Schienenverkehrswochen 2009

Im Umbruch: Beim Regionalzugverkehr in Berlin und Brandenburg wird es ab 2011 viele Veränderungen geben


Jens Fleischmann

1. Jan 2010

Regionalexpress in der Verbindungsschleife bei Großbeeren. Über diesen langen eingleisigen Abschnitt müssen alle Züge vom/zum Berliner Außenring auf die Anhalter Bahn Richtung Berlin fahren. Foto: Florian Müller
Die Regionalexpress-Züge, die beim S-Bahn-Chaos als S-Bahn-Ergänzungsverkehr zwischen Potsdam Hbf und Berlin Ostbahnhof eingesetzt wurden, hielten auch in Berlin-Charlottenburg. Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2012 werden alle RE-Linien auf der Stadtbahn hier zusätzlich halten. Damit hat sich das Land Berlin nach vielen Jahren gegen Brandenburg, VBB und DB Regio durchgesetzt. Foto: Marc Heller

Am 17. September 2009 fand der diesjährige Fahrgastsprechtag Regionalverkehr im Rahmen der 26. Schienenverkehrs-Wochen statt. Etwa 80 Teilnehmer folgten der Einladung des Berliner Fahrgastverbands IGEB. Den Fahrgästen standen Rede und Antwort: Arlen Kreße von der Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft (ODEG), zuständig für das Marketing, Sven Rohder, Betriebsplaner der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB), Uwe Bögge, Leiter Nordost der DB Station&Service sowie Holger Prestin, DB Regio Nordost Öffentlichkeitsarbeit, und Renado Kropp, DB Regio Nordost Leiter Angebotsplanung.

Ausschreibungen

Bereits im Jahr 2007 wurde die Strecke Leipzig— Falkenberg/Elster—Calau—Cottbus mit jährlich 1,3 Millionen Zugkilometern auf den Linien RE 10 und RB 43 ausgeschrieben. Gewonnen hat DB Regio Nordost, die den Betrieb von der Schwester DB Regio Südost zum 14. Dezember 2009 für die nächsten 13 Jahre übernehmen wird. Vorgesehen sind ein neues Fahrplankonzept mit verkürzten Reisezeiten sowie der Einsatz neuer Fahrzeuge vom Typ E-Talent 2 Baureihe (BR) 442. Dies sind elektrische zwei- bzw. viereilige Triebwagen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h.

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Da sich die Auslieferung der neuen Triebwagen verzögert, werden zunächst die bekannten Lok-Wagenzüge weiterhin verkehren, aber mit einer neuen, leistungsstärkeren Lok der BR 182. Mit ihrer höheren Beschleunigung können kleine Verspätungen besser ausgeglichen werden. Wegen Bauarbeiten im Knoten Leipzig (City-Tunnel) enden die Züge von März bis September 2010 in Leipzig Messe mit Umsteigeanschluss nach Leipzig Hbf.

2009 folgte die bisher größte Ausschreibung in Deutschland: das „Netz Stadtbahn“. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) schrieb Leistungen über 23 Millionen Zugkilometer mit einem Auftragsvolumen von insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro, verteilt auf vier Lose, aus. Dabei wurde erstmals eine Loslimitierung angewandt, die den gleichzeitigen Gewinn der beiden größten Lose 1 und 2 ausschloss. An der Ausschreibung haben sich lediglich die DB Regio Nordost und die ODEG beteiligt, die dementsprechend beide den Zuschlag erhielten. Los 1 (Linien RE 1, RE 11, RB 13, RB 20, RB 21, RB 22 und RB 23) und Los 3 (RE 7, RE 9, RB 14 und RB 24) mit insgesamt 15,8 Millionen Zugkilometern gingen an DB Regio, Los 2 (RE 2, RE 4, RB 33, RB 51) und Los 4 (RB 35) mit insgesamt 7,2 Millionen Zugkilometern gingen an die ODEG. (siehe SIGNAL 4/2009)

Durch die Ausschreibung sparen die Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern etwa 55 Millionen Euro pro Jahr, Berlin alleine rund 5 Millionen Euro jährlich.

