Verschleuderung von Steuergeldern

DBV Berlin-Brandenburg fordert komplette Überarbeitung der Schienenanbindung von BBI


DBV Berlin-Brandenburg

1. Sep 2008

Blick in den neuen unterirdischen Flughafenbahnhof BBI Terminal. Foto: Marion Schmieding,Alexander Obst/Berliner Flughäfen

Der DBV-Landesverband Berlin-Brandenburg hat am 24. Juni in einem offenen Brief an Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) appelliert, die Bauarbeiten am Flughafenbahnhof zu stoppen, da die Trassenfestlegung im „Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP-FS)“ falsch ist und Alternativen nicht näher untersucht wurden. Der LEP-FS ist gewissermaßen die gesetzliche Grundlage für den Bau des Flughafens BBI und der Verkehrswege.

Gemeinsam mit anderen Organisationen hat der DBV eine wirtschaftlich viel günstigere und für die Bahnkunden bessere Variante zur BBI-Ostanbindung ausgearbeitet. Diese Variante durfte im Planfeststellungsverfahren aber nicht näher untersucht werden, weil im LEP-FS ausschließlich die Trasse durch den Bohnsdorfer Wald enthalten ist.

Diese alternativlose Festlegung verstößt nach Ansicht des DBV gegen geltendes Haushaltsrecht. So spricht die Landeshaushaltsordnung im § 7 vom sparsamen und wirtschaftlichen Finanzeinsatz sowie einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung. Nichts dergleichen hat stattgefunden bzw. ist – auch auf Nachfrage nicht – veröffentlicht

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worden. Hier erwartet der Bahnkunden- Verband eine spätere Rüge durch den Landesrechnungshof, weil die vorgegebene Trasse die unwirtschaftlichste Lösung ist.

Geplante Trassenführungen und die DBV-Vorschläge (gestrichelte Linien).
(1) Kurve Waßmannsdorf—Selchow. Hier fordert der DBV, statt einer zweigleisigen Elektrifizierung für die S-Bahn nur ein Gleis mit Stromschiene auszurüsten und das zweite Gleis mit Oberleitung zu versehen.
(2) Ostanbindung durch das Naherholungsgebiet Bohnsdorfer Wald. Die Einfädelung in die Görlitzer Bahn (Strecke Grünauer Kreuz—Königs Wusterhausen) soll gemäß DB-Planung nach Norden und Süden nur eingleisig erfolgen.

Der Gegenvorschlag des DBV für die Ostanbindung:
(3) S-Bahn-Anbindung ab Grünbergallee mit möglichem neuen Haltepunkt im entstehenden Gewerbegebiet und östlichem Anschluss des Flughafenbahnhofs BBI Terminal.
(4) Regional- und Fernzüge werden parallel zur Autobahn zum Außenring geführt und nutzen an der Görlitzer Bahn das Grünauer Kreuz. Kartengrundlage: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin. Einzeichnung: Heinz-Joachim Bona, Frank Böhnke

Im Mai 2008 fand in Schönefeld die Anhörung zur Planfeststellung für die BBI-Ostanbindung statt. Bereits im Vorfeld hatte sich der DBV intensiv mit der Gesamtproblematik der Schienenanbindung beschäftigt und dazu ein Konzept ausgearbeitet, das dem Ministerpräsidenten zur Kenntnis gegeben wurde. Das DBV-Konzept enthält einen Vorschlag, wie auch Fern- und Regionalzüge aus den östlichen Bezirken Berlins und aus Ostbrandenburg den neuen BBIBahnhof erreichen können.

Der Bahnkunden-Verband erhofft sich durch seine Forderung und seinen Appell, eine für die Steuerzahler kostengünstige und für die Bahnkunden attraktive Schienenanbindung des neuen Flughafens zu erwirken.

Minister Dellmann legt die Karten auf den Tisch

Vielleicht ist es ja auch der Öffentlichkeitsarbeit des Landesverbandes zu verdanken, dass sich Brandenburgs Verkehrsminister Reinhold Dellmann Ende Juli 2008 genötigt sah, endlich Fakten zu nennen. Dafür muss ihm ausdrücklich gedankt werden – auch wenn die schlimmsten Befürchtungen übertroffen wurden. Denn im Ergebnis zeigt sich deutlich, dass die Erreichbarkeit des Flughafens aus Sicht der Bahn- und Buskunden unattraktiv ist und – wenn es nicht schnellstmögliche Umplanungen gibt – auch bleiben wird.

