Schienenverkehrswochen 2009

Sprechtag für BVG-Busfahrgäste

Ein Nachtrag zu den Schienenverkehrs-Wochen 2009


IGEB Stadtverkehr

6. Mär 2010

Blockierte Busspur in der Hardenbergstraße. Durch die Anordnung in Seitenlage werden die Busspuren regelmäßig als Ladespuren missbraucht. Abhilfe brächte eine Verlagerung auf die zweite Spur, wie beim Kurfürstendamm erfolgreich praktiziert. Foto: Marc Heller

Mit dem Sprechtag für die BVG-Busfahrgäste wurden die Berliner Veranstaltungen der 26. Deutschen Schienenverkehrs-Wochen am 1. Oktober 2009 abgeschlossen (siehe Berichte in SIGNAL 5/2009). Auch zu diesem Sprechtag kamen mehr Besucher als in den Vorjahren. Offensichtlich hatte das Chaos bei der Berliner S-Bahn allgemein das Interesse am öffentlichen Nahverkehr in Berlin gesteigert.

Im Omnibus-Betriebshof Müllerstraße stellten sich ein weiteres Mal Johannes Müller, BVG-Direktor Omnibus, und Helmut Grätz, Abteilungsleiter Betriebsmanagement, den Fragen der Busfahrgäste. Moderiert wurde die Veranstaltung vom IGEBAbteilungsleiter Artur Frenzel. Ein von der BVG angebotener Imbiss wurde dankbar angenommen und sorgte für angenehme Atmosphäre.

Im Einführungsvortrag berichtete Herr Müller über die Auswirkungen der S-Bahn- Krise auf den BVG-Busverkehr. Es gab spürbaren Fahrgastzuwachs, weshalb die BVG, soweit möglich, auf den Metrolinien und ausgewählten Stadtlinien, z. B. TXL und 167, das Fahrplanangebot verdichtete.

Busbeschleunigung weiterhin mangelhaft

Breiten Raum nahm das Thema Busbeschleunigung ein – ein jährlich wiederkehrendes und bis heute nicht zufriedenstellend gelöstes Dauerthema. Als Fahrgast nimmt man den Busverkehr nach wie vor als langsam und als zeitlich unzuverlässig wahr.

Grund sind zum einen nicht regelmäßig nutzbare Busspuren. Viele sind ständig zugeparkt, andere durch Mitnutzung anderer Verkehrsteilnehmer überbelegt. Auch die erhebliche Zunahme des Fahrradverkehrs spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Polizei und Ordnungsämter sind, außer bei einzelnen Schwerpunktaktionen, offensichtlich nicht in der Lage, die verbotswidrige Nutzung der Busspuren durch nichtberechtigte Verkehrsteilnehmer zu unterbinden. Abhilfe würde in vielen Fällen eine Verlegung der Busspuren in die Straßenmitte (Modell Straßenbahn) oder auf den zweiten Fahrsteifen (Modell Ku‘damm) schaffen. Derartige bauliche Veränderungen benötigen aber Zeit, Geld und vor allem den politischen Willen, den ÖPNV wirklich beschleunigen zu wollen. Genau daran fehlt es aber spätestens dann, wenn nachteilige Auswirkungen auf den Autoverkehr befürchtet werden – und seien sie auch noch so gering.

Der zweite Grund für nur langsam vorankommende Busse ist die nur sehr zögerlich umgesetzte Qualitätssicherungsvereinbarung zwischen dem Senat von Berlin und der BVG. Ziel der Vereinbarung ist die Beeinflussung von Ampeln (LSA) durch den fahrenden Bus, um diesen dadurch zu beschleunigen. Bei 662 LSA soll das bereits der Fall sein, für das laufende Jahr sind weitere 100 Anlagen in Planung. Zielvorstellung sind 1200 bis 1300 beeinflussbare LSA bis zum Jahr 2015. Das hört sich gut an, hat aber den Haken, dass längst nicht alle Anlagen auch funktionieren. So wird manchmal durch die zuständige Verkehrsbehörde nach einer vorübergehenden Abschaltung der Anlage (z. B. wegen Bauarbeiten oder Großveranstaltungen) „vergessen“, diese wieder in Betrieb zu nehmen. Nicht nutzbare Sondersignale zur Haltestellenausfahrt durch blockierende Falschfahrer (z. B. Haupt-/Dominicusstraße durch Rechtsabbieger auf der Busspur) und die zurzeit überproportional hohe Anzahl von Baustellen im Berliner Straßennetz tun das Übrige, den Busfahrplan instabil zu machen.

