Schienenverkehrswochen 2009
1. Jan 2010
Die Straßenbahner boten den ersten Berliner Fahrgastsprechtag. Am 14. September referierten und diskutierten Klaus-Dietrich Matschke, Direktor des BVG-Unternehmensbereichs Straßenbahn, sein Betriebsleiter Bernd Lohse und Rainer Döge aus dem Planungsteam. Wie auch bei den anderen BVGSprechtagen wurde betont, dass die S-Bahn- Krise kein Grund zur Schadenfreude für den städtischen Verkehrsbetrieb sei. Etwa ein Drittel der S-Bahn-Kunden sei dadurch auch dem übrigen ÖPNV verloren gegangen, und trotz der entsprechend verringerten Einnahmen musste die BVG Mehraufwand für S-Bahn-Ersatz- und Ergänzungsverkehre fahren. Nicht zuletzt hatten in den überfüllten Straßenbahnen auch die Stammkunden unter dem Komfortverlust zu leiden.
Das Thema Komfort in der Straßenbahn bildete dann auch den Hauptkonfliktpunkt in den anschließenden Themendiskussionen. Bekanntlich möchte die BVG weniger von den langen Flexity-Wagen bestellen, als ursprünglich geplant. Die IGEB hat stets die Meinung vertreten, dass ein Ersatz der ca. 39 m langen Tatra-Doppeltraktionen durch nur 31 m lange Niederflurwagen nicht möglich bzw. nicht angemessen ist. Die größere Attraktivität der Flexity-Tram, die stärkere Benutzung durch Kinderwagen und Rollstühle sowie die eventuell kürzeren Fahrzeiten aufgrund der größeren Beschleunigung werden zu einer stärkeren Besetzung der Wagen auf den umgestellten Linien führen. Um dann noch den Komfort gegenüber heute zu steigern, was nötig ist, um wahlfreie Kunden zu gewinnen, sind die 40 m langen Wagen unentbehrlich.
Herr Matschke bot der IGEB einen vertieften Dialog dazu an, denn die von ihm präsentierten Auslastungszahlen auf den meisten der infrage kommenden Linien zeichneten ein ganz anderes Bild der Nachfrage, als es der Straßenbahnfahrgast täglich erlebt. Erfreulich ist, dass zahlreiche Anregungen aus dem Test mit den vier Vorserien-Wagen, auch von Fahrgästen, in die Serienbestellung eingearbeitet werden. Insgesamt soll die Serienlieferung in 68 Punkten besser werden als die Prototypen.
Einig waren sich BVG und IGEB in der Bewertung des in Berlin äußerst mangelhaften Vorrangs für Bus und Bahn. Die im letzten Jahr wieder gesunkene Durchschnittsgeschwindigkeit der Straßenbahn ist angesichts der Millioneninvestitionen in Beschleunigungsmaßnahmen nicht akzeptabel. Offenbar hat die vor einem Jahr angekündigte und mit einem Vertrag besiegelte Zusammenarbeit der Verkehrsbetriebe mit der Verkehrslenkung Berlin, die für die Ampelprogrammierung zuständig ist, noch nicht ausreichend funktioniert. Mittlerweile arbeitet die BVG verstärkt an diesem Problem, Priorität haben der Korridor Seestraße—Osloer Straße, die Linie M 4 und das Köpenicker Netz. Selbstverständlich arbeiten Tram und Bus dabei zusammen.
Dass sich Dienststellen des Landes Berlin nur unzureichend für die Belange des (auch ökologisch) wichtigen Verkehrsmittels Straßenbahn einsetzen, ist ja leider schon länger erlebbar, zum Beispiel beim Thema Neubaustrecken in den Westteil der Stadt. Hier könnte es nun bis April 2010 eine Vorentscheidung geben, denn bis dahin muss die BVG ihre neuen Fahrzeuge für die Linie M 4 verbindlich bestellt haben. Eine klare Aussage zu einem ersten Bauabschnitt bis zum Potsdamer Platz/Kulturforum muss dann vorliegen.
Ein anderes Thema, dass die BVG nur in Zusammenarbeit mit den Landes- und Bezirksbehörden lösen kann, ist die schlechte Zugänglichkeit der Straßenbahn an vielen Haltestellen in Straßenmitte. Hier wurde nach Jahren des Stillstands die in vielen anderen Städten schon lange bewährte Lösung der Kaphaltestelle auch für Berlin entdeckt. Direktor Matschke versprach, dass noch 2009 die Bauarbeiten auf der Wendenschloßstraße (Linie 62) an mehreren Haltestellen beginnen. Weitere Kaps sind für die Linie 12 auf Stahlheimer Straße und Pappelallee, auf der Neubaustrecke in Adlershof sowie auf der Konrad-Wolf-Straße (Linie M 5) in Planung.
Schließlich musste auch noch auf die größte Baustelle im Jahr 2010 hingewiesen werden, die mehrere Monate für eine Unterbrechung am Bahnhof Pankow sorgen wird. In dieser Zeit sollen die drei Nordstrecken als Inselnetz betrieben werden.
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 5/2009 (Dezember 2009), Seite 14