Die Inbetriebnahme der ausgeschriebenen Strecken erfolgt in mehreren Schritten beginnend mit den Regionalbahnlinien im Fahrplan 2012 (also ab Mitte Dezember 2011). Die Regionalexpresslinien folgen zum Fahrplan 2013. Die Linie RB 24, ein Teil der heutigen Linie OE 60, geht erst zum Fahrplanwechsel 2015 in Betrieb. Bereits zum 2. November 2011 wird der Flughafenexpress RE 9 zwischen Berlin Hauptbahnhof (tief) und dem neuen Flughafenbahnhof unter dem Terminal in Schönefeld seinen Betrieb aufnehmen, vorausgesetzt der neue Großflughafen Berlin-Brandenburg International wird planmäßig eröffnet. Der RE 9 wird alle 30 Minuten mit neuen E-Talenten verkehren und unterwegs nur Potsdamer Platz und Südkreuz halten. Im Wagen sollen aktuelle Infos zum Flugplan angezeigt werden. Aufgrund der innerhalb Berlins noch fehlenden Fernverkehrsgleise auf der Dresdener Bahn wird er über die Anhalter Bahn und die eingleisige Verbindungskurve zum Berliner Außenring an der Genshagener Heide geführt. Denselben Weg nutzen derzeit auch die Regionalexpresslinie RE 3 und die Fernzüge nach Dresden. Diese von vielen als Nadelöhr betrachtete Verbindungskurve lässt acht Fahrten in der Stunde zu – und zwar insgesamt für beide Richtungen. Sieben Fahrten werden es künftig sein.

Die DB hat den Auftrag, den RE 9 ohne Fahrpreiszuschlag so lange zu betreiben, bis die Dresdener Bahn fertig ist. Dann soll der RE 9 erneut und „auf eigenwirtschaftlicher Grundlage“ vergeben werden, im Viertelstundentakt und wahrscheinlich mit einem Zuschlagtarif.

Die Verdichtung des RE1-Abschnitts zwischen Potsdam Hbf und Berlin Friedrichstraße auf einen 15-Minuten-Takt wird allein vom Land Brandenburg finanziert. RB 21 und RB 22 werden von 6 bis 18 Uhr von Potsdam Hbf über Griebnitzsee nach Friedrichstraße verlängert und ergeben so mit dem halbstündlichen RE 1 einen Viertelstundentakt. Betrieblich kann es für die DB sinnvoll sein, die bis Friedrichstaße bestellten Züge bis Ostbahnhof weiterzuführen. Der genaue Endpunkt wird noch geprüft.

Die RB 22 soll regelmäßig in Golm die Fahrtrichtung ändern. Ein Halt an den ehemaligen Bahnhöfen Potsdam Pirschheide (oben) und Berholz (oben) ist nicht vorgesehen.

Die ODEG wird auf ihren gewonnenen Linien 16 neue Doppelstocktriebzüge (RE 2 und RE 4) bzw. 6 ebenfalls neue Dieseltriebwagen (RB 33, RB 35 und RB 51) einsetzen. Auch die DB Regio setzt neue Fahrzeuge ein: drei- und fünfteilige Talent. Auf der Regionalexpresslinie RE 1 werden fünf modernisierte RE-160-Doppelstockwagen mit der Lokbaureihe 182 verkehren. Die BR 182 gehört bisher der Güterverkehrssparte der DB und besitzt eine höhere Anfahrtsbeschleunigung als die bisher eingesetzten Loks der BR 112/114.

Als nächste Ausschreibung folgen Ende 2009 das Paket „Nordwest-Brandenburg“ (RE 6, RB 55, RB 73, RB 74) und im Jahr 2010 das „Nord-Süd-Netz“ (RE 3 und RE 5)

Bauarbeiten 2010

Im Jahr 2010 finden mehrere große Baumaßnahmen statt, davon zwei verbunden mit Vollsperrungen. So wird für ca. 1 Jahr der Verkehr auf der Görlitzer Bahn zwischen Königs Wusterhausen und Lübbenau (RE 2 und RB 14) eingestellt, um den Streckenabschnitt für 160 km/h ausbauen zu können. Als Ersatz verkehren mehrere SEV-Buslinien, davon eine als Schnellverkehr zwischen Cottbus und Königs Wusterhausen im 2-Stunden-Takt ohne Zwischenhalt. Um eine Stunde versetzt zu diesem Schnellbus wird zwischen Berlin Hauptbahnhof und Cottbus eine Ersatzzuglinie „RE2-Umleiter“ verkehren, die durch den Tiergartentunnel, die Dresdener Bahn und Calau geführt wird mit einer Fahrzeit von 1 Stunde und 43 Minuten. So bleibt Cottbus stündlich an die Region Berlin angebunden.

Ebenfalls voll gesperrt wird die Strecke zwischen Hennigsdorf und Hohen Neuendorf West (RB 20) für ein halbes Jahr. Als Ersatz wird ein Schienenersatzverkehr eingerichtet.

