U55-Eröffnung

Kurz, teuer und berühmt - BVG nahm „Kanzler-U-Bahn“ in Betrieb

Drei Jahre später als geplant erhielt der Berliner Hauptbahnhof am 8. August 2009 mit der Inbetriebnahme der U 55 einen U-Bahn- Anschluss. Der Nutzen für die Fahrgäste ist allerdings gering, da die neue Linie lediglich drei Stationen umfasst und damit Deutschlands kürzeste U-Bahn-Linie ist. Erst mit der Durchbindung zur U 5 am Alexanderplatz, geplant bis 2017, erhält sie einen Verkehrswert...


Berliner Fahrgastverband IGEB

15. Sep 2009

Die acht Fahrzeuge gelangten per Kran durch die Materialeinlassöffnung in den Tunnel, denn einen Gleisanschluss zum U-Bahn-Netz hat die U 55 nicht.
U-Bf. Brandenburger Tor mit Umsteigemöglichkeit zum gleichnamigen S-Bf., zuvor S-Bf. „Unter den Linden“. Nach großem Andrang in den ersten Tagen sind die Fahrgastzahlen der U 55 inzwischen meistens überschaubar.
Eröffnungszug am 8. August vor der Einfahrt in den U-Bahnhof Brandenburger Tor.
Vor der Eröffnung waren Perlschnüre ausgehängt, die die Verbindung der U55 zur U5 andeuteten, aber zum Eröffnungstag waren sie ausgetauscht und zeigten nur noch die 3 Stationen der U55. Fotos: Marc Heller, Florian Müller

Bis zur Durchbindung U5/U55 wird die BVG nun also für voraussichtlich 8 Jahre einen Inselbetrieb ohne Anbindung an das übrige Netz mit seinen Werkstätten aufrecht erhalten müssen – eine technischlogistische Herausforderung. Aber anderenfalls hätte das Land Berlin die vom Bund für den U55-Bau zur Verfügung gestellten Gelder zurückzahlen müssen.

Es gibt wichterere Projekte

Es hätte in Berlin wahrlich wichtigere Projekte gegeben, als den Bau und die Inbetriebnahme der 1,5 km kurzen Stummellinie zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor mit Zwischenstation am Bundestag (nahe Kanzleramt, weshalb immer wieder von der „Kanzler-U-Bahn“ gesprochen wird). So hätten für die 320 Millionen Euro Baukosten der U 55 rund 20 km innerstädtische Straßenbahnneubaustrecken realisiert werden können, wovon sehr viel mehr Fahrgäste profitiert hätten. Obendrein werden nun, um die Stummellinie an die Stammstrecke der U 5 am Alexanderplatz anbinden zu können, am Ende sicherlich weitere 500 Millionen Euro benötigt werden.

Doch die Entscheidungen sind gefallen. Deshalb gilt es nun, die Lücke zwischen U 5 und U 55 zügig zu schließen und dabei die Belastungen der Fahrgäste anderer Linien auf ein absolutes Minimum zu begrenzen. So muss die vorgesehene Unterbrechung der wichtigen Nord-Süd-Linie U 6 durch Straffung der Bauabläufe verkürzt werden und deutlich unter einem Jahr bleiben. Die Buslinien müssen im Umfeld der Baustelle eigene Fahrspuren und an den Kreuzungen Vorrangschaltungen erhalten.

Zwar hat die U 55 durchaus eine gewisse Bedeutung zur Erreichung des Hauptbahnhofs, einerseits durch die Engpässe beim Umsteigen im SBahnhof Friedrichstraße, der mit der U 55 umfahren werden kann, andererseits durch das aktuelle S-Bahn- Chaos mit noch monatelang ausgedünnten Fahrplänen. Doch das U55-Angebot nützt den Fahrgästen, die die Straßenbahn von Prenzlauer Berg kommend oder eine attraktive Nord-Süd-Anbindung zum Hauptbahnhof benötigen, nichts.

Straßenbahnanschluss zum Hauptbahnhof

Deshalb muss der Berliner Senat endlich auf seine Forderung nach durchgängig vier Fahrspuren auf der Invalidenstraße verzichten, damit die Planfeststellung für die Straßenbahn zwischen Nordbahnhof und Hauptbahnhof schnell abgeschlossen werden kann. Und er muss kurzfristig die S 21 als S-Bahn-Verkehr im Fernbahntunnel bestellen, wie sie vom 20. Juli bis 2. August 2009 auf dem Höhepunkt des S-Bahn-Chaos fuhr, anstatt die Fahrgäste auf Verbesserungen frühestens im Jahr 2022 zu vertrösten. Denn erst dann soll der neue Nord-Süd-Tunnel für die „klassische“ Berliner S-Bahn fertiggestellt sein (vgl. Abgeordnetenhaus-Drucksache 16/11213, www.parlament-berlin.de).

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 4/2009 (September 2009), Seite 4