Fernverkehr

Nachtverbindung Berlin—Warschau eingestellt

Fahrgäste nach Kaliningrad auf dem Abstellgleis


IGEB Fernverkehr

5. Mär 2010

Der „Stanislaw Moniuszko“ in Krzyż beim Rangieren der Kurswagen. Foto: Florian Müller

Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2009 wurde der täglich verkehrende Nachtzug 448/449 Berlin—Warszawa (Warschau) „Stanisław Moniuszko“ mit seinen direkten Kurswagenverbindungen nach Kraków (Krakau) und in die Dreistadt Gdańsk/Sopot/ Gdynia (Danzig/Zoppot/Gdingen) sowie nach Kaliningrad (Königsberg/Preußen) ersatzlos eingestellt. Der Hauptzuglauf berührte auch die wichtige Handels- und Messestadt Bydgoszcz (Bromberg) und die UNESCO-Welterbestadt Toruń (Thorn).

Der erst im Dezember 2008 gestartete Zug über die alte europäische Fernverkehrsmagistrale der Ostbahn stellte eine interessante Verbindung zwischen den Hauptstädten an der Spree und an der Weichsel dar. Reisende konnten den Zug in den Abendstunden besteigen (Berlin-Gesundbrunnen ab 20.48 Uhr und Warszawa Wschodnia ab 21.18 Uhr), um dann im „Nachtsprung“ ihr Ziel am nächsten Morgen ausgeruht zu erreichen (Warszawa Wschodnia an 8.27 Uhr und Berlin-Gesundbrunnen ebenfalls an 8.27 Uhr). Die Führung des Zuges über die Ostbahn ermöglichte zudem der nördlichen Region der Wojewodschaft Lubuskie mit dem Bahnknoten Kostrzyn und dem wichtigen Zentrum Gorzów Wielkopolski einen attraktiven Anschluss an die polnische Hauptstadt sowie mit den Kurswagen eine gute Verbindung zur Ostseeküste bzw. in die Stadt Kraków, dem politischen und kulturellen Zentrum Kleinpolens.

Aus für den Kurswagen Kaliningrad-Berlin. Durch die Fahrplanlage ist Kaliningrad nun von Berlin aus per Bahn nur mit Umsteigen um 3Uhr nachts zu erreichen. Foto: Florian Müller

Das Ende des Nachtzuges kam überraschend. So wurde noch Anfang Oktober 2009 von PKP Intercity verkündet, den Zug von Berlin Zoologischer Garten über die modernisierte Hauptstrecke Frankfurt (Oder)— Poznań nach Warschau zu führen. Eine Entscheidung, die aufgrund der hohen Trassenpreise für diese Strecke sicherlich kontraproduktiv war. Für Nachtzugreisende spielt Geschwindigkeit eine untergeordnete Rolle, solange sie ihr Ziel am frühen Vormittag erreichen, um an Konferenzen teilzunehmen oder zu touristischen Aktivitäten zu starten. Gerade aufgrund der angespannten Wirtschaftssituation darf die Preissensibilität von Reisenden nicht unterschätzt werden.

Am 21. Oktober informierte die PKP Intercity AG dann äußerst kurzfristig ihre Geschäftspartner DB-Autozug und die russische Staatsbahn RZD über die bevorstehende Einstellung des Zuges mitsamt den Kurswagenverbindungen zum Fahrplanwechsel im Dezember 2009. Pikant an dieser Entscheidung: Der Entschluss zur Einstellung erfolgte laut Information der PKP aus ökonomischen Gründen. Die PKP bemängelte, dass sie die Kosten des internationalen Nachtzuges für den deutschen Streckenabschnitt in kompletter

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Höhe tragen muss. Doch war der mit unter 100 Kilometern relativ kurze deutsche Streckenabschnitt wirklich so entscheidend für die Wirtschaftlichkeit des kompletten Zuglaufs?

Ein anderes Problem, welches zum Ende des „Moniuszko“ mit beigetragen haben dürfte, waren sicherlich die Fahrgastzahlen. „Doch was kann man von einem erst vor einem Jahr eingeführten und nicht beworbenen Zugangebot überhaupt erwarten?“, hinterfragt die Stadtpräsidentin von Gorzów Wielkopolski, Frau Urszula Stolarska kritisch. Im Gegensatz zur PKP sieht sie den Auslastungsgrad von rund 60 Prozent ohne jegliche Marketingmaßnahmen als Beweis für den Erfolg und das Potenzial des Zuges. Deshalb fordert sie dessen Wiedereinführung über die Ostbahn und mahnt gleichzeitig einen attraktiven Tarif an. Der Kritik an der Einstellung des Nachtzuges schlossen sich auch die Bürgermeister aus Kostrzyn nad Odrą, Witnica, Santok, Drezdenko und aus Krzyż Wielkopolski an.

