Aktuell

Fernbahnhalte am Bahnhof Zoo und mehr

Breite Themenpalette im Spitzengespräch zwischen DB und DBV


Deutscher Bahnkunden-Verband

1. Dez 2011

Noch fahren alle ICE ohne Halt durch den Fernbahnhof Zoo. Die DB will nun prüfen lassen, ob diese Züge nun zumindest in den Tagesrandlagen vor 6 Uhr und nach 22 Uhr hier halten dürfen. Foto: Marc Heller
Dialog fortgesetzt. DB-Vorstandsvorsitzender Dr. Rüdiger Grube und DBV-Präsident Gerhard J. Curth am 17. November in Berlin. Foto: Georg Radke

Im Rahmen ihrer turnusmäßigen Gesprächstermine trafen am 17. November 2011 in der Berliner Zentrale der Deutschen Bahn der DB-Vorstandsvorsitzende Dr. Rüdiger Grube und DBV-Präsident Gerhard J. Curth, begleitet durch ihre Referenten, zu einer einstündigen Erörterung aktueller Themen zusammen. Grube begrüßte eingangs die inhaltliche Arbeit des DBV sowie den Arbeitsstil, mit dem der Dialog vor die öffentliche Auseinandersetzung gestellt wird.

Gerhard J. Curth erläuterte, dass es für ihn ein Pflichtthema sei, in jedem derartigen Gespräch auf den fehlenden Fernzughalt am Bahnhof Berlin Zoologischer Garten hinzuweisen. Er bezweifelte, dass, wie von DBSprechern angegeben, für einen ICE-Halt am Bahnhof Zoo zunächst Baumaßnahmen erforderlich seien, denn dieser war bereits ICESystemhalt und genau hierfür in den 1990er Jahren umgebaut worden. Der Bahn-Chef sagte eine Prüfung zu. Er machte aber darauf aufmerksam, dass der Fernverkehr auf der Stadtbahn tendenziell nur noch marginal sein werde, weil die Stadtbahn verstärkt durch den Regionalverkehr belastet würde.

Curth schlug einen Kompromiss vor. Nachdem der Wegfall des Fernzughalts am Bahnhof Zoo durch Grubes Vorgänger Hartmut Mehdorn mit der Sicherung der Gewerbeansiedlung im neuen Hauptbahnhof begründet wurde, könnten doch zwischen 22 und 6 Uhr alle Züge am Bahnhof Zoo halten, weil in dieser Zeit am Hauptbahnhof fast alle Läden geschlossen seien. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb tausende Reisende nur zum Zwecke des Umsteigens in eine städtebauliche Brache gefahren werden, um dann zu einem großen Teil zurückzufahren. Der DBVPräsident verwies darauf, dass in Hamburg zum Zwecke der Feinverteilung bis zu fünf Mal gehalten wird. Zumindest alle dem ICE nachgeordneten Fern-Bahnprodukte, wie EC, IC, D-Zug, müssen ganztägig am Bahnhof Zoo halten, forderte Gerhard J. Curth.

Bahn-Chef Rüdiger Grube stellte die DBVVorschläge nicht in Frage, will aber mit seinen Fachkollegen in den Vorständen diese Frage grundhaft erörtern. Sein Umgang mit den Vorständen der Konzernunternehmen sei nicht hierarchisch von oben nach unten, sondern partnerschaftlich auf Augenhöhe. Die Prüfzusage Grubes lies auch in der Berliner Öffentlichkeit Hoffnung aufkommen, dass die aufstrebende City-West wieder einen direkten Fernbahnzustieg erhält.

Fahrscheinverkauf durch Personal

Ein weiteres Gesprächsthema war die Infrastruktur des Beratungsverkaufs von Fahrscheinen. Es reiche nicht, nur in den Großbahnhöfen das volle Programm anzubieten, und es reiche auch nicht, die Menschen nur noch auf „Maschinen“ wie Fahrkartenautomaten und Internet zu lenken, erklärte der DBV-Präsident. Der Bahnkundenverband hat mit seinen früheren und derzeitigen „ReiseStationen“ Oschatz, Mügeln, Radebeul, Saßnitz und Züssow entsprechende Erkenntnisse gewonnen. Die Förderung des Engagements Dritter als Dienstleister müsse dringend betrieben werden, vor allem bezüglich der Rahmenkosten und Verkaufsprovisionen. Rüdiger Grube zeigte Verständnis und sagte eine Erörterung zwischen der Geschäftsleitung von DB-Vertrieb und dem DBV-Bundesvorstand zu.

