Potsdamer Stammbahn

Ergebnisse eines transparenten Verfahrens - Zur Wirtschaftlichkeit der Wiederinbetriebnahme der Potsdamer Stammbahn

SIGNAL-Redaktion: In SIGNAL 1/2009 veröffentlichten wir eine Analyse und Bewertung der Bürgerinitiative Stammbahn zu der im März 2008 abgeschlossenen Nutzen-Kosten-Untersuchung für die Potsdamer Stammbahn (Siehe Artikel-Link am Ende dieser Seite). Mit Schreiben vom 17. Juni 2008 hatte die Bürgerinitiative, der Aufforderung des Staatssekretärs zur Abgabe schriftlicher Stellungnahmen folgend, an den Minister für Infrastruktur und Raumordnung, Reinhold Dellmann, geschrieben. Zu diesem Artikel sandte uns das Ministerium nachfolgende Stellungnahme zur Veröffentlichung.


Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg

25. Jun 2009

Die Wiederinbetriebnahme der Potsdamer Stammbahn auf dem Korridor Potsdam Hauptbahnhof—Zehlendorf—Potsdamer Platz—Berlin Hauptbahnhof wurde seit langer Zeit kontrovers diskutiert. Sie erfordert einen Neubau der Eisenbahninfrastruktur inklusive Elektrifizierung zwischen dem Bahnhof Griebnitzsee (Land Brandenburg) und dem Abzweig Landwehrkanal (Land Berlin) und somit Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe.

Zum Zwecke einer Verständigung der Länder Berlin und Brandenburg und der DB Netz AG unter Beteiligung des Bundes wurde der Wiederaufbau einer Nutzen-Kosten- Untersuchung unterzogen. Denn es bestand Konsens zwischen den Beteiligten, dass eine Investition in der hier in Frage stehenden Größenordnung nur dann erfolgen kann, wenn im Rahmen eines standardisierten Regelverfahrens die Wirtschaftlichkeit nachgewiesen wird. Da es sich um öffentliche Mittel handelt, gebietet dies schon der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, an den die öffentlichen Verwaltungen gebunden sind.

Im Ergebnis der Untersuchung eines anerkannten Verkehrsplanungsbüros erreicht die Wiederinbetriebnahme der Stammbahn lediglich einen Nutzen–Kosten–Indikator in Höhe von 0,64, was eine erhebliche Unwirtschaftlichkeit zum Ausdruck bringt. Die Untersuchungsergebnisse wurden am 21. April 2008 auf Initiative des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg durch den Gutachter einer breiten interessierten Öffentlichkeit vorgestellt und erläutert. Das Gutachten wurde veröffentlicht. Es wurde darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet, Stellungnahmen abzugeben. Diese wurden im Einvernehmen der Länder Berlin und Brandenburg gewürdigt. Hierzu gehört auch die in SIGNAL 1/2009 abgedruckte Stellungnahme der Bürgerinitiative Stammbahn. Sie stellte nur eine Meinungsäußerung dar. Neben kritischen Beiträgen wurden auch entgegengesetzt zustimmende Stellungnahmen abgegeben.

Den einzelnen Interessengruppen ist jeweils eine mit dem Land Berlin abgestimmte Stellungnahme zugegangen. Im Ergebnis kommt der Gutachter zu dem Schluss, dass auch bei einer kumulativen Berücksichtigung der belastbaren Einwendungen bei weitem kein positives Ergebnis im Rahmen einer standardisierten Bewertung erreicht werden kann.

Zu den Kerneinwendungen wurde wie folgt Stellung genommen:

Prognosedaten

Die für das Land Berlin zu unterstellenden Strukturentwicklungen (Einwohner und Beschäftigte) wurden mit dem Bund und Berlin abgestimmt. Eine 15-prozentige Steigerung der Beschäftigtenzahlen im Bezirk Mitte wurde genauso berücksichtigt wie die vergleichsweise geringen Einwohner- und Beschäftigtenentwicklungen im Bezirk Steglitz- Zehlendorf.

Die in die Untersuchungen eingespeisten Einwohner- und Beschäftigtenzahlen für die Gebietskörperschaften des Landes Brandenburg sind einer Einwohnerprognose des Bundes entnommen. Im Land Brandenburg wurden Entwicklungen zwischen 2005 und 2015 nur in den primär vom Vorhaben betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften Potsdam und Kleinmachnow berücksichtigt. Bei den Kommunen im erweiterten Einzugsbereich der Potsdamer Stammbahn, wie Teltow und Stahnsdorf, wurde von einer Status-quo- Entwicklung ausgegangen. Darüber hinaus wurden die Prognosestrukturdaten sachund regelgerecht auf die Landeshauptstadt Potsdam und die Gemeinde Kleinmachnow als Haupteinzugsgebiet eingegrenzt.

