Schlichtungsstelle Mobilität
„SIGNAL-Leserinnen und -Leser sehen an den regelmäßig vorgestellten Fallbeschreibungen, wie vielfältig die auftretenden Probleme sein können.“ Nach diesem Satz folgte dann in jedem Heft ein Beispiel aus der Arbeit der Schlichtungsstelle Mobilität beim VCD. Das ist nun leider vorbei. Die Probleme gibt es weiterhin, aber die Schlichtungsstelle musste ihre Arbeit beenden, weil die Finanzierung aus Bundesmitteln eingestellt wurde. Ob eine neue, von den Verkehrsunternehmen getragene Schlichtungsstelle eine vergleichbare Arbeit leisten kann, bleibt abzuwarten.
10. Jan 2010
Am 1. Oktober 2004 trat die Kundencharta der Deutschen Bahn AG (DB AG) in Kraft, in der unter anderem die Unterstützung einer neutralen, verkehrsträgerübergreifenden Schlichtungsstelle für den Fernverkehr zugesagt wird. Auch die damalige Bundesregierung war bestrebt, die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken und sah Nachholbedarf im öffentlichen Verkehr. So wurde die Schlichtungsstelle Mobilität ins Leben gerufen, die unparteiisch, unbürokratisch und verkehrsträgerübergreifend immer dann eine außergerichtliche Schlichtung herbeiführen sollte, wenn es zwischen Verkehrsunternehmen und Kunden bei Problemen mit einer Fernverkehrsreise zu keiner Einigung kam.
Das Bundesministerium für Verbraucherschutz (BMELV) übernahm die Finanzierung für das Pilotprojekt „Schlichtungsstelle Mobilität“. Dem ökologischen Verkehrsclub Deutschland e. V. wurde die Trägerschaft anvertraut, da er mit seinem verkehrsträgerübergreifenden Ansatz und langjährigem Engagement für die Rechte der Fahrgäste die Voraussetzungen dafür mitbringt.
Ab dem 1. Dezember 2004 leistete die Schlichtungsstelle Mobilität beim VCD Hilfestellung für Reisende bei Problemen bei Reisen mit Bahn, Flugzeug, Fähre und Bus. Das Projekt wurde 2007 um weitere zwei Jahre verlängert und endete am 30. November 2009.
Über 13 000 Beschwerden konnten vom 1. Dezember 2004 bis Ende August 2009 durch Beratung und außergerichtliche Schlichtungsverfahren
geklärt werden. 7320 betrafen den Flugverkehr, circa 4600 den Bahnverkehr, die restlichen Beschwerden Bus- und Pauschalreisen.
In 2700 Fällen wurde ein Schlichtungsverfahren eröffnet. 2200 Fälle konnten gar nicht bearbeitet werden, weil einige Fluggesellschaften sich weigerten, an der außergerichtlichen Schlichtung teilzunehmen. Allen anderen Beschwerdeführern wurde durch Informations-, Beratungs- und Vermittlungsverfahren geholfen.
Die Schlichtungsstelle Mobilität kooperierte mit 83 Flug-, 14 Bahn- und zwei Busunternehmen. Die Zusammenarbeit mit der DB AG und anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen war gut. So konnten beispielsweise mit der DB AG in über 80 Prozent der Schlichtungsfälle Einigungen erzielt werden. Anders im Flugverkehr. Hier liegt die Quote der angenommen Schlichtungsvorschläge unter 50 Prozent. Erschwerend kam hinzu, dass einige Flugunternehmen, u. a. alle deutschen, die Zusammenarbeit mit der Schlichtungsstelle verweigerten.
Die Arbeit der Schlichtungsstelle war in mehrfacher Hinsicht von Nutzen. In erster Linie profitierten die Beschwerdeführern von der außergerichtlichen Schlichtung. Sie nutzten gerne dieses niedrigschwellige, unbürokratische und kostenlose Angebot. In zweiter Linie waren die Unternehmen Nutznießer der Schlichtungsstelle. Durch die gütliche Einigung mit ihren Fahr- bzw. Fluggästen verbesserten sie ihre Kundenbindung und ihr Image. Außerdem wurden durch die Arbeit der Schlichtungsstelle Mobilität die Gerichte und damit die Volkswirtschaft entlastet.
Im Anschluss an die öffentliche Anschubfinanzierung durch das BMELV sollten die profitierenden Verkehrsunternehmen die Kosten der außergerichtlichen Schlichtung übernehmen. Da sie auf freiwilliger Basis dazu nicht bereit waren, haben Umweltund Verbraucherverbände dafür gekämpft, dass ein entsprechender Passus in das seit 29. Juli 2009 geltende Fahrgastrechtegesetz aufgenommen wurde.
Bisher haben sich 9 Bahnunternehmen, 4 davon von der DB AG, zu einem Trägerverein zusammengeschlossen, der nun seit dem 1. 12.2009 eine neue Schlichtungsstelle für den öffentlichen Verkehr betreibt. Ob diese tatsächlich verkehrsträgerübergreifend arbeiten wird, wie angekündigt, bleibt abzuwarten. Bisher ist kein einziges Flugunternehmen bereit, an der Schlichtung mitzuwirken, geschweige denn, sie zu finanzieren. Fraglich ist auch, ob die neue Stelle das ganze Spektrum der Bahnbeschwerden bearbeiten wird, so wie es die Schlichtungsstelle Mobilität getan hat.
Heidi Tischmann, Projektleiterin Schlichtungsstelle Mobilität und Referentin beim Verkehrsclub Deutschland (VCD)
aus SIGNAL 5/2009 (Dezember 2009), Seite 8