Berlin

Chaotische Zustände im Busverkehr -
BVG steht der Berliner S-Bahn kaum noch nach

Seit Monaten schon fallen bei der BVG in erheblichem Umfang auf vielen Buslinien Fahrten aus. Die Werkstattkapazitäten reichen nicht aus, die neuen Doppeldeckerbusse haben Achsprobleme und weisen Rostschäden auf, so dass sie teilweise außer Betrieb gesetzt wurden. Ende Oktober sind aus Sicherheitsgründen auch noch weitere 40 Citaro- Busse stillgelegt worden, weil es in letzter Zeit mehrere Brände bei diesem Bustyp gab. Im Ergebnis fehlen täglich weit über 100 Busse, und die Fahrgäste bekommen dies durch drastisch verlängerte Wartezeiten und völlig überfüllte Busse heftig zu spüren.


Berliner Fahrgastverband IGEB

1. Jan 2011

Busknoten Bahnhof Zoo. Immer häufiger steigen die Fahrgäste an allen Türen ein und verhindern damit noch größere Verspätungen. Der Zwang zum Vorneeinstieg muss von der BVG endlich abgeschafft werden. Foto: Marc Heller

Das Phänomen systematisch ausfallender Busse aufgrund von Missmanagement ist bei der BVG nichts Neues. Mal fehlten Fahrer (2000 und Ende 2007/Anfang 2008), mal fehlten Fahrzeuge (2001 bis 2003 und seit Mitte 2010) – die Gründe wechselten, aber noch nie waren die Auswirkungen so heftig und so langanhaltend wie jetzt.

Seit Sommer 2010 schon kommt es durch die stillgelegten Doppeldecker zu Ausfällen oder im günstigeren Fall zum Einsatz kleinerer Busse. Seitdem im Oktober jedoch die brandanfälligen Citaros mit stehendem Motor für eine gründliche Überprüfung stillgelegt worden sind, hat sich die Lage für die Fahrgäste nochmals verschärft. An „Spitzentagen“ fehlen über 200 Busse. Die Benutzung der BVG-Buslinien ist für die Fahrgäste seitdem kaum noch kalkulierbar und Fahrgäste mit Rollstühlen und Kinderwagen haben auf einigen Linien zu bestimmten Zeiten keine Chance, befördert zu werden.

Ausfälle durch Fahrzeugmangel

Selbst auf Linien, die nur im 20-Minuten- Takt verkehren, fallen regelmäßig Busse aus, so dass Fahrplanlücken von 40 Minuten entstehen. Die Wartezeiten sind für die Fahrgäste häufig aber noch länger, weil die übervollen Busse mit großen Verspätungen und sehr unregelmäßig verkehren und Fahrgäste stehen gelassen werden. Auf einigen stark frequentierten Linien fallen immer wieder mehrere Fahrten hintereinander aus, während zu anderen Zeiten der fahrplanmäßige 5-Minuten-Takt angeboten wird. Und schließlich fahren auf vielen Linien statt Doppeldeckern nur kleine 12-m-Eindecker, so dass heilloses Gedränge in den Fahrzeugen herrscht und die Fahrzeiten nicht eingehalten werden können.

Bus vom Typ Citaro. Nach inzwischen acht Bränden hatte die BVG die Fahrzeuge mit stehendem Motor für gründliche Untersuchungen aus dem Verkehr gezogen. Foto: Marc Heller

Obwohl die Statistiker der BVG sofort ausgerechnet haben, dass die BVG noch immer 98 Prozent der bestellten Verkehrsleistungen erbringe und eine durchschnittliche Pünktlichkeit von 85 Prozent erreicht wird, helfen diese Rechenkünste den wartenden Fahrgästen nicht weiter.

Fehlende Fahrgastinformation

Unabhängig von den Ursachen der Misere wäre so manchem Fahrgast schon geholfen, wenn er von der BVG wenigstens darüber informiert werden würde, auf welchen Linien er mit Ausfällen zu rechnen hat. So mancher Fahrgäste würde sich dann, statt vergeblich 20 Minuten oder länger auf einen Bus zu warten, der dann gar nicht oder völlig überfüllt ankommt, andere Fahrtrouten suchen oder gleich zu Fuß zum nächsten Bahnhof laufen. Aber durch Nichtinformationen, Vertuschen und Runterspielen der Problematik verärgert die BVG seit Wochen die Fahrgäste umso mehr, und so mancher durch das S-Bahn-Entschuldigungspaket frisch gewonnene Neufahrgast hat der BVG schon längst wieder den Rücken zugekehrt.

Erst nachdem der Berliner Fahrgastverband IGEB wiederholt auf diese Problematik und die gravierenden Auswirkungen für die Fahrgäste aufmerksam gemacht hat, kam etwas Bewegung in die Angelegenheit. Die BVG bemüht sich seitdem um die Anmietung von Bussen anderer Unternehmen. Überwiegend aus dem Berliner Umland wurden 25 Busse (zum Teil mit Fahrer) gemietet, weitere 20 sollen noch folgen. Diese stopfen nun seit Ende November einige Löcher, aber dennoch fehlen täglich etwa 50 Busse.

Bus 100 erst in 19 Minuten, dabei verkehrt die Buslinie 100 tagsüber eigentlich alle 5 Minuten. Verspätungen und Ausfälle sind im BVG-Busverkehr inzwischen leider der Regelfall. Foto: Marc Heller

Aber was ärgerlich und nicht akzeptabel bleibt, ist die Tatsache, dass die BVG ihre Fahrgäste noch immer nicht über die ausfallenden Fahrten informiert. Die neue BVGVorstandsvorsitzende Sigrid Nikutta verteidigte in einer Pressekonferenz Mitte November diese Informationsstrategie mit dem „rollierenden Verfahren“, wonach der Ausfall von Bussen nicht planbar sei und täglich andere Linien und Fahrten betroffen seien. Die Fahrgäste – und dies beweisen Hunderte von eingegangenen Kummerkarten bei der IGEB allein in den letzten Wochen – erleben dies ganz anders. Es sind immer wieder dieselben Linien und Fahrten, die ausfallen.

BVG-Entschuldigungspaket ist überfällig

Da diese Probleme laut Aussage der BVG noch bis zum Frühjahr 2011 andauern werden, ist es umso dringender, dass das vom Berliner Fahrgastverband IGEB aufgestellte 4-Punkte-Programm konsequent umgesetzt wird, um die Auswirkungen für die Fahrgäste in Grenzen zu halten und zukünftig solchen Probleme zu vermeiden.

  1. Die BVG muss endlich einen „Notfahrplan“ erstellen und diesen den Fahrgästen auch mitteilen. Nur ein vorher informierter Fahrgast kann sich bei den entsprechenden Buslinien auf verlängerte Reisezeiten einrichten bzw. kann versuchen, diese Linien zu umfahren.
  2. Die BVG muss die Bemühungen intensivieren, kurzfristig von privaten und von den Unternehmen im Umland noch weitere Busse anzumieten.
  3. Die BVG muss für die seit Monaten gebeutelten Busfahrgäste nach dem Vorbild der Berliner S-Bahn über eine adäquate Entschuldigungsregelung nachdenken.
  4. Die BVG muss langfristig wieder eine ausreichende Personal- und Fahrzeugreserve bei Bussen, Straßenbahn- und U-Bahn- Zügen vorhalten.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 6/2010 (Dezember 2010/Januar 2011), Seite 13