Erfreut zeigte sich Gerhard J. Curth über die kurz nach dem DBV-Fernbahnforum im November 2010 in Jena durch Dr. Manuel Rehkopf, heute Vorstandsmitglied von DBFernverkehr, verkündete Bestellung von 27 doppelstöckigen IC-Einheiten. Gleichzeitig, und für Bahn-Chef Grube nachvollziehbar, kritisierte Curth den Verzicht auf eine gastronomische Einrichtung zu Gunsten einer mobilen Minibar. Die Minibar war schon bei ihrer damaligen Einführung als alleinige Versorgungseinrichtung ein Auslaufmodell, meinte Curth. Er bat um die Korrektur dieser Festlegung und forderte zumindest ein Bistro ähnlich dem heutigen IC. Auch hier bahnte Grube eine Erörterung zwischen dem DB-Vorstand Personenverkehr und dem DBV-Bundesvorstand an.

Curth berichtete über das DBV-Bundesforum zum flächendeckenden Fernbahnverkehr Anfang November in Marktredwitz (siehe auch Seite 9). Es fehlten einfach die Fahrzeuge, um einen flächendeckenden Fernverkehr anzubieten, erwiderte Grube. Daher gebe es bereits Bemühungen, zusammen mit den SPNV-Aufgabenträgern zu kombinierten Angeboten zu gelangen. Da es bei der flächendeckenden Fernbahnbedienung nicht um einen Taktverkehr, sondern meist um ein- bis zweimal täglich verkehrende Züge gehe, stellte Curth in den Raum, dass ein Großteil der Wünsche durch Tagesrandhalte vorhandener Angebote befriedigt werden könnte. Nach Analyse der Ergebnisse von Marktredwitz, wo die DB Fernverkehr, wie im Vorjahr in Jena, beteiligt war, wird es auch hier eine gemeinsame Auswertung geben, vereinbarten Grube und Curth.

Stillgelegte Bahnstrecken

Das Schicksal von stillgelegten, jedoch nicht entwidmeten Bahnstrecken war ein weiterer Gesprächspunkt. Aus der Arbeit der vom DBV gegründeten Deutschen Regionaleisenbahn konnte Curth mit Beispielen aufwarten, wo der gesetzliche Vorrang der Eisenbahnbetriebszwecke sowohl von der DB als auch vom Eisenbahn-Bundesamt und verschiedenen Ländern vernachlässigt wird. Entwidmungen wurden verfügt, obwohl eine Zwecknutzungserklärung vorlag. So wurden Strecken, statt sie wieder dem Betrieb anheimzustellen, beispielsweise an Schrotthändler verkauft. Grundstücke wurden zum Gegenstand von Immobiliengeschäften gemacht. Curth appellierte an die Bahn, doch mehr auf die Nachhaltigkeit bei solchen Entscheidungen zu setzen. So profitiert die DB mit einigen ihrer Unternehmen alleine schon durch die Zubringerwerte bei der Netz- und Verkehrsverknüpfung.

Um weiteren Eskalationen in diesem Themenbereich entgegenzuwirken, schlug der DBV-Präsident eine Potenzialanalyse aller stillgelegten und noch gewidmeten Strecken vor, um deren mögliche Reaktivierung zu prüfen. Denn die heutigen Verhältnisse könnten nicht mit denen bei der seinerzeitigen Stilllegung verglichen werden. Die Prognoseüberschreitungen bei Streckenreaktivierungen, z. B. in Baden- Württemberg oder Rheinland-Pfalz, sowie die Transportverteuerungen durch die Einführung der Lkw-Maut für bestimmte Gutarten, z. B. Schüttgüter, Holz und Flüssigstoffe, sollten zu einem solchen Schritt ermuntern, meinte Curth. Ähnlich äußerte sich kurz darauf auch Karl-Peter Naumann, Bundesvorsitzender von Pro Bahn, auf einer Veranstaltung der Allianz pro Schiene am 23. November.

Rüdiger Grube sagte zu, dass es zu diesem Thema vertiefende Gespräche zwischen DB Netz, DB Schenker Rail und dem DBV geben werde.

Abschließend werteten beide das Gespräch positiv und waren sich in dem Bestreben nach Fortsetzung des Dialogs einig.

Deutscher Bahnkunden-Verband

aus SIGNAL 5-06/2011 (Dezember 2011), Seite 8-9