Hohe Belastung für Mensch und Klima

Die Verlängerung der Stadtautobahn A100 muss verhindert werden


Martin Schlegel, BUND Berlin

1. Mai 2009

Die von Bund und Land Berlin geplante Verlängerung der Stadtautobahn A100 von Neukölln zur neuen Abfahrt „Am Treptower Park“ ist in die entscheidende Phase getreten. Der Berliner Senat hat die Planungen für die mit 430 Millionen Euro wohl teuerste Autobahn Deutschlands ausgelegt. Stadtweit ruft das Projekt Proteste hervor: Die Verlängerung der A100 ist verkehrspolitisch unsinnig und ökologisch bedenklich. Steuermillionen sollen für ein Projekt verbaut werden, das noch aus Zeiten der autogerechten Stadtplanung stammt.

Der hohe Preis für die Autobahn nach Treptow: 1. Mergenthalerring: Verlust von Kleingärten, 2. Beermannstraße: Abriss von 3 Wohnhäusern, 3. Am Treptower Park: Fällung von Platanen, 4. Puschkinallee: Brücke als Barriere und Fällung von Platanen, 5. S-Bhf Treptower Park: Autobahnbrücke vor Bahnhofszugang Kartengrundlage: Stadtplan Berlin 1:20.000 C Tilo Schütz, www.baerleinplan.de / Fotos: Tilo Schütz

Finanziert werden soll der Bau aus dem Budget für den Bundesverkehrswegeplan. Diese Mittel sind leider bisher zweckgebunden. Zeitgemäßer wäre es, die Bundesmittel nicht mehr nur für Autobahnen und Bundesstraßen zu Verfügung zu stellen. So wäre es viel sinnvoller, die für die A100 geplante Summe für die Sanierung bestehender Straßen und U-Bahn-Strecken zu verwenden.

Viele Nachteile für S-Bahn- und Busfahrgäste

Nicht nur aus finanziellen Gründen lehnen viele Menschen den Bau ab, auch die Fahrgäste von S-Bahn und BVG haben gewichtige Gründe: So drohen den S-Bahn-Kunden aufgrund der Unterquerung der Ringbahn beim Autobahnbau 40 Wochenend-Unterbrechungen und eine sechswöchige Sperrung des wichtigen S-Bahn-Rings zwischen Treptower Park und Neukölln. Neben den Beeinträchtigungen, die der Umbau des Ostkreuzes mit sich bringt, würde also ein weiterer Bereich geschaffen, in dem das S-Bahn-Fahren durch Pendelverkehr oder Busse im Ersatzverkehr unterbrochen wird und bedeutend länger dauert.

Aber nicht nur während des Baus würden die Fahrgäste mit Nachteilen rechnen müssen. Nach dem Bau der A100 will die Senatsverkehrsverwaltung auf der Elsenstraße die bisherige Busspur in eine allgemeine Fahrspur umwandeln, um Platz für vier (!) Linksabbiegespuren zu schaffen. Mehrere Buslinien – zurzeit 104, 167, 194 – würden dadurch in den A100-Stau gestellt. Die Beschleunigung dieser Buslinien entfiele ebenso wie der Umsteigeanschluss. Ein neues Haltestellenkonzept der BVG für den Busknoten Treptow liegt bisher nicht vor.

Zusätzlich soll der Verkehrsfluss von der neuen Autobahn über die Elsenstraße in die Stralauer Allee optimiert werden, was für den 104er Bus auf Alt-Stralau „im Stau stehen“ bedeuten würde. Mit langen Wartzeiten an dieser Kreuzung wäre auch auf der Linie 194 im Markgrafendamm zu rechnen.

Mehr Autoverkehr auch auf den meisten Stadtstraßen

Extrem hohe Kosten und viele Nachteile für Fahrgäste und Anwohner wären der Preis für eine geringfügige Verlagerung von Verkehr aus einigen Straßen. Teilweise würde diese Verlagerung sogar durch neu induzierten Verkehr kompensiert oder übertroffen werden, denn wenn die Verbindung von Neukölln nach Treptow für die Autofahrer zukünftig schneller und attraktiver erscheint, werden sich mehr Menschen für das Auto entscheiden als für die S-Bahn auf dem Ring. Der Status quo trägt bisher dazu bei, im Süd-Ost-Bereich der Innenstadt die umweltfreundlichen Verkehrsmittel zu fördern. Das würde sich ändern.

