Berlin
Immer wieder geraten Baumaßnahmen der BVG in die Kritik – nicht wegen der Bauarbeiten an sich, sondern wegen schlechter Organisation und mangelhafter Fahrgastinformation. Zu Recht, wie dieser Fall zeigt.
5. Mär 2010
Grundsätzlich sind Baumaßnahmen im Schienennetz der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zu begrüßen – sichern sie doch den Erhalt der Strecken und sorgen auch noch an der einen oder anderen Stelle für wichtige Verbesserungen. Ganz ohne Einschränkungen für die Fahrgäste geht das natürlich nicht. Was jedoch den Kunden der Linien 12, M 1 und M 6 ab dem 12. Oktober 2009 über Wochen geboten wurde, ist alles andere als verständniswürdig. Wenigstens könnte man aus den Fehlern lernen.
Hier der Streckenverlauf: Die Straßenbahn 12 fuhr zwischen Pasedagplatz und Am Steinberg und gewährte in der Langhansstraße Übergang zum SEV-Bus 12, der das Zielschild U Schwartzkopffstr erhalten hatte, was verwunderlich ist, denn diese U-Bahn- Station liegt gar nicht an der 12. Aber der Bus hatte eine eigenartige Streckenführung erhalten. So wendete er nach Einfahrt in die Wisbyer Straße, um dann in die Dunckerstraße einzubiegen. Da es sich hier um eine enge Wohngebietsstraße mit vielen Parkplätzen handelt, hat man für den SEV-Bus provisorische Kap-Haltestellen angelegt, was positiv anzumerken ist. Anstatt den Bus dann über Raumerstraße und Gneiststraße zum U-Bf Eberswalder Straße zu führen, hat man sich für die im Dauerstau befindliche und von Baustellen geprägte Danziger Straße entschieden.
In der Kastanienallee fuhr der SEV-Bus dann als 1, 01 oder M1 (je nach Bordrechner) und ohne Ansage des Linienwechsels parallel zur Straßenbahnlinie M1. Das führte dazu, dass dort zwei M1-Linien existierten, einmal der Bus nach Schwartzkopffstraße, der den Streckenverlauf der M1 übernahm, und dann die Straßenbahnlinie M1 zum Kupfergraben, die aber dem Streckenverlauf der 12 folgte. Erst am Zionskirchplatz änderte sich deren Liniennummer in 12.
Da der zumindest planmäßig alle 15/20 Minuten verkehrende SEV-Bus der 12 in der Oranienburger Straße zwei Metro-Tramlinien (M1, M6) ersetzen musste, hatte die BVG eine Verstärkerlinie eingerichtet, die ebenfalls als M1 zwischen Schwartzkopffstraße und Zionskirchplatz (dem Platz, nicht der Tram-Haltestelle) verkehren sollte – in der ersten Woche jedoch überhaupt nicht gefahren ist. In der zweiten Woche sind dann die Hälfte aller Fahrten ausgefallen, was jedoch niemandem aufgefallen sein sollte, da dessen Abfahrtszeiten auf keinem Haltestellenaushang zu finden waren.
Die ganze Prozedur war schon für Fachleute schwer zu verstehen, der Großteil der Fahrgäste wird wohl völlig verwirrt gewesen sein und die ersten Tage mehrfach im falschen Bus/Zug gesessen haben. Dabei hätte es einfachere Lösungen gegeben. Beispielsweise hätte man die Straßenbahnlinie 12 wahlweise über die Prenzlauer Allee und Danziger Straße zum U-Bahnhof Eberswalder Straße (Wendeschleife am Jahn-Sportpark) umleiten können, oder über Wisbyer Straße, Bornholmer Straße zur Björnsonstraße. In beiden Fällen hätte eine direkte Umsteigemöglichkeit zur M1 bestanden, die ja den Streckenabschnitt der 12 im südwestlichen Teil übernommen hatte und der SEV hätte sich auf eine Kiez-Rundlinie für die Pappelallee und den M1-Bus beschränkt.
Noch besser wäre eine Bedienung der M1 von Pankow bis zum Hackeschen Markt und der Linie 12 vom Kupfergraben bis zu einer provisorischen Endstelle am U-Bf Eberswalder Straße als Straßenbahn gewesen, da im Mittelabschnitt des Ersatzverkehrs nicht gebaut wurde und der Bus einen stauanfälligen Umweg über Veteranenstraße und Brunnenstraße fahren musste. Diese Variante hätte zwei Vorteile geboten: Für die „Transitfahrgäste“ durch die Pappelallee hätte es erstens nur einen Umsteigevorgang gegeben und zweitens keinen SEV.
Aber selbst der angewendete Ersatzverkehr hätte besser organisiert werden können. Das größte Manko stellte die Fahrgastinformation dar. Hier hat sich die BVG nicht einmal an ihr eigenes Konzept gehalten. Zusätzlich wurden Linienwechselpunkte an den falschen Stellen gesetzt. Auch mit kleinen Änderungen an der Streckenführung des SEV hätte sich dieser stabiler gestalten lassen, beispielsweise wenn man ihm die asphaltierten Tram-Trassen mitbenutzen ließe.
Auch die zweite Baustufe, in der die 12 dann zwischen Langhansstraße und Am Kupfergaben vollständig als SEV verkehrte und die M1 über Hackescher Markt zur Schwartzkopffstraße umgeleitet wurde, bot ausreichend Kritikpunkte.
Da es in der jüngsten Vergangenheit bereits mehrfach Beanstandungen bei Streckenführung und Fahrgastinformation bei Bauarbeiten gab, fordert der Berliner Fahrgastverband IGEB die BVG auf, die Fahrgäste an der Planung solch großer Baumaßnahmen frühzeitig zu beteiligen sowie eigene Qualitätsstandards der Fahrgastinformation nicht zu unterschreiten, diese jedoch auf jede Baumaßnahme individuell abzustimmen. (hm)
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 1/2010 (März 2010), Seite 17-18