Berlin

Änderungen bei U5-Planfeststellung: Fragwürdiger Großschildvortrieb Unter den Linden

Wenn am 8. August 2009 die U-Bahn-Linie 55 zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor in Betrieb genommen wird, dann fehlt zur Anbindung an die U 5 „nur“ noch der Abschnitt zwischen Brandenburger Tor und Alexanderplatz. Dieser muss gemäß der Verpflichtung des Landes Berlin gegenüber dem Bund bis spätestens 2020 fertig werden. Umplanungen erforderten nun eine 2. Änderung des Planfeststellungsbeschlusses zum Bau der U-Bahn-Linie 5.


Berliner Fahrgastverband IGEB

1. Mai 2009

Der Kartenausschnitt aus dem Stadtentwicklungsplan Verkehr, Stand 2003, zeigt die geplante Verlängerung der U 5, deren westlicher Abschnitt mit den Stationen Hauptbahnhof (damals noch Lehrter Bahnhof), Bundestag und Brandenburger Tor (bisher Unter den Linden) am 8. August in Betrieb genommen werden soll. Ab 2010 soll dann der U5-Abschnitt Brandenburger Tor—Unter den Linden—Museumsinsel — Berliner Rathaus — Alexanderplatz realisiert werden. Karte: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Abteilung VII

Vom 8. Dezember 2008 bis 21. Januar 2009 bestand die Möglichkeit, die Pläne zur 2. Änderung des Planfeststellungsbeschlusses zum U5-Bau einzusehen. Gegenstand der Planänderungen waren im Wesentlichen die Ausgänge und Aufzüge für den U5/U6-Umsteigebahnhof unter der Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße sowie ein modifiziertes Bauverfahren mit einem Großschildvortrieb. Nicht thematisiert wurden in den ausliegenden Unterlagen merkwürdigerweise die Kosten. Waren bisher für die ca. 2 km lange Strecke 367 Mio Euro veranschlagt worden, so berichtete die Presse nun von einer Kostensteigerung auf 415 Millionen Euro.

Weder planungsrechtlich noch kostenmäßig berücksichtigt wurden die Auswirkungen der veränderten Gestaltung der Bahnhöfe. Abweichend von der bisher verfolgten Strategie der BVG will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nun doch wieder von Architekten großzügig gestaltete Bahnhöfe, was sich sicherlich nicht gerade kostenmindernd auswirken wird.

Der Berliner Fahrgastverband IGEB hat zu den ausgelegten Planfeststellungsunterlagen folgende Stellungnahme abgegeben:

U-Bahnhof Französische Straße auf der U6. Mit dem Bau der U5 soll diese Station durch einen Umsteigebahnhof U5/U6 an der Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße ersetzt werden. Foto: Marc Heller

Unvollständige Unterlagen

Die ausgelegten Unterlagen waren unvollständig. So fehlten z. B. Grundrisspläne des gegenüber der bestehenden Planfeststellung deutlich veränderten neuen Umsteigebahnhofs Unter den Linden. Aus den ausgelegten Unterlagen gingen weder die genaue Lage der veränderten Bahnsteige noch die konkrete Organisation der Zu- und Abgänge und der Verbindungen zwischen den Bahnsteigen von U 5 und U 6 hervor.

Fragwürdiger Großschildvortrieb

Gegenstand der geänderten Planfeststellungsunterlagen war auch die veränderte Bauweise mit einem Großschildvortrieb mit einem Durchmesser von 8,1 m, womit vermutlich deutlich höhere Baukosten entstehen. Außerdem sind höhere Betriebskosten und durch die deutlich tiefere Lage erhebliche Nachteile für aus- und einsteigende bzw. umsteigende Fahrgäste durch die größeren Höhenunterschiede zu erwarten (am Bf. Unter den Linden soll der U5-Bahnsteig 15 m unter der Straßenebene liegen; allein der Höhenunterschied zum U6-Bahnsteig beträgt 9 m!).

Die Begründung für die veränderte Bauweise ist nicht ausreichend. So müssten in den Planfeststellungsunterlagen u. a. die Varianten genau beschrieben, gegenübergestellt und – auch monetär – bewertet werden. Der Großschild mag beim Bau des U-Bahnhofs Museumsinsel Vorteile bieten. Beim Bau des U-Bahnhofs Unter den Linden trifft dies nicht zu, da dieser in offener Bauweise gebaut wird. Daher werden wegen des Vorteils auf einer Bahnsteiglänge (110 m) 1900 m Strecke zu groß aufgefahren.