Zwischen Grunewald und Fischerhüttenweg in Berlin wird eine Brückensanierung vorbereitet, wofür ein Gleis gesperrt werden muss. Betroffen von der dann herrschenden Eingleisigkeit sind die Linien RE 1 und vor allem RE 7. Die Nordbahn als Bestandteil der Ausbaustrecke Berlin—Rostock wird in den Abschnitten Löwenberg—Nassenheide und Gransee—Seilershof (RE 5, RB 12 und RB 54) weiter saniert, ebenso die Dresdener Bahn zwischen Hohenleipisch und Elsterwerda (RE 3), hier stundenweise ebenfalls mit Schienenersatzverkehr.

Konjunkturprogramme – Modernisierung Bahnhöfe

Zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft hat der Bund mehrere Konjunkturprogramme gestartet, die bis 2011 laufen und von denen auch die Fahrgäste des Schienenpersonennah- und -fernverkehr profitieren sollen. So hat die Deutsche Bahn drei Maßnahmepakete geschnürt, die zahlreiche Verbesserungen an den Bahnhöfen im gesamten Bundesgebiet bringen. Die Pakete beinhalten

Für die Region Berlin-Brandenburg bedeutet dies zum Beispiel neue dynamische Fahrgastinformationssysteme für die Bahnhöfe Berlin Ostbahnhof, Alexanderplatz und Friedrichstraße sowie dynamische Anzeiger an kleineren Bahnhöfen mit Echtzeitanzeigern. Gerade letzteres ist mehr als notwendig, sind kleine Bahnhöfe doch oft unbesetzt und ohne jegliche Ansage zur Fahrgastinformation.

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Auch die NEB hat an ihren Bahnhöfen entlang der Heidekrautbahn (mit Ausnahme Klandorf und Lottschesee) dynamische Fahrgastinformationssysteme (DFI) aufgebaut und befindet sich mit diesen gerade in der Testphase.

Des Weiteren vorgesehen sind der Ausbau des S-Bahnhofs Wildau zum Kreuzungsbahnhof inklusive Verschiebung des Bahnsteigs über den Tunnel im Jahr 2011 und der Bau eines neuen S-Bahnhofs Waßmannsdorf an der S-Bahn-Verlängerung zum neuen Flughafenbahnhof unter dem Terminal in Schönefeld. Letzterer ist im Rohbau fertig und wird zur Eröffnung des neuen Großflughafens Berlin- Brandenburg International (BBI genannt) im Jahr 2011 planmäßig fertig gestellt.

Im Zusammenhang mit dem Neubau des Bahnhofs Ostkreuz wird auch der S-Bahnhof Warschauer Straße zwischen 2011 und 2014 umgebaut. Anstelle des ehemaligen Bahnhofsgebäudes wird eine Zugangsplattform mit Verkaufsständen entstehen. Eine geplante Verschiebung des U-Bahnhofs näher zu den S-Bahnsteigen ist damit weiterhin möglich.

An der Ausbaustrecke Berlin—Rostock werden bis 2013 nahezu alle Bahnsteige im Land Brandenburg neugebaut. Auch in Prenzlau wird der Bahnhof bis zur Landesgartenschau (LAGA) 2013 grundhaft erneuert. Ebenso erhalten noch dieses Jahr die NEB-Bahnhöfe Wensickendorf und Zühlsdorf neue Bahnsteige und DFI, nachdem das Land Brandenburg eine Bestellgarantie für die nächsten 10 Jahre gegeben hat.

Aus Mitteln des Konjunkturprogramms werden derzeit Fahrtreppen auf Bahnhöfen erneuert, z. B. Alexanderplatz. Damit verbinden ist die Hoffnung, dass die neuen Fahrtreppen weniger störanfällig sind als die alten.

Weiteres

Die EU-Verordnung 1370/2007 ermöglicht bei Ausschreibungen und Anbieterwechsel künftig eine vereinfachte Personalübernahme zwischen den beteiligten Eisenbahnverkehrsunternehmen. Bei der beendeten Ausschreibung „Netz Stadtbahn“ findet sie allerdings noch keine Anwendung, so dass die 150 Mitarbeiter der DB Regio Nordost, die durch den teilweisen Verlust von Strecken überzählig werden, in den internen Bahnstellenpool überführt werden. Gleichwohl sperrt sich die ODEG nicht, DB-Regio-Mitarbeiter zu übernehmen, braucht sie doch durch den Gewinn der Strecken 150 Mitarbeiter mehr.

Die NEB hat noch immer keine dauerhafte Genehmigung für die Fahrten ins polnische Kostrzyn (Küstrin). Diese hofft sie mit dem derzeitigen Einbau von Anlagen für den polnischen Zugfunk zu erhalten. Das wäre auch ein Schritt, die seitens des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg und der Wojewodschaft Lubuskie (Lebuser Land) geplante Durchbindung dreier Zugpaare nach Gorzów Wielkopolski (Landsberg) zu realisieren.

