Tarife

Kundenfeindlich!
Neue Tarifbestimmungen bei DB Regio Südost

Seit dem 1. Juni gelten in den Zügen von DB Regio in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen neue Tarifbestimmungen, die besagen, dass der Fahrausweisverkauf im Zug grundsätzlich ausgeschlossen ist. Das sorgte bereits vielfach für Unmut und Streit...


DBV Oberlausitz-Niederschlesien

1. Sep 2008

Jost Beckmann, Leiter Fahrgastmarketing der DB, erläuterte und rechtfertige die Neuregelung, unter anderem in einem Interview in der Sächsischen Zeitung vom 30. Mai 2008. Aber aus Kundensicht sind viele seiner Behauptungen nicht nachvollziehbar. Insbesondere die „Einheitlichkeit“, die auch noch als Vorteil für die Reisenden dargestellt wurde, ist zum Beispiel im ostsächsischen Verkehrsverbund ZVON ganz und gar nicht gegeben. Im Gegenteil: Hier wird die DB ab Dezember mit ihrem verbleibenden Angebot in der Minderheit sein, denn sie erbringt dann nur noch die die ZVON-Grenze überschreitenden Leistungen von Zittau nach Dresden und von Görlitz nach Dresden.

Man darf auch nicht vergessen, dass es nicht nur um das erhöhte Beförderungsentgelt in Höhe von 40 Euro geht. Da Schwarzfahren ein Straftatbestand ist, kann er mit weiteren Sanktionen belegt werden, die eigentlich für Mitbürger gedacht sind, die nicht bezahlen wollen, und nicht für solche, die in eine Falle der Tarif- und Verkaufsstruktur getappt sind.

Ausgesprochenes Glück haben Reisende, die am Start ihrer Bahnfahrt einen Fahrkartenschalter vorfinden, wo sie außer einem Fahrausweis auch eine Beratung erhalten, welcher Fahrausweis für ihre Fahrt der richtige ist. Im ZVON-Gebiet gibt es auf den meisten Stationen nur Automaten, mit denen viele Kunden Schwierigkeiten haben.

Widersprüchliche DB-Fahrgastinformation

Völlig unklar ist die Situation für Reisende, die mit Regionalbahnen unterwegs sind, bei denen im Zug ein Fahrausweisautomat vorhanden ist. Vor einiger Zeit wurden von DB Regio Informationsmaterialien herausgegeben, in denen die entsprechenden Regionalbahn-Linien mit dem Hinweis verzeichnet waren, dass dort der Erwerb von Fahrausweisen am Automaten im Zug möglich sei. Wenn im Zug dann tatsächlich ein funktionsfähiger Automat vorhanden ist und die Reisenden diesen umgehend nach Besteigen des Fahrzeuges benutzen, wird ihnen auch niemand etwas anhaben können.

Nicht erst seit dem 1. Juni dieses Jahres mehren sich aber Berichte von Reisenden, die bei defektem oder – wegen des außerplanmäßigen Einsatzes einer anderen Triebfahrzeugbaureihe – nicht vorhandenem Automaten im Zug vom Zugbegleiter darauf hingewiesen wurden, dass sie eigentlich Schwarzfahrer seien, denn sie hätten ihren Fahrausweis immer vor Fahrtantritt am stationären Automaten zu lösen, sofern einer vorhanden ist. Die Benutzung des Fahrausweisautomaten im Zug sei nur beim Einstieg auf solchen Stationen statthaft, auf denen es keinen Fahrausweisautomaten gibt.

Bei den NE-Bahnen ist es demgegenüber höchst erwünscht, dass die Reisenden ihren Fahrausweis im Zug lösen, denn nach der Einnahmenaufteilung im ZVON erhalten die Verkehrsunternehmen so gut wie nichts von Fahrgeldeinnahmen, die durch andere Verkehrsunternehmen erzielt wurden.

Besonders prekär wird die Situation für Reisende zwischen Görlitz und Bischofswerda. Dort tritt ab dem Fahrplanwechsel im Dezember der Fall ein, dass an Arbeitstagen durch die ODEG, zum Wochenende dagegen durch DB Regio gefahren wird. Wer soll da noch durchsehen, ob der Fahrausweiskauf im Zug ausdrücklich erwünscht ist oder als Straftat geahndet wird?

Kundenfeindliches Geschäftsgebaren

Während jeder ehrbare Kaufmann danach trachtet, jeden einzelnen Kunden ernst zu nehmen und als Stammkunden zu gewinnen, erwartet die Deutsche Bahn AG von ihren Kunden, dass sie ihren Teil beim Abschluss des Beförderungsvertrages – nämlich die Erfüllung der Zahlungspflicht – schon im Voraus erbringen und dabei teilweise schwierige technische Probleme lösen. Die Annahme des Geldes erst während der Erbringung der Beförderungsleistung wird verweigert und darauf verwiesen, dass sich der Kunde dann zum Straftäter macht.

Die Kriterien für einen ehrbaren Kaufmann erfüllt die DB damit nicht, sondern sie stellt unter Beweis, dass die laufenden Zahlungen aus öffentlichen Haushalten ihr schon so weit zur Existenzsicherung verhelfen, dass es ihr nur noch auf die Senkung der laufenden Betriebskosten ankommt. Und zu diesen zu vermeiden Betriebskosten rechnet die DB auch solche, die entstehen, wenn den Kunden der Fahrausweisverkauf in einer in unserem Wirtschaftsleben sonst üblichen kundenfreundlichen Weise ermöglicht wird.

Aufgabenträger müssen handeln

Wir erwarten angesichts dieser Missstände, dass die Aufgabenträger für den öffentlichen Schienenpersonennahverkehr endlich handeln und mindestens folgende Qualitätskriterien einfordern:

  1. In jedem Zug findet jeder Kunde einen Ansprechpartner vor, entweder einen Zugbegleiter oder – in verkehrsschwachen Zeiten – einen in Kundenkommunikation ausgebildeten Triebfahrzeugführer.
  2. In jedem Zug kann der Kunde einen Fahrausweis erwerben. Hinzunehmen ist lediglich, dass der Erwerb von Fahrausweisen vor Fahrtantritt preisgünstiger ist als nach Fahrtantritt, soweit dieser Erwerb vor Fahrtantritt auch für einen Gelegenheitsfahrgast im Rentenalter völlig unkompliziert ist.

DBV Oberlausitz-Niederschlesien

aus SIGNAL 4/2008 (September 2008), Seite 23