Kleine Anfrage

S-Bahn nach Falkensee erneut vertagt

Kleine Anfrage vom 10. Oktober 2006


Heiko Müller (SPD), Mitglied des Landtags Brandenburg

15. Dez 2006

Seit vielen Jahren wird über den S-Bahn-Lückenschluss zwischen Berlin-Spandau und Falkensee diskutiert und verhandelt. Die Bundesregierung macht nun offensichtlich die Finanzierung der notwendigen Infrastruktur von den Ergebnissen eines Wirtschaftlichkeitsgutachtens abhängig. Dieses Gutachten sollte bereits im Jahre 2005 fertig gestellt werden, liegt aber bisher nicht vor. Ich frage die Landesregierung:

Welche Gründe haben dazu geführt, dass das Wirtschaftlichkeitsgutachten zum S-Bahn-Lückenschluss nach Falkensee immer noch nicht vorliegt?

Die in Auftrag gegebene standardisierte Bewertung zur Verlängerung der S-Bahn von Spandau nach Falkensee liegt vor. Negative Auswirkungen in bestimmten Teilbereichen führten jedoch dazu, dass der Bund Vorbehalte geltend gemacht hat und die Finanzierung der Maßnahme in Frage gestellt hat. Um die ermittelten Nachteile durch eine geänderte Linienführung zu verbessern, sollen weitere Varianten begutachtet werden.

Wann ist mit der Fertigstellung des Gutachtens und damit mit der Entscheidung zum S-Bahn-Lückenschluss zu rechnen?

Ein verbindlicher Termin der Fertigstellung der Begutachtung der Varianten kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht genannt werden, da vorab eine Abstimmung mit Berlin erforderlich ist und die Begutachtungszeit von der Komplexität der zu rechnenden Varianten abhängt. Ob nach Fertigstellung des Gutachtens eine abschließende Entscheidung getroffen werden kann, hängt vom anschließenden Diskussionsprozess zwischen Bund und Ländern ab.

Welche Abschnitte der Regionalbahnlinien RB 10 und RB 14 werden derzeit vom Land Brandenburg finanziert, welche Abschnitte vom Land Berlin?

Das Land Brandenburg finanziert den Abschnitt Berlin-Spandau—Berlin-Charlottenburg der Linien RB 10 und RB 14 sowie die territorial in Brandenburg gelegenen Abschnitte. Das Land Berlin finanziert bei der Linie RB 10 nur den Abschnitt zwischen der Landesgrenze (bei Albrechtshof) und Berlin-Spandau. Bei der RB 14 werden die Abschnitte Landesgrenze— Berlin-Spandau, Berlin-Charlottenburg— Landesgrenze (bei Flughafen Schönefeld) sowie das zwischen Flughafen Schönefeld und Königs Wusterhausen ohne Halt durchfahrene Stück auf Berliner Territorium vom Land Berlin finanziert.

Welche Abschnitte der S-Bahn nach Falkensee würden von Brandenburg zu finanzieren sein, welche Abschnitte vom Land Berlin?

Wenn beide Länder nichts anderes vereinbaren, ist von einer territorialen Finanzierung auszugehen.

Frank Szymanski, Minister für Infrastruktur und Raumordnung in Brandenburg

Kommentar der IGEB

Seit über 15 Jahren warten die Spandauer und Falkenseer auf eine Entscheidung zur S-Bahn nach Falkensee. Der Bund hat zwar im Einigungsvertrag 1990 zugesagt, dass er den Wiederaufbau des durch den Mauerbau unterbrochenen S-Bahnnetzes finanziert, aber für Spandau— Falkensee machte er einen Wirtschaftlichkeitsnachweis zur Voraussetzung. Jahrelang wurde diskutiert, verhandelt und untersucht.

Als nun Anfang 2006 endlich die seit langem versprochenen Ergebnisse der „Standardisierten Bewertung“ vorlagen und von den Gutachtern die geforderte Wirtschaftlichkeit der S-Bahn durch einen Nutzen-Kosten- Faktor von 1,6 eindeutig nachgewiesen wurde, schien endlich der Durchbruch für den S-Bahn-Wiederaufbau geschafft zu sein. Doch die Ergebnisse wurden geheim gehalten, zu Zwischenergebnissen herabgestuft und neue Verhandlungen endeten mit einem Moratorium. Auf Deutsch: Abwarten und beobachten, wie sich der Verkehr im Havelland entwickelt.

Das mag eine weise Entscheidung sein, da sich Bund, Brandenburg und Berlin offensichtlich weder einigen können noch einigen wollen. Für die meisten Fahrgäste ist es jedoch die schlechteste aller Lösungen. Die Berliner Fahrgäste sollen nun weiterhin auf attraktiven Schienenverkehr im Westen von Spandau warten und sich für noch lange Zeit mit Bussen begnügen. Die brandenburger Fahrgäste können zwar ihre Regionalzüge direkt in die Berliner Innenstadt behalten, müssen aber im Berufsverkehr froh sein, wenn sie überhaupt noch einen Stehplatz bekommen – Tendenz: Überfüllung zunehmend.

Dieses „Ergebnis“ ist nicht nur für die Fahrgäste im Havelland ein Desaster. Es wird auch Auswirkungen auf den Wiederaufbau der S-Bahn-Strecken nach Rangsdorf und Velten haben, denn auch dort könnte es nun einen „Lagerkampf“ zwischen R-Bahn- und S-Bahn-Befürwortern geben. Aber weil die brandenburgische Landesregierung bei den anderen Lückenschlüssen nicht einmal Untersuchungen plant, müssen sich die Fahrgäste auch nicht gegen möglicherweise ungeliebte Untersuchungsergebnisse wehren.

Einen Gewinner gibt es natürlich doch: das Auto. Schlechter konnte der Streit im Havelland eigentlich nicht enden. Deshalb hält der Berliner Fahrgastverband IGEB eine Fortsetzung der Diskussionen für dringend geboten. Wer dem S-Bahn-Wiederaufbau im Verbund mit einem Mindestangebot an RE- und RB-Zügen keine neue Chance gibt, verbaut die Zukunft des Havellandes.

Heiko Müller (SPD), Mitglied des Landtags Brandenburg

aus SIGNAL 6/2006 (Dezember 2006/Januar 2007), Seite 22