Verkehrsrecht & Tarife
Nach DB-Angaben ist die Verteuerung eine Reaktion auf die 2006 realisierten bundesweiten Angebotsverbesserungen und die erheblichen Kostensteigerungen bei Strom, Öl und Diesel...
15. Dez 2006
Zum 1. Januar 2007 will die Deutsche Bahn AG die Preise für Einzelfahrscheine und Zeitkarten erneut anheben, im Fernverkehr um durchschnittlich 5,6 Prozent und im Nahverkehr außerhalb der Verbundtarife um durchschnittlich 3,9 Prozent. Nach eigenen Angaben reagiert die DB damit auf die 2006 realisierten bundesweiten Angebotsverbesserungen und erhebliche Kostensteigerungen bei Strom, Öl und Diesel.
Der Deutsche Bahnkunden-Verband e. V. (DBV) hat sich im November 2006 auf seinem Bundesverbandstag in Saarbrücken kritisch mit den Fragen der Tarifanhebung der DB im Nahverkehr auseinandergesetzt.
Die DB hat nach Erkenntnissen des DBV bisher nicht nachgewiesen, dass die Tarifanhebung zur Herstellung eines ausgeglichenen Betriebsergebnisses unter Einschluss eines angemessenen Unternehmergewinns erforderlich ist. Ein solcher Nachweis ist aber auch im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs (§ 12 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes – AEG) erforderlich. Denn ebenso wie im öffentlichen Straßenpersonennahverkehr (ÖSPV) (§ 39 des Personenbeförderungsgesetzes – PBefG) dient § 12 AEG dazu, dass die Tarifgenehmigungsbehörde einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Unternehmens und dem Kunden herstellen kann. Dass der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift diesen Zweck verfolgte, ergibt sich aus den Materialien zur Eisenbahnneuordnung.
Die aktuelle Entwicklung im Strom- und Gasmarkt zeigt, dass auch andere große Unternehmen in der Lage sind, ihr Betriebsergebnis in entsprechender Weise darzustellen. Dies musste zwar gerichtlich erzwungen werden, hat aber dazu geführt, dass von den für die Preisaufsicht zuständigen Behörden sogar Preissenkungen durchgesetzt werden konnten. Die Fahrgäste im ÖPNV haben gerade in der gegenwärtigen durch Einkommensverluste geprägten Situation ein mindestens ebenso hohes Interesse wie die Strom- und Gaskunden, nicht mit Preisanhebungen überzogen zu werden, die nicht angemessen sind.
Da die Kunden zum einen über ihren Fahrpreis und zum anderen aber auch als Steuerbürger den DB Nahverkehr finanzieren, muss die DB gerade auch gegenüber den Fahrgästen für mehr Transparenz sorgen. Darauf hat auch vollkommen zu Recht Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee in seiner Presseerklärung vom 11. Oktober 2006 hingewiesen: „Die Kunden haben Anspruch darauf, die genauen Gründe für die Preiserhöhung zu erfahren. Erst dann kann sich die Öffentlichkeit eine Meinung zu der Notwendigkeit und Angemessenheit der Preissteigerung bilden.“
Die DB soll daher ihren bisherigen und zu erwartenden Aufwand und ihre Erlöse im Einzelnen darstellen, wie es im Tarifgenehmigungsverfahren im Bereich des Linienomnibusverkehrs gängige Praxis ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die für das PBefG maßgebliche Preisverordnung 30/53 den Gewinn auf ein angemessenes Maß begrenzt. Darunter sind nach der einschlägigen Kommentierung im Bus- und Straßenbahnbereich maximal 5 Prozent zu verstehen. Diese Begrenzung auf 5 Prozent hat ihre Ursache darin, dass die Busunternehmen im Linienverkehr nach Konzessionserteilung langjährig vor Wettbewerb geschützt sind. Da die DB ebenso auf langjährige Verkehrsverträge unter Ausschluss von Konkurrenz bauen kann, ist eine vergleichbare Begrenzung des Gewinns zu fordern.
Angesichts der jüngsten Erfolgsbotschaften der DB bestehen jedoch erhebliche Zweifel, ob die DB nicht ohnehin ein schon mehr als auskömmliches Betriebsergebnis erzielt. So verkündete Bahnchef Hartmut Mehdorn am 26. Oktober zur Geschäftsentwicklung der DB: „Mit dieser anhaltend erfreulichen Entwicklung werden wir auch im Geschäftsjahr 2006 unsere Erfolgsgeschichte fortsetzen. Es wird damit das beste Jahr in der Geschichte der Deutschen Bahn sein“. Das größte deutsche Bahnunternehmen erziele ein operatives Ergebnis, welches „deutlich ansteige“ und nach neun Monaten mit rund 1,5 Milliarden Euro bereits oberhalb des Wertes für das Gesamtjahr 2005 gesamt läge.