Die gesamte Schienenanbindung soll laut Festpreisvereinbarung mit der DB AG 636 Millionen Euro kosten (im August 2004 waren es noch 496 Millionen Euro). Enthalten in dieser Summe ist neben dem Flughafenbahnhof auch die unmittelbare Schienenanbindung, aber nicht die Dresdener Bahn. Diese wird komplett durch den Bund finanziert.

Bedauerlicherweise fordert Minister Dellmann dazu auf, die Schienenanbindung nicht schlecht zu reden. Dessen bedarf es nicht; sie ist schlecht und kann auch nicht besser geredet werden. Die gesamte Schienenanbindung wurde immer mit dem Hinweis darauf gerechtfertig, dass nur mit dieser Trasse ein Modal Split von 50 %ÖV / 50 %IV erreicht werden kann. Und jetzt plötzlich sind es maximal 31,3 % – warum muss da nicht das gesamte Vorhaben auf den Prüfstand? Hier werden Steuergelder verbaut. Und deshalb besteht nach Meinung des DBV auch die Verpflichtung, die gültigen Gesetze einzuhalten. Und die Landeshaushaltsordnung spricht vom wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz von Steuermitteln. Die aktuelle Planung verhöhnt diesen Anspruch.

Zugangebot muss überarbeitet werden

Das gesamte Bahnkonzept muss angesichts der katastrophalen Auslastungszahlen als gescheitert angesehen werden. Wunsch war, dass 50 % der Fluggäste, Besucher und Beschäftigten mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen. Jetzt werden es laut Prognose bei Inbetriebnahme 25,3 % und später 31,3 % sein. Dieser minimalen Nachfrage steht ein millionenschwerer Aufwand gegenüber. Nach überschlägigen Schätzungen des DBV werden der Flughafenexpress zum Berliner Hauptbahnhof und die S-Bahn-Fahrten auf der künftigen Strecke vom heutigen Bahnhof Flughafen Schönefeld nach BBI Terminal nach heutigem Preisstand alleine über 10 Millionen Euro an Betriebskosten für die Zugfahrten jährlich kosten. Hinzu kommen die Stationspreise

Stationspreise für den geplanten Flughafenexpress zwischen BBI Terminal und Berlin Hauptbahnhof. Der Rechenweg für die beiden Endbahnhöfe: 2 Halte pro Stunde (für Ankunft und Rückfahrt wird laut Stationspreisliste nur ein Halt berechnet) mal 20 Betriebsstunden mal 365 Tage macht 14 600 Zughalte jährlich. Für die beiden Zwischenhalte: 4 Halte (2 pro Richtung) mal 20 Betriebsstunden mal 365 Tage macht 29 200 Zughalte jährlich. Quelle: DB-Stationspreise, eigene Berechnungen

Die DBV-Rechnung ergibt fast 12,3 Millionen Euro netto nach heutigem Preisstand für die gefahrenen Kilometer und die Halte. In der Regel steigen die Trassen- und Stationspreise der DB AG um durchschnittlich drei Prozent jährlich. Macht also voraussichtlich ab 2012 dann 13,9 Millionen Euro. Ist ein solcher Aufwand für wenige tausend Fahrgäste am Tag gerechtfertigt?

Bei der Beantwortung dieser Frage wird landesweit mit zweierlei Maß gemessen. Falkensee, Velten und Rangsdorf warten auf ihren S-Bahn-Anschluss, der angeblich wegen zu geringer Fahrgastzahlen nicht gerechtfertigt sei. Eine Verstärkung der im Berufsverkehr völlig überlasteten RE 1-Züge von Werder nach Berlin gibt es ebenso wenig wie ein weiteres Angebot an Ausflugszügen am Wochenende. Hierfür sei kein Geld da, wird aus dem Brandenburger Verkehrsministerium solchen Forderungen entgegengehalten. Andererseits wird – wohl rein politisch begründet, weil BBI ja ein Erfolg werden muss (koste es, was es wolle?) – beim Zugangebot hier die angeblich anderswo nicht vorhandenen Steuergelder mit vollen Händen aus dem Fenster geworfen.