Der neue Regionalbahnhof Berlin-Köpenick ist bestellt und soll während der Zeit des bereits laufenden Ostkreuz-Umbaus entstehen. Einen genauen Termin gibt es jedoch noch nicht. Fest steht aber, dass mit dessen Inbetriebnahme der Regionalbahnhof Berlin- Karlshorst geschlossen wird. Am neuen Bahnhof wird die Regionalexpresslinie RE 1 halten.

Alle Regionalzüge auf der Stadtbahn sollen künftig auch in Charlottenburg und Ostkreuz halten, zusätzlich zu den derzeit bedienten Regionalbahnhöfen.

Die kurze Verlängerung vom Bahnhof Bad Saarow-Pieskow zum neuen Halt an der Helios- Klinik (OE 35) soll spätestens zum Dezember 2011 in Betrieb gehen. Eine Bestellung seitens des Landes Brandenburg liegt vor.

Auch wenn die Strecke Berlin—Prenzlau oberbaumäßig für 160 km/h ausgebaut wird, lassen die Zugsicherungsanlagen bis zu deren Umbau nur eine Geschwindigkeit von 120 km/h zu.

Zur geplanten Durchbindung der Heidekrautbahn nach Gesundbrunnen läuft derzeit eine Nutzen-Kosten-Analyse, bei der mehrere Konzepte, unter anderem die Wiederinbetriebnahme der alten Strecke über Wilhelmsruh, untersucht werden.

Auf dem RE 1 mit umgebauten Wagen sollen deutlich mehr Sitzplätze als bisher untergebracht werden. In einem 5-Wagen-Zug sollen dann 609 Sitzplätze sein, 67 mehr als bisher. Damit entfallen die beliebten 4er- Sitzgruppen und die Sitze stehen enger. Lange Menschen haben damit kaum noch eine bequeme Sitzmöglichkeit.

Grafiken: DB Regio

Erklärungen zu den Liniennetzen rechts

2012: DB-Betriebsaufnahme gemäß Ausschreibung ab Mitte Dez. 2011

Ab 2. November 2011 (Eröffnung Flughafen BBI) soll der Flughafenexpress RE 9 zwischen Berlin Hauptbahnhof (tief) und dem neuen Flughafenbahnhof BBI den Betrieb aufnehmen. Er wird alle 30 Minuten mit neuen E-Talenten verkehren. Die BBI-Ostanbindung wird mit Sicherheit noch nicht zur Verfügung stehen.

Im Dezember 2011 gehen weitere Linien mit E-Talenten in Betrieb:

2013: DB-Betriebsaufnahme gemäß Ausschreibung ab Mitte Dez. 2012

Der RE 1 fährt mit modernisierten RE160-Wagen (5 Wagen plus Lok). Zusätzlich werden drei Zugpaare bis nach Cottbus als zusätzliche „Durchläufer“ verlängert, RE 7 (5-teiliger Talent, ggf. verstärkt mit 3-teiligem Talent in HVZ), vertaktet mit RB 14 zum Halbstundentakt. Mit RE 9 entsprechend versetzt entsteht ein angenäherter Viertelstundentakt Berlin Hbf—BBI bzw. Bahnhof Schönefeld alt.

2015: DB-Betriebsaufnahme gemäß Ausschreibung ab Mitte Dez. 2014

Wenn die BBI-Ostanbindung in Betrieb geht, fahren RE 7 und RB 14 zum neuen BBI-Bahnhof. Der alte Bahnhof Flughafen Schönefeld ist damit regionalverkehrsfrei und wird nur noch von der S-Bahn bedient.

Die RB 24 fährt in Teil-Betrieb bis Lichtenberg (5-teiliger Talent), die ODEG-Linie OE 60 wird damit nach Eberswalde zurückgezogen.

2016: DB-Betriebsaufnahme gemäß Ausschreibung ab Mitte Dez. 2015

Sobald die Dresdener Bahn fertig ist, soll der RE 9 Flughafenexpress mit neuer Vergabe eigenwirtschaftlich zum Flughafen verkehren. RE 7 wird nach Senftenberg umgeklappt (ohne BBI), RB 14 wird zurückgezogen bis Friedrichstraße, RB 22 wird verlängert bis Königs Wusterhausen und RB 24 wird über Ostkreuz und BBI nach Wünsdorf verlängert.

Die Termine, die sich auf die Fertigstellung von Strecken beziehen, sind derzeit geplante Termine und können sich verschieben. Dementsprechend wird die Linienführung angepasst.

Jens Fleischmann

aus SIGNAL 5/2009 (Dezember 2009), Seite 22-25