BVG-Betriebsvorstand Necker:

„Nicht Fahrgastzahlen maximieren, sondern Betriebsergebnisse optimieren“

Thomas Necker zur Entwicklung der BVG


Christian Linow

15. Aug 2006

Thomas Necker, Vorstand Betrieb der BVG. Foto: Christian Linowf

Thomas Necker, BVG-Vorstand Betrieb, hat für alles eine Erklärung, auch für die 2005 unbefriedigende Entwicklung der BVG-Fahrgastzahlen (vgl. SIGNAL 4/2006, Seite 22), und er kann begründen, warum die Ausdünnung im sogenannten Ergänzungsnetz von Bus und Straßenbahn erforderlich war. Es sei nur möglich, erklärte Thomas Necker, entweder den Haushalt zu konsolidieren und damit gleichzeitig Angebote der Nachfrage anzupassen, oder die Anzahl der Kunden zu steigern. Beides vereinbare sich nicht: „Als öffentliches Unternehmen ist es unsere Aufgabe, in erster Linie die Betriebsergebnisse zu optimieren“, sagte das Vorstandsmitglied und schloss damit das „Maximieren von Fahrgastzahlen“, wie er es nannte, aus. Insgesamt habe Berlin beim ÖPNV einen hohen Grad der Sättigung erreicht, der kaum noch Ausbaupotenziale biete und nur ein Minimieren der Leistungen zur Folge haben könne.

Völlig konträr stehen dazu die erfolgreichen Beispiele anderer Verkehrsverbünde und -unternehmen, die bundesweit ihre Ergebnisse verbessern konnten. Deshalb beobachtet der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, Hans- Werner Franz, die jüngste Entwicklung bei der BVG mit Sorge. Er sieht in dem Reduzieren des Ergänzungsnetzes den Hauptgrund für den signifikanten Rückgang der BVG-Fahrgastzahlen bei Bus und Straßenbahn. Leider, hält Franz fest, habe man auf jegliche Diskussionen bei der BVG nur unerheblichen Einfluss, das gelte auch für die Debatte über die Stilllegung diverser Straßenbahnlinien. VBB-Chef Franz verweist zum Vergleich auf das Metro-Linienkonzept beim Hamburger Verkehrsverbund. Die Hanseaten haben, anders als die Berliner, hauptsächlich ein Zusatzangebot zum Bestehenden geschaffen.

Es gibt aber auch noch einige Verkehrskorridore, die vom Fahrgastaufkommen her „straßenbahnwürdig“ sind. Hier ist trotz oder vielleicht gerade wegen der knappen Mittel ernsthaft zu prüfen, ob nicht eine Investition in Strecken eine Reduzierung der Betriebskosten ermöglicht. Denn eine Umstellung von Bus auf Straßenbahn lässt auch eine Attraktivitätssteigerung des ÖPNV mit zusätzlichen Fahrgastzahlen erwarten. Das letzte Beispiel einer Umstellung von Bus auf Straßenbahnbetrieb im Zuge der Osloer Straße—Seestraße hat der BVG zweistellige Fahrgastzuwächse auf diesem Streckenabschnitt beschert. Beispiele aus anderen deutschen und europäischen Städten bestätigen diesen Trend und lassen dies auch für ausgewählte Strecken in Berlin erwarten. Damit „rechnet“ sich eine Straßenbahnstrecke nicht nur für die BVG, sondern auch für die Stadt.

Thomas Necker in SIGNAL 2/2006

Thomas Necker ist demgegenüber der Ansicht, dass man Hamburg und Berlin nicht miteinander vergleichen kann: Wenn man bei „Null“ anfange, dann werde es selbstverständlich besser und müsse man nicht abbauen, zumal die Hamburger keine Straßenbahn mehr haben und so wertvolle Korridore für den Bus entstünden, der durch die geringen Kosten für die Infrastruktur preiswerter sei.

Den Bus selbst hält Necker in seiner Attraktivität der Straßenbahn gegenüber nicht für unterlegen. Deshalb sei es ökonomisch nicht vertretbar, ein teures Verkehrsmittel wie die Straßenbahn zu erhalten, wenn ein Bus die Aufgabe genauso gut, aber preiswerter erfüllen könne. Der Rückgang von Busfahrgästen bei der BVG sei hauptsächlich witterungsbedingt gewesen. Necker: „Heute ist nicht mehr das Auto unser größter Konkurrent, sondern das Fahrrad. Überall gibt es für das Zweirad eigene Wege und Trassen in Berlin. Sonnenschein und Regen spielen daher heute eine wesentliche Rolle bei der Wahl des Verkehrsmittels.“ Sprich: Das im Zuge des Klimawandels immer trockener und sonniger werdende Berliner Kontinentalklima raubt der BVG dringend benötigte Fahrgäste.

Die Straßenbahn ist ein fester Bestandteil der Berliner Verkehrssysteme und bleibt auch langfristig bestehen.

Thomas Necker in SIGNAL 2/2006

Da ist es nur konsequent, dass Thomas Necker eine kostenlose Fahrradmitnahme, selbst wenn sie auf Tagesrandzeiten und das Wochenende begrenzt würde, ablehnt. Alle Einnahmen seien aus seiner Sicht notwendig und essenziell, um bedarfsgerecht arbeiten zu können. Auch ein Rückgang der Fahrgastzahlen durch schon bald noch teurere Tickets dürfte Thomas Necker keine Sorgen bereiten, solange er seinem Grundsatz treu bleibt: Aufgabe der BVG sei es nicht, die Fahrgastzahlen zu maximieren, sondern das Betriebsergebnis zu optimieren. Zumindest ein Berliner wird ihm hierbei ohne Einschränkung zustimmen: Finanzsenator Thilo Sarrazin, zugleich Vorsitzender des BVG-Aufsichtsrates. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens die Verfasser der neuen Koalitionsvereinbarung für Berlin im ÖPNV nicht nur einen Kostenfaktor sehen, sondern eine verkehrliche, soziale und umweltpolitische Notwendigkeit.

Christian Linow

aus SIGNAL 5/2006 (Oktober/November 2006), Seite 12