Der Senat glaubt nach eigenem Bekunden, dass ein Teil des Kfz-Durchgangsverkehrs in der Berliner Innenstadt nur durch gezielte Infrastrukturerweiterung abgeleitet werden kann. Die A100 würde aber genau das Gegenteil bewirken: Über die Stadtautobahn und die ausgebaute Stralauer Allee würde der Verkehr direkt in die östliche Innenstadt geführt, anstatt ihn via A113 tangential abzuleiten.

Dass Stadtautobahnen nicht zur Entlastung beitragen, zeigt der bisherige Stadtautobahnring- West: Nahezu auf allen Hauptverkehrsstraßen in der City-West werden die Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid überschritten. Die Situation ist dort auf den innerstädtischen Straßen nicht anders als in Prenzlauer Berg, wo es zum Glück noch keine Autobahn gibt. Die für die Zeit nach dem Bau der A100 prognostizierten Entlastungen von Hermannstraße (-8%), Karl-Marx-Straße (-4%) und Sonnenallee (-2%) wären irrelevant, weil diese geringfügigen Verkehrsabnahmen weder eine merkbare Lärmentlastung bringen noch Chancen zum Straßenumbau eröffnen würden. Anders formuliert: Deutlichte Entlastungen gäbe nur in einigen Straßen mit wenigen Anwohnern, aber dort wo die meisten Menschen betroffen sind, wären die Entlastungen durch den A100-Bau am geringsten!

Flächenhafte Stadtzerstörung

Der Bau der Berliner Stadtautobahn hat stets zur Vernichtung von Gebäuden und Freiflächen geführt und das Umfeld der Trasse dauerhaft geschädigt. Das droht nun ein weiteres Mal. Für die A100-Verlängerung sollen in Neukölln hunderte Kleingärten und in Treptow vier Wohnhäuser mit 200 Wohnungen an der Beermannstraße beseitigt werden. Die übrig bleibenden Anwohner sollen mit sieben Meter hohen Lärmschutzwänden abgeschottet werden. Das beliebte Naherholungsgebiet und Gartendenkmal Treptower Park würde vom Ortskern regelrecht abgeschnitten, denn die Straße Am Treptower Park soll als Autobahnzubringer neunspurig (!) ausgebaut werden – mit erheblichen Problemen an dieser Anschlussstelle. Prognosen erwarten hier bis zu 80 000 Fahrzeuge täglich.

Wie der Stadtautobahnbau die Stadt zerstört hat, sieht man am S-Bahnhof Bundesplatz. Ähnliches droht nun am S-Bahnhof Treptower Park. Foto: Martin Schlegel

Entgegen den Absprachen der Koalitionsparteien kündigt der Berliner Senat auch gleich den 17. Bauabschnitt an: Weiterbau der A100 bis zur Frankfurter Allee. Hierfür müssten die denkmalgeschützte Osthafendirektion abgerissen und Tunnelrampen am Ostkreuztunnel angelegt werden. Der geplanten Aufwertung des Stadtquartiers am Ostkreuz stünde die Autobahn diametral entgegen. Bekannt ist, dass die Einfädelung der Autobahn auf die Frankfurter Allee für die Ampelplaner nicht regelbar ist und somit häufige Staus vorprogrammiert wären. Neben den bedenklichen direkten Auswirkungen würde der Bau der A100 zu höherer CO2-Belastung führen. Das ist mit den Klimaschutzzielen, zu denen sich Berlin bekannt hat, nicht zu vereinbaren.

Autobahnbau kann nicht „kompensiert“ werden

Deshalb versucht der Senat nach eigenen Angaben, den zusätzlichen CO2-Ausstoß durch Maßnahmen im Stadtentwicklungsplan Verkehr zu kompensieren. Doch entsprechende Projekte kommen seit Jahren nicht voran: So wird das Straßenbahnnetz aufgrund des U5- Baus kaum erweitert. Im Gegenteil: Einzelne Strecken werden systematisch sabotiert, z. B. mit der Anlage des „walk of fame“ auf der Straßenbahntrasse in der Potsdamer Straße. Die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung scheitert zum einen an den politischen Widerständen in den meisten Bezirken und zum anderen an der Tatsache, dass so viele Tiefgaragenplätze gebaut wurden, dass eine oberirdische Bewirtschaftung kaum noch greift.

Da sowohl die Umsetzung wie auch die Wirkung der sogenannten „Kompensations- Maßnahmen“ bezweifelt werden müssen, könnten sie auch nicht die Nachteile des A100- Baus rechtfertigen.

Martin Schlegel, BUND Berlin

aus SIGNAL 2/2009 (Mai 2009), Seite 8-9