Bremen
Eine außergewöhnliche Herausforderung
25. Jun 2009
Mit einem hohen Maß an Flexibilität, Humor und Gelassenheit bewältigten Fahrgäste und Beschäftigte den ungewohnten Ansturm auf die öffentlichen Verkehrsmittel in Bremen zum 32. Deutschen Evangelischen Kirchentag, der am Himmelfahrtswochenende vom 20. bis 24. Mai 2009 stattfand.
Zum ersten Mal war die Großveranstaltung Kirchentag in Bremen. Zum ersten Mal hatte die Geschäftsstelle des Kirchentages den Versuch unternommen, in der Radfahrerstadt Bremen, zusammen mit dem ADFC, für das
Radfahren bei solch einer Großveranstaltung zu werben. Doch die Hauptlast des Verkehrsaufkommens hatte, wie erwartet, der ÖPNV zu bewältigen.
Rund 100 000 Dauergäste pendelten jeden Tag zwischen ihren Quartieren und den Veranstaltungsorten. Hinzu gesellten sich zahllose Tages- und Spontanbesucher aus der Stadt und der Region an der Weser. So waren es beim „Abend der Begegnung“ bis zu 250 000 Besucher, die die Innenstadt bevölkerten und zu später Stunde fast gleichzeitig nach Hause wollten.
Straßenbahnen und Busse der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) fuhren nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Kirchentagsfahrplan auf den Hauptlinien zur City und zum Hauptbahnhof, in der Regel bis nach Mitternacht im 5-Minuten-Takt oder öfter. Der Tagesbetrieb wurde bis nach Mitternacht ausgeweitet und die Nachtlinien wurden verstärkt. Wo dennoch planmäßige Spätverbindungen verpasst wurden, konnten Kleinbusse eingesetzt werden.
Zwischen den Veranstaltungsorten auf der Bürgerweide/Messe am Hauptbahnhof und der Überseestadt wurde die Buslinie 23, der „Kirchentagsshuttle“, eingerichtet. Anfangs im 5-Minuten-Takt befahren musste der Takt mit kurzfristig herbeigeschafften Gelenkbussen aus dem Umland auf bis zu einer Minute Abstand verdichtet und zusätzlich durch Straßenbahnen der kurzfristig eingerichteten Sonderlinie 3EE zwischen Bürgerweide, City und Überseestadt ergänzt werden. Die Veranstalter hatten, wie auch schon vor zwei Jahren in Köln, unterschätzt, wie viele Kirchentagsteilnehmer im Laufe des Tages zwischen den Veranstaltungsorten hin und her pendeln werden.
Für den Regionalverkehr günstig erwies sich die Wirtschaftskrise. Diverse Fahrplantrassen, die für Containerzüge zu den Seehäfen reserviert sind, blieben dadurch frei und konnten für insgesamt 237 zusätzliche Regionalzüge genutzt werden. Der Takt zwischen Bremen-Vegesack und Bremen Hbf wurde zu den Stoßzeiten auf 15 Minuten verdichtet. Auf allen Strecken verkehrten zusätzliche Regionalzüge. Ein Metronom-Zug blieb über Nacht nicht in Bremen, sondern fuhr als Spätverbindung nach Rotenburg. Ein Regionalexpress aus Hannover wurde als später Verstärkungszug weiter bis nach Oldenburg gefahren.
Bauarbeiten auf der Strecke Verden—Bremen und im Bremer Hauptbahnhof setzten dem Angebot zusätzlicher Züge Grenzen, ebenso die beschränkten Reserven an Fahrzeugen und Fahrpersonal der Eisenbahnverkehrsunternehmen. Für unangenehme Enge in den Regionalzügen nach Verden und Bassum sorgte aber auch, dass die Zahl der Tagespendler entlang dieser Strecken unterschätzt wurde.
Immer wieder musste der Zugang zum Bremer Hauptbahnhof wegen Überfüllung geschlossen werden. Das war ärgerlich auch für jene Reisende, die unabhängig vom Kirchentag ihre Züge erreichen wollten. Zwar waren alle Bistro- und Verkaufstische aus den Gängen entfernt worden, doch der Verbindungstunnel im Hautbahnhof ist einfach zu eng für alle Reisenden einschließlich der Umsteiger zwischen den Bahnsteigen. Zum Kirchentag konnte man auch durch den benachbarten Gustav-Deetjen-Tunnel vom Messegelände zu Straßenbahnen und Bussen gelangen. Doch erreicht man von dort nicht die Bahnsteige der Fern- und Regionalbahnen.
Keine Probleme bereiteten den Kirchentagsbesuchern die etwas komplizierten Tarifstrukturen der Region, denn die Teilnehmerausweise und Tageskarten galten zugleich als Fahrkarte im gesamten Gebiet des Verkehrsverbundes Bremen-Niedersachsen. Bemängelt wurde eher, dass Fahrplaninformationen zu den Zügen und Regionalbussen oft erst sehr kurzfristig zu erhalten und manchmal nicht gerade übersichtlich aufbereitet waren. Zu schaffen machte vor allem das rechnergestützte Fahrgastinformationssystem der BSAG, das aufgrund eines Fertigungsmangels auch beim Kirchentag nicht störungsfrei funktionierte. Gut angenommen wurden die Pfadfinder- Helfer, die mal als Menschenkette, mal mit großen Schildern ausgestattet den ortsunkundigen Besuchern unübersehbar den Weg zu ihren Bahnen und Bussen wiesen.
DBV Nordwestdeutschland
aus SIGNAL 3/2009 (Juli 2009), Seite 22