Für den Europarc Dreilinden existierten unterschiedliche Prognosen. Diese liegen in einer Bandbreite von 3000 bis 6000 Beschäftigten bezogen auf den Prognosehorizont 2015. Der Mittelwert von 4500 Beschäftigten im Europarc erscheint realistisch.

Die in den Stellungnahmen dargelegten Prognosen, die einen Einwohnerzuwachs in Kleinmachnow auf über 20 000 erwarten lassen, hätten auf die Ergebnisse der Planungen und Bewertungen nur geringen Einfluss. In der Untersuchung wurde von knapp unter 20 000 Einwohnern ausgegangen.

Auch die übrigen, abweichenden Einschätzungen der Bevölkerungsentwicklung wirken sich nur geringfügig auf das Gesamtergebnis aus.

Linienkonzept – Ohnefall/Mitfallvarianten

Das der Untersuchung zu Grunde liegende Linienkonzept basiert auf einem zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg abgestimmten Betriebskonzept. Abweichend vom Standardverfahren zur Durchführung einer Nutzen-Kosten-Untersuchung wurde der Gutachter zusätzlich beauftragt, eine verkehrliche Voruntersuchung mehrerer Varianten als unabhängiger Sachverständiger durchzuführen. Das verkehrlich beste Ergebnis, ein zusätzliches Angebot im Halbstundentakt auf der Stammbahn in Ergänzung zum RE 1, wurde als Mitfallvariante der Nutzen-Kosten- Untersuchung unterzogen.

Halte in Steglitz und Schöneberg

Die Haltepunkte Berlin-Steglitz und Berlin- Schöneberg wurden in den Mitfallvarianten D 11b und D 11c untersucht. Zum einen sollte eine Verknüpfung zum S-Bahn-Südring, zum anderen die Anbindung an die U-Bahn-Linie 9 geschaffen werden. Es zeigte sich jedoch, dass die verkehrlichen Wirkungen mit einem zusätzlichen Halt in Berlin-Schöneberg (D 11b) geringer sind als in Variante D 11 ohne Halt. In der Variante D 11c mit Halt in Berlin-Steglitz zeigte sich, das sich die verkehrliche Wirkung nicht nur verringert, sondern eine Zunahme des Motorisierten Individualverkehrs festzustellen ist. Die Effekte sind im Gutachten im Einzelnen erläutert.

Auf eine Übertragung dieser Untervarianten auf die Vorzugvariante E1 wurde aufgrund der negativen verkehrlichen Wirkung Abstand genommen.

Linienführung U 5

Eine Verlängerung der U 5 vom Alexanderplatz über den Hauptbahnhof zur Turmstraße entspricht den Zielplanungen des Landes Berlin. Die Verlängerung der U 5 bis Turmstraße ist voraussichtlich bis 2015 nicht fertig gestellt, bleibt jedoch feste Planung des Landes Berlin. Es ist festzustellen, dass sich eine in der Planung bis zur Turmstraße geführte U 5 mit einer schnellen, direkten Verbindung vom Hauptbahnhof nach Moabit positiv auf den Nutzen-Kosten-Indikator auswirkt.

Fahrzeugeinsatz

Der Gutachter wurde beauftragt, einen alternativen Triebwageneinsatz zu prüfen. Er führt aus, dass unter Berücksichtigung des zusätzlichen Reisezeitnutzens der Nutzen-Kosten- Indikator mit 0,7 immer noch deutlich unter dem kritischen Wert von 1,0 läge.

Buslinie 115

Die in die Untersuchung eingebrachte Verlängerung der Buslinie 115 ist aus verkehrlicher und verkehrswirtschaftlicher Sicht fehlerhaft. Der Verzicht auf eine Verlängerung würde das Bewertungsergebnis jedoch nur in der zweiten Kommastelle verändern.

Alternative S-Bahn-Anbindung

Die Zielsetzung der Länder Berlin und Brandenburg, des Bundes und der Bahn war die Untersuchung des Wiederaufbaus der Potsdamer Stammbahn. Eine S-Bahn-Variante war daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

Aktuell laufen Untersuchungen der S-Bahn Berlin GmbH zur Betriebswürdigkeit einer S-Bahn-Verbindung. Die Ergebnisse bleiben abzuwarten.

Fazit

Es ist festzustellen, dass eine Wiederinbetriebnahme der Potsdamer Stammbahn aus gesamtwirtschaftlicher Sicht derzeit nicht zu rechtfertigen ist. Die Länder Berlin und Brandenburg sprechen sich jedoch für eine Freihaltung der Flächen als Option für eine zukünftige Wiederinbetriebnahme der Strecke aus.

Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg

aus SIGNAL 3/2009 (Juli 2009), Seite 16-17