Brandenburg
Kleine Anfrage vom 23. Mai 2008
1. Sep 2008
Im Rahmen der Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik auf der Eisenbahnstrecke Berlin- Lichtenberg—Küstrin-Kietz— Bundesgrenze—Kostrzyn (Polen) beabsichtigt die DB Netz AG aktuell auch den Ausbau vorhandener Weichen und die Verkürzung von Gleislängen. Ich frage die Landesregierung:
Frage: In welchem Umfang hat sich seit 1. Januar 1994 auf der Strecke zwischen Berlin-Lichtenberg und Küstrin-Kietz— Bundesgrenze („Ostbahn“) die Eisenbahninfrastruktur verändert (bitte nach Örtlichkeit, Baumaßnahme, Zeitraum und betriebliche Auswirkung) verändert?
Antwort: Seit dem 1. Januar 1994 wurden auf der Strecke zwischen Strausberg und Küstrin-Kietz—Bundesgrenze folgende Maßnahmen realisiert:
Frage: Wie bewertet die Landesregierung die geplanten Baumaßnahmen der DB AG, die nach Aussage des Landkreises Märkisch-Oderland (Pressemitteilung vom 13. Mai 2008) eine Verringerung der Streckendurchlassfähigkeit von heute 65 Zügen/Tag auf dann 59 Züge/Tag zur Folge haben?
Antwort: Die DB Netz AG handelt für die von ihr vorgehaltene Schieneninfrastruktur
eigenverantwortlich. Die Verringerung von Streckenkapazitäten muss des Weiteren im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften erfolgen. Durch die Realisierung des elektronischen Stellwerks Rehfelde wird die Nennleistung ausgehend von der heutigen Infrastruktur von 65 auf 59 Züge/Tag reduziert. Das gegenwärtige Betriebsprogramm auf der Strecke beinhaltet 45 Züge/Tag. Bei einem standardmäßig vorzuhaltenden Zuschlag für die Zukunftsentwicklung von 20% (= 54 Züge/Tag) wird die Leistungsfähigkeit der Strecke im geplanten Zustand nicht überschritten. Ein Verstoß gegen eisenbahnrechtliche Vorschriften bei einer Verringerung der Streckenkapazität ist nicht ersichtlich. Dennoch steht das Land Brandenburg Kapazitätseinschränkungen im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen auch des Güterverkehrs sehr kritisch gegenüber.
Frage: Welche konkreten Anstrengungen
unternimmt die Landesregierung, um vor
dem Hintergrund der prognostizierten hohen
Zunahme des Straßengüterverkehrs
aus und in die östlichen Nachbarländer
• die DB AG zu einer langfristigen bedarfsgerechten
Vorhaltung der Schieneninfrastruktur
auf der „Ostbahn“zu
bewegen,
• die eigenen verkehrspolitischen Ziele,
nämlich den Schienengüterverkehr zu
stärken, umzusetzen?
Antwort: Das Land Brandenburg hat sich im Verlauf der Planungen zur Ertüchtigung der Ostbahn dafür eingesetzt, dass eine bedarfsgerechte und zukunftssichere Schieneninfrastruktur unter Berücksichtigung der dafür entstehenden Kosten entsteht. Dabei wurden sowohl die Belange des Schienenpersonennahverkehrs als auch des Schienengüterverkehrs einbezogen. Durch die Realisierung des elektronischen Stellwerks in Rehfelde entstehen auch Vorteile. Die betrieblichen Abläufe werden verbessert und die Wirtschaftlichkeit des Verkehrs erhöht. Des Weiteren wird beispielsweise die Reisendensicherheit dadurch gesteigert, dass zukünftig nur ein Hausbahnsteig frequentiert wird. Gleisquerungen der Reisenden entfallen. Es entstehen keine zusätzlichen Kosten für einen Neubau eines zweiten Bahnsteigs mit neuer Zuwegung und es wird eine Vereinfachung der baulichen Verhältnisse beim Bau des Bahnübergangs erreicht. Reisezeitnachteile für die Nahverkehrskunden entstehen nicht. Kreuzungen mit Güterzügen können dauerhaft in Strausberg und Müncheberg erfolgen. Es wird jedoch mittel- und langfristig notwendig sein, die Infrastruktur den steigenden Verkehrsbedürfnissen, insbesondere im Bereich Güterverkehr gerecht zu werden. Hierfür setzt sich das Land Brandenburg ein.