Neuer Eindecker

Des Weiteren stellte Herr Müller den neuen 12-Meter Eindecker „Low-Entry-Bus“ vor. Im Gegensatz zu den bisherigen Neubeschaffungen weicht man hier (endlich) von der teuren 100-Prozent-Niederflurtechnologie ab. Der Wagen weist hinter der Mitteltür einen durch zwei Stufen ansteigenden Wagenboden aus mit dem Vorteil, dort ausschließlich in Fahrtrichtung zeigende Sitze anbieten zu können, während der Bereich von vorn bis zur Fahrzeugmitte, inklusive beider Einstiegstüren, weiterhin niederflurig ist und mobilitätseingeschränkten Personen einen bequemen Ein- und Ausstieg bietet. In diesen Bussen kann der Motor liegend im Fahrzeugheck (wie früher immer üblich) angebracht werden. Betriebs- und Anschaffungskosten werden dadurch günstiger. Als erster Fahrzeugtyp der BVG erhalten die Wagen ein neues Fahrgastinformationssystem im inneren des Wagens über TFT-Bildschirme, mit denen neben der aktuellen Haltestelle auch eine Anzeige nachfolgender Haltestellen möglich ist, ähnlich wie in Potsdam. Eine Koppelung mit dem Daisy-System, um Informationen über Anschlussbeziehungen und Fahrzeiten geben zu können, ist geplant, zurzeit allerdings noch nicht verfügbar.

Ein Überblick über Veränderungen zum Fahrplanwechsel im Dezember 2009 rundeten den Vortrag ab. Beispielsweise werden sonnabends die Taktzeiten einiger Linien den veränderten Einkaufszeiten angepasst. So behalten die Linien X83 und 186 den 10-Minuten Takt eine Stunde länger bei. Außerdem wird auf allen Berliner Buslinien ein barrierefreier Betrieb angeboten. Einzige Ausnahme ist und bleibt die Ausflugs-Linie 218, auf der weiterhin teilweise historische Busse verkehren (siehe auch SIGNAL-Artikel zum Fahrplanwechsel auf Seite 21).

Fahrgäste nutzten Gelegenheit zum Fragen

Im zweiten Teil des Abends bestand wieder die Möglichkeit, Fragen zu stellen, wovon die Fahrgäste reichlich Gebrauch machten. Ein Auszug aus dem vielfältigen Fragenkatalog:

Wird die derzeit genutzte gemeinsame Trasse Bus/Tram am S-Bahnhof Hohenschönhausen beibehalten?

Der Bus-Bereich möchte das sehr gerne. Es gibt jedoch Widerstände aus dem Betriebsteil Tram, der Behinderungen der Züge befürchtet. Maßgeblich ist letztlich die Senatsverkehrsverwaltung.

Warum sind die Busfahrpläne so schlecht auf Anschlussbeziehungen zu den RE-Linien abgestimmt?

Anschlussbeziehungen werden in erster Linie auf den S-Bahn-Fahrplan abgestimmt, weil die Fahrten des Regionalverkehrs zu selten sind, um dem Busverkehr als Taktgrundlage zu dienen.

Kann die BVG nicht generell flexibler fahrplantechnisch reagieren, um erkannte Mängel in Umsteigebeziehungen schneller zu entschärfen?

Man versucht dieses ständig, z. B. bei kurzfristigen Anpassungen beim S-Bahn-Chaos. Allerdings sind Änderungen im Dienstplan generell mitbestimmungspflichtig. Das muss drei Wochen vor den Änderungen erfolgen und ist daher oft nicht kurzfristig möglich.

Warum kam es in kurzer Frist zu drei Bränden in BVG-Bussen?

Nur zwei der Ereignisse waren Fahrzeugbrände. Im dritten Fall kam es lediglich zu starker Rauchentwicklung in einem Doppelstock Bus der Reihe DN95, der durch einen Fehler am Turbolader verursacht wurde. Eine Brandentwicklung blieb in diesem Fall aber aus. In den anderen Fällen waren Busse vom Typ Citaro einer bestimmten Unterbaureihe betroffen. In einem Fall war eine Kompressorleitung dicht, es kam zu einer Entzündung im Motorraum durch austretenden extrem heißen Funkenflug. Der dritte Fall ist bislang nicht eindeutig geklärt, man geht von einer Entzündung im Bereich der Auspuffanlage aus. Alle Fehler wurden behoben und werden als nicht wiederholbare Einzelfälle diagnostiziert. Die Wartung wurde in keinem Falle vernachlässigt.

An einem Fallbeispiel wird unkorrektes Verhalten von BVG-Personal gegenüber Rollstuhlfahrern gerügt. Erhält das Fahrpersonal keine entsprechenden Schulungen?

Die BVG ist dabei, entsprechende Schulungen durchzuführen. Es gibt Weiterbildungskurse mit praxisnahen Rollenspielen für Fahrdienstmitarbeiter. Eine Teilnahme an solchen Schulungsmaßnahmen ist künftig Teil der Standardausbildung.

Warum ist es in Bussen mal zu heiß oder auch mal viel zu kalt? Kann jeder Busfahrer die Klimaanlage nach eigenem Ermessen temperieren?

Bei allen laufenden und künftigen Neuanschaffungen ist die Klimaanlage auf drei Grad unter der bestehenden Außentemperatur fest programmiert. Der Fahrer hat nur die Möglichkeit, die Anlage entweder einoder auszuschalten.

Erfrischend waren sowohl die durch Sachkunde geprägten Fragen aus dem Publikum als auch die gleichermaßen kompetenten Antworten der Herren Müller und Graetz. Zum Dank für den interessanten Abend und geprägt von der Hoffnung, dass wenigstens das eine oder andere Ärgernis zeitnah beseitigt wird, ging der Abend mit Beifall für die Gastgeber zu Ende. (kju)

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 1/2010 (März 2010), Seite 18-19