Planung u. Bauten
Am 4. Oktober 1989 kam die Schildvortriebsmaschine, die in Reinickendorf die Tunnelröhre für Gleis 1 der künftigen U-Bahn-Strecke zwischen den Bahnhöfen Rathaus Reinickendorf und Karl-Bonhoeffer-Klinik „bohrte”, pünktlich an ihrem Zielort Oranienburger Straße (neben der Klinik) an. Die Bauzeit für diese rund 1,08 km lange Röhre betrug seit der Tunneltaufe am 5. Dezember 1988 damit zehn Monate.
10. Okt 1989
Der vorangegangene Tunnelbau für Gleis 2 dieses Streckenabschnitts, der im April 1986 begonnen hatte, wurde nach Verzögerungen mit einer Verspätung von 19 Montane am 19. Juli 1988 im Zielschacht Bahnhof Karl-Bonhoeffer- Klinik beendet.
Die beteiligten Baufirmen und die Bauverwaltung haben damit erfolgreich aus den Schwierigkeiten, die sich bei der ersten Tunnelröhre ergaben, Konsequenzen gezogen. Denn wieder mußten u.a. der Nordgraben, das Gelände einer Polizeiinspektion, ein mit Wohnhäusern bebauter Bereich sowie das Gelände der Karl-Bonhoeffer-Klinik selbst "unterfahren" werden. Dabei wühlte sich der Schild bis in einer Tiefe von 16,4m unter der Bodenoberkante durch Formationen aus Geschiebemergel mit Sand-, Ton- und Kieseinlagerungen, mit vielen kleinen und großen Granitsteinen bis hin zu Findlingen.
Für die zweite Tunnelröhre wurde deshalb ein völlig neuer Hydroschild gebaut. Außerdem gab es zusätzliche Maßnahmen, z.B. senkrechte Bohrungen neben der Trasse zur Verbindung der einzelnen geologischen Schichten untereinander. Der Schild, der neu entwickelte Abbauvorrichtungen hatte, einschließlich eines hydraulisch betriebenen Steinbrechers, erreichte im Drei-Schicht- Betrieb eine Geschwindigkeit bis zu 16,5 m pro 24 Stunden. Es gab keine nennenswerten Schwierigkeiten, Stillstände oder Unfälle mehr.
Nun erfolgt die Demontage des Schildes selbst. Restliche Rohbauarbeiten sollen innerhalb eines Jahres erledigt werden. Parallel dazu beginnt der Ausbau. Die Rohbaukosten für die Schildvortriebsstrecke (beide Tunnelröhren) betragen rund 120 Mio. DM.
Bausenator Wolfgang Nagel erklärte anläßlich des erfolgreichen Durchstichs, daß nunmehr die nächste Teileröffnung der U-Bahn-Verlängerung in das Märkische Viertel gesichert ist. Mit Beginn des BVG-Sommerfahrplans 1993 werden die Züge der Linie 8 über den bisherigen Endpunkt Paracelsusbad (seit 1. Mai 1987) bis zum vorläufigen Endpunkt Rathaus Reinickendorf fahren. Die Weiterführung der U-Bahn bis zum bisher bestimmten Endpunkt am Wilhelmsruher Damm (mit Umsteigemöglichkeit zur S-Bahn-Linie 2) könnte dann mit Beginn des Winterfahrplans 1994 erfolgen. (LPD, 4.10.1989)
IGEB-Kommentar:
Angesichts der jüngsten Entwicklungen
werde der U-Bahn-Bau über Wittenau
(Nordbahn) hinaus ins Märkische Viertel
jetzt wohl hinter Maßnahmen zur SBahn-
Wiederinbetriebnahme zurückstehen
müssen, erklärte Verkehrssenator
Wagner (SPD) am 4. Dezember.
Doch es besteht wenig Hoffnung, daß
diese vernünftige Erklärung schon das
letzte Wort war. Wie sehr das Thema
U8-Nord-Verlängerung die Gemüter
bewegt, zeigt das Auftauchen in gleich
vier Artikeln dieses SIGNAL-Heftes.
Verbissen kämpfen die Reinickendorfer
Politiker aller Parteien um "ihre"
U-Bahn. Wer im Bezirk über Alternativen
nachdenkt, ist ein Verräter.
Dabei waren die Befürworter der U8 fast schon am Ziel. Am 14. November sollte sich die SPD-Fraktion des Abgeornetenhauses auf Wunsch von Bausenator Wolfgang Nagel verbindlich entscheiden, obwohl das standardisierte Bewertungsverfahren für die U8-Verlängerung erst Ende dieses Jahres abgeschlossen werden kann. Doch die Maueröffnung ermöglichte dann die Zurückstellung einer vorschnellen Entscheidung. Daraufhin drehte der Reinickendorfer Bezirksbürgermeister Detlef Dzembritzki (SPD) die Argumentation um und erklärte, die U-Bahn-Verlängerung sei "aktueller denn je". Daß er dabei allerdings in Wahrheit gar nicht den grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Rosenthal in Berlin (Ost) und dem Märkischen Viertel in Berlin (West) im Blick hatte, zeigt sein Beharren auf einer Verlängerung nicht nur bis zum Märkischen Zentrum, sondern bis zum Senftenberger Ring. Dieser Endbahnhof schließt jede Verlängerung nach Osten aus und wird deshalb von allen vernünftigen Planern und Politikern spätestens seit dem 9. November 1989 als "gestorben" bewertet. Dies sollten endlich auch die Reinickendorfer Lokalpolitiker einsehen.
Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen
aus SIGNAL 10/1989 (Dezember 1989), Seite 12