Der große Schild hat die doppelte Fläche wie der normale Schild. Damit verdoppelt sich z. B. auch das Risiko, auf Findlinge zu stoßen. Ferner wird unnötig umbauter Raum mit enormem Energieaufwand beim Auffahren geschaffen, unnötig viel Beton und Stahl verbaut. Die Baustoffe werden jedoch grundsätzlich (da sehr energieabhängig) wesentlich teurer. Somit bringt die Großschildbauweise enorme Verteuerungen und birgt weitere finanzielle und zeitliche Risiken (z. B. bei Findlingsauftreffen, bei Grundwasserproblemen oder bei Rissbildungen an Gebäuden wie gerade wieder am Brandenburger Tor).

Sofern gegenüber der bestehenden Planfeststellung kein eindeutiger Nachweis erbracht wird, dass die nunmehr vorgesehene Planung erheblich kostengünstiger (Investitions- und Betriebskosten) und mit weniger finanziellen Risiken verbunden ist als die bisher vorgesehene, fordert die IGEB zur Vermeidung der oben beschriebenen Nachteile für die Fahrgäste eine Beibehaltung der bisher vorgesehenen Bauweise mit einem „Normalschild“-Vortrieb.

Fehlende Gleiswechselanlage

Nicht mehr vorgesehen ist die bisher geplante Gleiswechselanlage zwischen den U-Bahnhöfen Brandenburger Tor und Unter den Linden mit der Folge, dass auf dem fast 4 km langen Streckenabschnitt zwischen Berliner Rathaus und Hauptbahnhof kein Gleiswechsel mehr erfolgen kann. Aus Fahrgastsicht ist dies angesichts der leider nicht seltenen Verkehrsunterbrechungen durch Havarien nicht akzeptabel, weil dann der Betrieb auf dem gesamten Streckenabschnitt unterbrochen werden muss und aufgrund der straßenverkehrlichen Situation auf diesem Abschnitt ein Schienenersatzverkehr nur mit großem Aufwand möglich ist. Insbesondere stellt die beschriebene „gleichwertige betriebliche Maßnahme“ (= Ermöglichung von Linksfahrbetrieb) keinen ausreichenden Ersatz dar. Die IGEB fordert daher die Beibehaltung des bisher geplanten Gleiswechsels, damit in Havarienfällen wenigstens auf Teilabschnitten der Betrieb aufrechterhalten werden kann.

Fehlende Fahrtreppen

Aus den schriftlichen Erläuterungen geht hervor, dass am Umsteigebahnhof Unter den Linden Rolltreppen lediglich vom Bahnsteig der U 5 zu den Bahnsteigen der U 6 vorgesehen sind, nicht jedoch von der U6-Ebene zur Straßenebene. Angesichts der hohen zu erwartenden Aus- und Einsteigerzahlen am wichtigsten Bahnhof der geplanten Strecke hält die IGEB dies für unzureichend, zumal die durchgehenden Aufzüge hinsichtlich der sehr begrenzten Leistungsfähigkeit keinen ausreichenden Ersatz bieten. Deshalb ist die Berücksichtigung mindestens von aufwärts laufenden Rolltreppen von der U6- Ebene zur Straßenebene unverzichtbar.

Monatelange U6-Unterbrechung?

Aus dem Erläuterungsbericht geht hervor, dass „zur Beschleunigung und Risikoverringerung die Unterbrechung des Zugverkehrs auf der U 6 zwischen den Bahnhöfen Friedrichstraße und Französische Straße für max. 9 Monate vorgesehen“ ist. Die Planungen der BVG gehen sogar von einer 12-monatigen Sperrung der U 6 aus. Für die täglich ca. 100 000 Fahrgäste der U 6 dürfte diese lange Sperrung mit Reisezeitverlängerungen von bis zu 30 Minuten verbunden sein, da der beschriebene Ersatzverkehr durch die zu erwartenden Staus im Straßenverkehr einen kaum akzeptablen Ersatz darstellen wird, aber andere Ausweichrouten im Schnellbahnnetz wegen der diversen Umsteigezwänge kaum schneller sind.

Diese lange Sperrung ist kaum nachvollziehbar, weil z. B. der Neubau des Umsteigebahnhofs Bismarckstraße auch ohne lange Unterbrechung des Verkehrs der damaligen U-Bahn- Linie 1 bei räumlich vergleichbaren Rahmenbedingungen möglich war. Die IGEB fordert daher eine Organisation der Bauabläufe, die eine lange Unterbrechung des Verkehrs auf der U 6 vermeidet und die notwendige Sperrung des U6-Verkehrs auf ein Minimum begrenzt.

Für die verbleibenden Sperrzeiten sollte durch verkehrsorganisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass die vom Ersatzverkehr durchfahrenen Straßen vom Durchgangsverkehr freigehalten werden und neben dem öffentlichen Verkehr nur dem Anliegerverkehr dienen.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 2/2009 (Mai 2009), Seite 12-13