Finanzkrise:
Die Deutsche Bahn geht vorerst nicht an die Börse. Damit findet dieses Projekt bzw. der ehrgeizige Zeitplan ein zumindest vorläufiges Ende...
15. Dez 2008
Zur Erinnerung: Am 28. April 2008 einigten sich die Regierungsparteien im Koalitionsausschuss auf die Eckpunkte des geplanten Börsengangs der DB AG. Am 30. April 2008 folgte der Beschluss des Bundeskabinetts. Der Bundestag hat schließlich am 30. Mai 2008 dem Regierungsantrag zugestimmt.
Ein Teil des Bahn-Konzerns, die Bahninfrastruktur (Schienennetz, Bahnhöfe, Energie), bliebe auch im Fall des Börsengangs vollständig im Bundesbesitz. Von der DB Mobility Logistics AG sollten dagegen 24,9 % privatisiert werden. Der Börsengang war ursprünglich für den 27. Oktober 2008 vorgesehen.
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee erhoffte sich Privatisierungserlöse zwischen fünf und acht Milliarden Euro. Die Verkaufserlöse sollten zu gleichen Teilen in den Bundeshaushalt, in die Eigenkapitalerhöhung der Bahn und in Investitionen in den Schienenverkehr fließen. Die dramatischen Auswirkungen der weltweiten Finanzmarktkrise haben diese Pläne ad absurdum geführt, die Erlöserwartungen sind deutlich zusammengeschmolzen – im ungünstigen Fall auf „nur“ drei Milliarden Euro. Ein Börsengang in der laufenden Legislaturperiode hat das Bundesfinanzministerium daher praktisch
ausgeschlossen. Der entsprechende Beschluss erfolgte am 9. Oktober 2008.
Erübrigt haben sich damit auch die geplanten Bonus-Zahlungen für den Vorstand der DB AG im Wert von mehreren 100.000 Euro im Rahmen des Börsengangs. Angesichts des wochenlangen Chaos im ICE-Verkehr bedingt durch die Probleme mit nicht dauerfesten Radsatzwellen, daraus resultierenden Ersatzverkehren, überfüllten Zügen, verfallenen Platzreservierungen, bereits seit Jahren schleichenden Angebotsausdünnungen im Fernverkehrsangebot, hohen Risiken für den künftigen Angebotsumfang bzw. zum Teil kräftigen Fahrpreiserhöhungen hätten derartige Boni – wenngleich nach dem Aktienrecht zulässig – unpassender kaum sein können. Sie wären an Instinktlosigkeit kaum mehr zu überbieten gewesen.
Insgesamt dürfte der Börsengang der Deutschen Bahn gerade in der Zukunft mit erheblichen Risiken behaftet sein. Der Geschäftsbereich Fernverkehr ist margenschwach, der von Regionalisierungsmitteln abhängige Schienenpersonennahverkehr unterliegt durch Ausschreibungen zunehmend dem Konkurrenzdruck anderer Bahnunternehmen. Die angekündigten Ausschreibungen, verbunden mit der Aufteilung in vier Teilnetze in der Region Berlin/Brandenburg sind nur ein Beispiel von vielen und dürften überteuerten, steuerfinanzierten Verkehrsleistungen (endlich) ein Ende setzen.
Auch der globale Logistikmarkt dürfte sich wegen der schwächelnden Weltwirtschaft künftig längst nicht mehr so dynamisch entwickeln wie bisher. Unverantwortlich ist auch die angesichts der Renditeorientierung seit Jahren gängige Praxis, notwendige Instandsetzungsarbeiten im Schienennetz solange hinauszuzögern, bis im Extrem-Fall das Eisenbahnbundesamt (EBA) entsprechende Anordnungen erlässt.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion, aber auch angesichts der Klimaschutzdiskussion und der Ressourcenschonung muss der Bund seine Eigentümerverantwortung endlich ernsthaft und umfassend ausüben. Aus strukturpolitischen Gründen und im Interesse einer wirkungsvollen Versorgung aller Landesteile gehört dazu beispielsweise eine grundhafte Daseinsvorsorge im Fernverkehr. Diese Verpflichtung besteht nach Artikel 87e Abs. 4 des Grundgesetzes! Der nun gewonnene zeitliche Spielraum muss für eine Überarbeitung der bisherigen Planungen bzw. zu einer kundenorientierten Weiterentwicklung der Bahnreform genutzt werden.
IGEB Fernverkehr
aus SIGNAL 6/2008 (Dezember 2008/Januar 2009), Seite 6