben. Foto: Florian Müller

Einstellungen 2006

Mit der Begründung der Kürzungen der Regionalisierungsmittel durch den Bund wurden Ende 2006 Bahnlinien in Brandenburg in einem Umfang eingestellt, der bundesweit einmalig ist. Auch hier galt: Ersatz durch Busse. Dieses sieht konkret so aus:

Pritzwalk—Putlitz

Hier verkehren Busse im Zweistundentakt, auch am Wochenende. Eine Verbesserung gegenüber der Bahn ist die direkte Anbindung beider Innenstädte. Daneben gibt es viele Nachteile: die Reisezeit erhöht sich wegen des Umweges, den die Busse zur Anbindung der Unterwegshalte nehmen, um gut zehn Minuten. Weitere zehn Minuten mehr kommen für Übergangsreisende durch schlechtere Anschlüsse zum RE 6 in Pritzwalk hinzu. Durch die geringere Kapazität der Busse kam es nach der Einstellung des Bahnverkehrs zu Engpässen im Schülerverkehr, die sogar dazu führten, dass Fahrgäste zurückbleiben mussten!

Neustadt (Dosse)—Neuruppin

In der Relation Neuruppin—Kyritz gab es in den letzten Jahren bereits ein dichtes Busangebot. Dieses Nebeneinander war mit ein Grund für die Abbestellung des Bahnverkehrs. (Treppenwitz: Zeitgleich mit der Abbestellung wurde endlich die Möglichkeit geschaffen, auch mit Fahrgast-Zügen durchgehend von Neuruppin Richtung Kyritz durch den Bahnhof Neustadt zu fahren. Vorher ging es nur als Rangierfahrt.) Dieses Angebot wurde werktags verdichtet. Es herrscht tagsüber ein dichtes Angebot zwischen Neuruppin und Kyritz – einen Taktfahrplan gibt es allerdings nicht. Die letzte Fahrt verkehrt bereits gegen 18.30 Uhr. Neustadt (Dosse) wird nur selten angefahren. Die Möglichkeit, dort etwa in Richtung Wittenberge umzusteigen, fehlt völlig. Es dürften allerdings auch in den letzten Bahnjahren wegen schlechter Anschlüsse nur wenige von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben.

Neuruppin—Rheinsberg

Hier ist die Situation ähnlich: ein (schon vorher im Wesentlichen bestehendes) dichtes Angebot an Bussen werktags, aber am Wochenende nur noch drei Buspaare.

Joachimsthal—Templin

Hier fahren täglich Busse im Zweistundentakt. Allerdings geht es deutlich langsamer als über die kürzlich sanierte Bahnstrecke, und nur mit relativ kurzen Betriebszeiten (letzter Bus gegen 18 Uhr).

Werneuchen—Tiefensee

Hier muss man in Werneuchen in den Bus umsteigen, sonst änderte sich wenig.

Fazit

Dass Busse die Orte besser anbinden würden als die Bahn, hat man vor Streckeneinstellungen oft gehört. Was aber ausblieb, waren Erfolgsmeldungen, dass diese angeblich bessere Erschließung zu mehr Reisenden geführt hätte. Im Gegenteil blieben, gerade auf Strecken mit touristischem Potenzial, die Reisenden mehr und mehr aus. Kein Wunder: Fehlende Fahrradmitnahme, längere Fahrzeiten, geringerer Fahrkomfort und schlechte Anschlussgestaltung schrecken die Fahrgäste ab. Oft wird das Busangebot gerade von Gelegenheitsfahrgästen gar nicht erst wahrgenommen.

Im Land Brandenburg hat man sich lange Zeit bemüht, wenigstens den Angebotsumfang nach der Umstellung auf Busse weiter aufrecht zu erhalten. Die ersten Buslinien sind schon wieder verschwunden (Mirow— Wittstock) oder wurden ausgedünnt (Neustadt— Großderschau).

Bei den jüngsten Einstellungen Ende 2006 ist teilweise von der in den letzten Jahren üblichen Praxis, wenigstens ein quantitativ ähnliches Ersatzangebot zur Bahn bereitzustellen, abgewichen worden. Neuruppin—Neustadt fehlt zumindest der Wochenendverkehr ganz, auch von einem Stundentakt werktags, wie er bei der Bahn bestand, kann keine Rede sein. Neuruppin—Herzberg wurde zumindest am Wochenende stark ausgedünnt. Angebotsreduzierungen gab es auch bei Joachimsthal— Templin.

Bei noch verbliebenen Bahnstrecken, wo Durchgangsreisende auf Teilabschnitten in Busse umsteigen müssen, darf man sich getrost fragen, wie lange sie noch bestehen bleiben. Eberswalde—Joachimsthal gehört hierzu, ebenso wie Pritzwalk—Meyenburg. Die sogenannte „Salamitaktik“, das abschnittsweise Einstellen von Bahnlinien, hat auch hierzulande mittlerweile Tradition: Werneuchen—Tiefensee—Wriezen, Falkenberg—Herzberg—Luckau—Lübben, Zossen—Sperenberg—Jüterbog.

Ebenso darf man sich fragen, wie lange ein wenig nachgefragtes relativ dichtes Busangebot auf den bereits abbestellten Strecken noch Bestand haben wird. Mit einem Angebot, mit dem man jenseits der „klassischen“ ÖPNV-Kundenklientel Fahrgäste locken könnte, hat das absolut nichts zu tun. (kut)

IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 1/2007 (Februar/März 2007), Seite 18-20