Unseriöse Zahlenspielereien

Ein ganz großes Geheimnis sind bisher die Verkehrsprognosen, Belastungszahlen und alles Zahlenmaterial gewesen, aus dem sich der Interessierte ein Bild zur Schienenanbindung machen konnte. Und die bekannten Zahlen widersprechen sich erheblich. Ein Beispiel: Noch im November 2007 sollten es anfänglich für den Regional- und S-Bahn-Verkehr insgesamt 10,8 Millionen Fahrgäste sein, darunter 1,8 Millionen S-Bahn-Fahrgäste (Bundestags- Drucksache 16/7371, Frage 14). Das sind für die S-Bahn im Durchschnitt pro Tag 4931 Fahrgäste. Minister Dellmann spricht in seinen Unterlagen vom Juli 2008 nun von 14 100 Fahrgästen täglich. Woher kommt diese Steigerung von über 250 Prozent?

Die DBV-Vorschläge

Angesichts der dramatischen Schieflage und katastrophalen wirtschaftlichen Ergebnisse muss sofort die Notbremse gezogen werden. Der Flughafen selber lässt sich nicht mehr verändern, mit ihm muss man leben. Aber die Schienenanbindung – sowohl die westliche als auch die östliche – muss komplett überarbeitet werden.

Kurzfristig ist dafür zu sorgen, dass auch Regionalzüge von der Stadtbahn, aus Richtung Grünauer Kreuz, zum unterirdischen Flughafenbahnhof fahren können. Der DBV schlägt vor, das eigentlich für die S-Bahn vorgesehene zweite S-Bahn- Gleis im Bereich der 450 Meter langen Linkskurve in Höhe Waßmannsdorf statt mit einer Stromschiene mit einer Oberleitung zu elektrifizieren. Ein 10-Minuten-S-Bahn-Takt ist auch mit dieser minimalen Einschränkung nach entsprechenden technischen Anpassungen möglich.

Außerdem ist die im Planfeststellungsverfahren befindliche Ostanbindung sofort zu stornieren. Sie ist die umweltschädlichste und bei den Bau- und Betriebskosten teuerste Variante. Betriebliche Einschränkungen im Bereich der Einfädelung zur Görlitzer Bahn werden die Streckenkapazität nach und von Königs Wusterhausen erheblich einschränken, weil hier häufig das Gegengleis gekreuzt werden muss. Der LEP-FS ist entsprechend zu ändern.

Stattdessen bietet sich – mit Nutzung der vorhandenen Infrastruktur – eine Ausfädelung aus den Fern- und Regionalbahngleisen vor der Autobahnbrücke A113neu über die Schienenstrecke zum Flughafen an. Das leistungsfähige Grünauer Kreuz kann so von den Zügen zum Flughafen weiterhin genutzt werden; betriebliche Einschränkungen ergeben sich durch die niveaufreien Kreuzungen nicht. Die zwei Fern- und Regionalbahngleise verlaufen parallel zur A113neu, unterqueren die Autobahn und führen so in den Flughafenbahnhof.

Inzwischen obsolet scheint die Forderung des DBV zu sein, vom heutigen S-Bahnhof Grünbergallee in einer S-Kurve durch das zukünftige Gewerbegebiet den BBI-Bahnhof von Osten her anzubinden. Der Rohbau des unteririschen Bahnhofs ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass Umplanungen wohl nicht mehr möglich sind. Am östlichen Ende des zukünftigen S-Bahnsteigs sollen Betriebsräume für die Stromversorgung reserviert werden. So setzt man sich seitens der Gesellschafter selber Zwangspunkte, die eine Verbesserung unmöglich machen.

Fazit

Die DBV-Vorschläge erfordern einen etwas größeren Aufwand bei den Baukosten. In wenigen Jahren müsste dieser Mehraufwand aber durch die betrieblichen Einsparungen wettgemacht werden können. Wird an der bisher geplanten BBI-Ostanbindung durch den Bohnsdorfer Wald festgehalten, stehen jahrelange Verzögerungen ins Haus. Denn auch hier sind, ähnlich wie im Klageverfahren zur Dresdner Bahn, erhebliche Einwendungen und juristische Streitigkeiten von Anwohnern und Betroffenen zu erwarten. Dies wäre bei den DBV-Vorschlägen nicht der Fall.

Wird weiter gebaut, wie bisher geplant, dann entstehen jährlich zwangsläufig Mehraufwendungen in Millionenhöhe und die Schienenanbindung wird so schlecht bleiben, wie sie von Minister Dellmann dargestellt worden ist. Das wäre fatal für spätere Generationen, denn sie müssen für die Fehler, die jetzt nicht korrigiert werden, dauerhaft bezahlen.

DBV Berlin-Brandenburg

aus SIGNAL 4/2008 (September 2008), Seite 6-7