Sachsen
15. Dez 2008
Mit der im August 2008 vollzogenen Zusammenlegung der ehemaligen sächsischen Nordkreise Delitzsch, Eilenburg und Torgau mit dem einstigen kernsächsischen Kreis Oschatz wurde durch die in kurzer Zeit bereits zweite Kreisgebietsreform der Landkreis Nordsachsen geschaffen. Die Bildung dieses Großkreises führt auch zu neuen bzw. veränderten Anforderungen an das Verkehrsnetz.
Zu erwarten ist insbesondere ein verstärkter Verkehr zwischen den vier Mittelzentren des Kreises Nordsachsen, von denen tendenziell jedes funktionale Aufgaben für die Bürger des Gesamtkreises übernehmen wird. Während Delitzsch, Eilenburg und Torgau durch eine Bahnstrecke untereinander verbunden sind, ist der Altkreis Oschatz mit dem Nordkreis nur über untergeordnete Straßen verknüpft. Der öffentliche Verkehr wird über Busse abgewickelt. Aus historischen Zwängen heraus war die preußische Eisenbahnstrecke Halle—Kohlfurt nicht auf sächsische Belange ausgelegt. Somit gibt es bis heute keine umsteigefreie und annähernd attraktive Bahnverbindung zwischen Nordsachsen und der Landeshauptstadt Dresden.
Der Deutsche Bahnkunden-Verband nahm dies zum Anlass für Untersuchungen von Optimierungsmöglichkeiten, wie Nordsachsen kreisintern sowie mit der Landeshauptstadt im Eisenbahnverkehr besser verknüpft werden kann. Das Ergebnis seiner Untersuchungen übergab der DBV am 5. November an den Freistaat Sachsen. Sachsens Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit, Thomas Jurk, und DBV-Präsident Gerhard J. Curth vereinbarten, sich nach Auswertung des Konzepts erneut zu treffen.
Grundlage für das Konzept waren die Ermittlung des Verkehrsbedarfs zu verkehrsstarken Zeiten und speziell die Verkehrsbedürfnisse z. B. zu den Schulstandorten, den Mittelzentren oder Verkehrsmittelpunkten. Daraus hat der DBV einen Musterfahrplan entwickelt, der zwei Hauptverkehrsbedürfnisse erfüllt: zum einen die umsteigefreie Verbindung zu nachfragegerechten Verkehrszeiten zwischen Nordsachsen und der Landeshauptstadt Dresden (von Torgau über Falkenberg—Riesa nach Dresden und zurück) und zum anderen die Verbindung von der Dübener Heide über Eilenburg—Torgau—Riesa nach Oschatz, von wo aus auch die Döllnitzbahn in den Südkreis verkehrt.
Umsteigefreie Angebote auf diesen Relationen dürften zu großer Akzeptanz der Bahn im Berufs- und Schülerverkehr beitragen. Mitnahmeeffekt dieser beiden Verkehre ist die Wiederverknüpfung der beiden Eisenbahnknoten Riesa und Falkenberg, die ihrerseits wieder Umsteigebahnhöfe für
die Landkreisteile sind. Günstig dabei ist, dass über die Relation Riesa— Falkenberg einerseits das EU-geförderte BürgerBahn-Projekt des DBV, der “Elbe-Elster-Express”, sowie in der Saison von April bis Oktober der “Elbe-Spreewald-Kurier” Riesa—Lübben der DRE ebenfalls Umsteigebeziehungen zwischen Nordkreis und Oschatz ermöglichen.
Die Anbindung von Bad Düben bietet sich an, weil im sachsen-anhaltischen Teil das landesgeförderte Bahn-Bus-Konzept zwischen Deutsche Regionaleisenbahn, Busbetreiber und Landkreis Wittenberg bis Bad Schmiedeberg läuft. Mit Verlängerung einzelner Züge in den sächsischen Streckenteil kann die Verknüpfung des Verkehrs Richtung Oschatz erfolgen. Nach jüngsten Erkenntnissen hat seit der Schließung des Gymnasiums Bad Düben der Schülerverkehr nach Eilenburg deutlich zugenommen. Schüler und Elternbeiräte fordern immer öfter den Bahnverkehr, weil im Busverkehr teilweise nicht mehr hinnehmbare Verhältnisse herrschten. Hier könnte in Zusammenarbeit mit Bahn und Bus ebenfalls das Wittenberger Bahn-Bus-Modell umgesetzt werden. Für die Dübener Heide kommt außerdem der touristische Aspekt begünstigend hinzu. Dieser Naturpark ist bisher nur mit dem Auto erreichbar.
Die Triebwagen der Relation Delitzsch— Torgau—Dresden könnten als Eilzüge mit wichtigen Halten dreimal täglich verkehren. Die Triebwagen Bad Düben—Oschatz decken einerseits den Schülerverkehr zwischen Bad Düben und Eilenburg und andererseits Erledigungsfahrten zwischen Eilenburg— Torgau und Oschatz ab.
Der DBV hat für die hier dargestellte Verkehrsdurchführung einen jährlichen Zuschussbedarf von rund 3,5 Mio. Euro errechnet. Da der Freistaat Sachsen verstärkt SPNV-Leistungen über Ausschreibungen vergibt, könnten freiwerdende Mittel in neue Projekte gelenkt werden. Vor allem der Zufluss künftiger Mautgelder an die Länder lässt hoffen, dass der verhältnismäßig geringe Zuschussbedarf realisiert werden könnte.
Das herkömmliche Verteilungs- und Verwendungsverfahren der Regionalisierungsmittel hat zur Mittelverknappung geführt. Zum Teil kann von Verschleuderung und Zweckentfremdung gesprochen werden. Deshalb müssen neue Ideen entwickelt werden und für einen Erhalt von Bahninfrastruktur für künftige Entwicklungen muss auch mal auf standardisierte Verfahren zugunsten individueller Betrachtungen und Entscheidungen verzichtet werden. Als bislang einziges Musterland gilt hier Sachsen-Anhalt. Mit einer BürgerBahn “Nordsachsen-Kurier” könnte auch Sachsen neue Maßstäbe setzen und zugleich den durch die Kreisgebietsreform veränderten Anforderungen genügen.
Deutscher Bahnkunden-Verband
aus SIGNAL 6/2008 (Dezember 2008/Januar 2009), Seite 21