Statt wieder einmal den Kunden ans Portemonnaie zu gehen, sollte die DB lieber ihre selbst gesteckten Ziele umsetzen. Beispielsweise formulierte die DB Regio NRW GmbH unter dem Motto „Kosten reduzieren und Qualität steigern“ noch am 23. September des Jahres: „Wir streben eine deutliche Verbesserung unserer Kostenstrukturen an und setzen dabei weiterhin auf eine Optimierung unserer Qualität. Langfristig kostet Qualität nicht mehr Geld, sondern hilft die Effizienz zu steigern und damit Kosten zu sparen. Dies gilt für die interne Organisation unseres Unternehmens und erst recht für die Produktion unserer SPNV Leistungen“. Dieses ist auch nach Auffassung des DBV allein der richtige Weg und belegt, das Angebotsverbesserungen zu einer Verbesserung des wirtschaftlichen Ergebnisses führen.
Darüber hinaus ist das Argument von in der Vergangenheit gestiegenen Energiepreisen für einen Tarifantrag, der die Entwicklung für das nächste Jahr berücksichtigen muss, nicht stichhaltig, zumal die Dieselpreise in der letzten Zeit gefallen sind. Letztlich müsste die DB auf eine belastbare Steigerungsprognose für das kommende Jahr heranziehen. Doch die Wirtschaftsanalysten statuieren derzeit eher ein Nachlassen der Belastung durch Energiekosten.
Außerdem werden Energiepreissteigerungen im Verkehrsvertrag üblicherweise durch Preisgleitklauseln abgedeckt. Der Einsatz moderner Traktionsmittel sollte ohnehin auch unter dem Gesichtspunkt der Verringerung des Energieeinsatzes erfolgen. Hier sei nur am Rande auch das Kyoto-Protokoll (Vermeidung von CO2-Emissionen) als Stichwort erwähnt.
Mit der Eisenbahnneuordnung ist den Ländern die Verantwortung für den SPNV zugeordnet worden. Dieser Bereich gehört unstreitig wie der Bereich des ÖPNV zur Daseinsvorsorge. Ziel des Einsatzes öffentlicher Mittel in beiden Bereichen ist es, ein attraktives Nahverkehrsangebot herzustellen, das in möglichst großem Umfang genutzt wird. Dies hängt entscheidend davon ab, dass die Tarife von den Kunden als angemessen angesehen bzw. letztlich auch getragen werden können.
Die Gewährleistung eines angemessenen Tarifgefüges ist den Ländern durch die Bahnreform als Kernaufgabe ihres Daseinsvorsorgeauftrags für den SPNV zugewachsen. Da vor allem Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen sowie insbesondere auch ältere Bürger auf den ÖPNV angewiesen sind, kommt diesem Auftrag in der heutigen Zeit gesteigerte Bedeutung zu.
Das zuständige Regierungspräsidium Darmstadt hat Ende November die von der DB Regio AG beantragte Preiserhöhung im Schienenpersonennahverkehr genehmigt. Das nach § 5 Absatz 4 Allgemeines Eisenbahngesetz hierzu erforderliche Einvernehmen mit allen hiervon betroffenen Bundesländern konnte allerdings nicht hergestellt werden, da einige Länder ihr Veto einlegten. Daraufhin hatte das Bundesland Hessen eine Entscheidung beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) beantragt. Das Bundesministerium stimmte daraufhin der Tarifanhebung zu, so dass das Regierungspräsidium Darmstadt den Tarif genehmigen konnte.
Unter Verweis auf § 5 Absatz 4 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes muss hier festgestellt werden, dass diese Tarifgenehmigung nicht ordentlich zustande gekommen ist. Im Falle einer fehlenden Einigung zwischen den beteiligten Ländern kann zwar eine Entscheidung des Bundes eingeholt werden. Hierzu ist es jedoch erforderlich, dass sich alle beteiligten Länder auf einen solchen Schritt einigen müssen, um dann einen gemeinsamen Antrag an das BMVBS zu stellen. Der hier vorliegende Alleingang des Bundeslandes Hessen ist vollkommen unakzeptabel und greift in die Autonomie der anderen Länder ein. Der DBV empfiehlt den mit der Tarifgenehmigung „überrumpelten“ Ländern, umgehend rechtliche Schritte gegen diese Tarifanhebung einzuleiten.
Deutscher Bahnkunden-Verband
aus SIGNAL 6/2006 (Dezember 2006/Januar 2007), Seite 6