Reinhold Dellmann, Minister für Infrastruktur und Raumordnung
Die Erweiterung der EU nach Osteuropa hat in den vergangenen Jahren zu einem deutlich höheren grenzüberschreitenden Personenund Güterverkehr geführt – Tendenz steigend. Beim Ausbau der Eisenbahninfrastruktur wird dieser Entwicklung leider nur unzureichend Rechnung getragen.
Im Gegenteil: Die Durchlassfähigkeit der Ostbahnstrecke zwischen Berlin-Lichtenberg und Kostrzyn wurde in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. Die von Minister Dellmann benannten Rückbaumaßnahmen sind dabei keinesfalls vollständig. Beispielhaft seinen die Reduzierung der Gleisanlagen des Bahnhofs Müncheberg/Mark und – in extremer Form – des Bahnhofs Küstrin- Kietz genannt. Nach der Modernisierung bzw. Umstellung auf elektronische Zugsicherungstechnik (Installation elektronischer Stellwerke) wird die Kapazität der Strecke nur noch 59 Züge pro Tag betragen!
Unverständlich ist dies vor dem Hintergrund, dass gerade der Güterverkehr zwischen Deutschland und Polen besonders stark wächst und aus Wirtschaft und Politik immer wieder der Ruf nach Ausbau der „Ost-Auto- Bahn“, der BAB 12, zu hören ist.
Das alles widerspricht den im Bundesverkehrswegeplan 2003 beschriebenen verkehrspolitischen Grundsätzen, nach denen es Ziel sein muss, dass die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße einen möglichst großen Anteil des prognostizierten Verkehrszuwachses im Güterverkehr aufnehmen können.
Nicht zufrieden stellen kann hier auch die Antwort der Landesregierung Brandenburgs, wonach es erst mittel- bis langfristig notwendig sein wird, die Infrastruktur den steigenden Verkehrsbedürfnissen insbesondere des Güterverkehrs anzupassen. Akuter Handlungsbedarf besteht angesichts der Klimaschutzdiskussion, der Abhängigkeit und Verknappung von Erdöl bzw. der daraus resultierenden Kostenexplosion für Treibstoffe bereits seit Jahren. Es fehlt beispielsweise ein Konzept, das auf Grundlage des Kombinierten Verkehrs eine forcierte Verlagerung von Güterverkehren in der Relation Deutschland—Polen auf die Schiene bewirkt und somit hilft, die inakzeptablen Zustände zu beenden, die derzeit auf einigen brandenburgischen Bundesstraßen und vor allem auf der BAB 12 herrschen, wo in beiden Richtungen jeweils eine der beiden Fahrspuren fast vollständig mit Lkw-Verkehr belegt ist.
Bei entsprechend weitsichtiger Planung könnte die Ostbahnstrecke heute deutlich leistungsfähiger sein und eine Entlastung der Strecke Berlin—Frankfurt/Oder bewirken, insbesondere wenn deren Leistungsfähigkeit zum Beispiel durch Bauarbeiten reduziert ist.
Auf der Ostbahn ist das Planum für das zweite Gleis noch immer vorhanden, die Abschnitte Trebnitz (Mark)—Seelow-Gusow und Küstrin-Kietz—Kostrzyn sind bereits heute zweigleisig. Die Strecke kann somit vergleichsweise unproblematisch für künftige Anforderungen ertüchtigt werden. Man muss nur wollen.
Dr. Jens Klocksin, MdL
Verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag Brandenburg
aus SIGNAL 4/2008 (September 2008), Seite 19-20