Das durch die Gorzówer Stadtpräsidentin angesprochene Problem der fehlenden Werbung wurde auch bei der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH erkannt. So nahm diese bereits im vergangenen Sommer Kontakt mit PKP Intercity auf mit dem Ziel, sich an den Kosten für eine Vermarktung des Nachtzuges zu beteiligen. Doch leider wurde das Angebot dort ignoriert.

Bild aus besseren Zeiten. Nach dem Eintreffen des ersten Zuges am 14. Dezember 2008 in Berlin-Lichtenberg präsentieren sich stolz (vlnr.) Bartlomiej Buczek (PKP Intercity S.A., Direktor der Region Nord), Urszula Stolarska (Stadtpräsidentin von Gorzów Wielkopolski) Karl-Heinz Boßan (IGOB-EWIV, Geschäftsführer) und Andrzej Chojecki (PKP PLK S.A. in Gorzów Wielkopolski, Direktor) vor dem Zug. Foto: tpb

Zu einem Skandal hat sich mit der plötzlichen Einstellung des Nachtzuges die Verbindung ins russische Kaliningrad entwickelt. Wer aus Berlin die Pregelmetropole oder das Kaliningrader Gebiet besuchen will, ist seit dem Dezember-Fahrplanwechsel gezwungen, in Poznań und Tczew umzusteigen. Besonders die mehr als 7-stündige (!) Aufenthaltszeit mitten in der Nacht in Poznań ist eine Frechheit gegenüber den Fahrgästen. Doch wer sich als hartgesottener Eisenbahnfreund über diese Verbindung auf den Weg macht, kann sich nicht sicher sein, dass er sein Ziel am nächsten Tag erreicht. Der Hintergrund: Zwar kann man in den DBReisezentren eine durchgehende Fahrkarte Berlin—Kaliningrad erwerben, jedoch ist es in Deutschland bisher nicht möglich, eine Platzbuchung für den reservierungspflichtigen D 7 Tczew—Kaliningrad zu bekommen. Dies geht nur vor Ort. Und wenn der Zug dann ausgebucht sein sollte, bleibt den Reisenden nur noch die Möglichkeit, ihr Glück am nächsten Tag zu versuchen.

Nachdem PKP Intercity mit der kurzfristigen Streichung des Nachtzuges „Stanislaw Moniuszko“ und speziell der Kurswagenverbindung nach Kaliningrad sowohl im eigenen Land wie auch im Verkehr von Deutschland zur russischen Enklave Kaliningrad großen Ärger bei Fahrgästen und Politikern angerichtet hatte, bemühte man sich um einen halbherzigen Ausgleich. Zum 6. Januar 2010 wurde ein Schnellzug von Kostrzyn über Gorzów Wielkopolski, Krzyż und Poznań nach Warszawa eingerichtet. Doch kann dieser nur an sechs Tagen in der Woche verkehrende Zug überhaupt ein Ersatz für die bisherige Nachtverbindung sein? Der Berliner Fahrgastverband IGEB schließt dies aus. Die Abfahrtszeit (Kostrzyn ab 3.47 Uhr, Gorzów Wlkp. ab 4.36 Uhr) und auch die Ankunftszeit in Kostrzyn um 22.28 Uhr sind unattraktiv, da Fahrgäste aus Deutschland so keine Möglichkeit haben, diesen Zug überhaupt zu nutzen. Und auch für die polnischen Reisenden ist die sehr frühe Abfahrtszeit unattraktiv.

Auch der Geschäftsführer der Europäischen Interessengemeinschaft Eisenbahn Berlin—Gorzów (IGOB-EWIV), Karl-Heinz Boßan, lehnt den Ersatzzug ab und fordert schnell konstruktive Gespräche zwischen den beteiligten Bahnen sowie eine Einbindung der von der Einstellung betroffenen größeren Gebietskörperschaften mit dem Ziel, den Zug schnellstmöglich wieder aufs richtige Gleis zu setzen. (fdl)

IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 1/2010 (März 2010), Seite 8-9