Berlin
Bau der U 5 beeinträchtigt Fahrgäste und Anlieger
1. Dez 2011
Im Sommer 2011 wurde das Änderungsverfahren zur Planfeststellung für den Weiterbau der U 5 zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor abgeschlossen. Der Berliner Fahrgastverband IGEB hatte sich an den Anhörungen beteiligt (siehe Signal 2/2009).
An der grundsätzlichen Ablehnung des Projektes durch die IGEB hat sich in den letzten Jahren nichts geändert. Das Projekt bindet Ressourcen, die an anderer Stelle, insbesondere für Straßenbahnprojekte, sinnvoller eingesetzt werden könnten. Allerdings muss Berlin das Projekt jetzt vollenden, ein Ausstieg ist nicht mehr möglich. Sollte die U-Bahn-Strecke nicht bis 2020 vollendet sein, müsste das Land Berlin Gelder an den Bund für den ersten Bauabschnitt zwischen Brandenburger Tor und Hauptbahnhof zurückzahlen.
Aufgrund der überraschenden archäologischen Funde vor dem Berliner Rathaus musste die Planung für den gleichnamigen U-Bahnhof verändert werden (siehe SIGNAL 6/2010). Bei aller Freude über die wiedergefundenen Reste des mittelalterlichen Vorgängerbaus des Rathauses müssen sich die zuständigen Behörden des Landes Berlin doch fragen lassen, warum sie davon so überrascht wurden. Ein einfaches Studium historischer Karten des Stadtzentrums hätte klar gemacht, dass hier wichtige historische Funde zu erwarten waren.
Es bleibt zu hoffen, dass der gefundene Kompromiss zwischen dem Erhalt der Reste des alten Rathauses und dem Neubau des U-Bahnhofs Bestand haben wird. Allerdings liegt zurzeit noch kein Konzept vor, wie die archäologischen Funde dauerhaft gesichert und zugänglich gemacht werden sollen. Das geplante „archäologische Fenster“ ist bisher sehr vage. Seitens des Berliner Fahrgastverbandes IGEB besteht die Forderung, dass die Mehrkosten, die über die vom Gesetz vorgeschriebenen archäologischen Grabungsarbeiten hinausgehen, nicht aus dem Etat für Nahverkehrsprojekte entnommen werden.
Ärgerlich ist jedoch, dass es bei der BVG versäumt wurde, die Planungen für die neue Straßenbahnstrecke zwischen Alexanderplatz und Kulturforum sowie für den Bau der U 5 abzustimmen. Der U-Bahnhof Berliner Rathaus wird ein Umsteigepunkt zwischen Straßenbahn und U-Bahn werden. Wie jedoch die Straßenbahnhaltestelle dort sinnvoll angeordnet werden kann, insbesondere zu den Aufzügen zum U-Bahnhof, dazu gibt es keine Abstimmungen. Für dieses Versäumnis ist ausschließlich die BVG verantwortlich, da sie die Straßenbahn- und die U-Bahn-Strecke plant.
Der künftige U-Bahnhof Unter den Linden ist als Kreuzungsbahnhof zwischen U 5 und bestehender U 6 geplant. Um dieses Bauwerk jedoch ausführen zu können, wird es nicht nur zu umfangreichen Sperrungen im Straßenland kommen. Auch die U 6 wird nach jetziger Planung für mindestens 18 Monate zwischen den Bahnhöfen Friedrichstraße und Französische Straße unterbrochen. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass eine nur sechsmonatige Sperrung für möglich gehalten wurde.
Trotz der nun langen U 6-Unterbrechung muss sichergestellt sein, dass in dieser Zeit die anderen Nord-Süd-Linien (S-Bahn, U 8, U 9) ohne Beeinträchtigung durch Bauarbeiten verkehren.
Neben den Erschwernissen für viele Berliner auf ihren täglichen Wegen befürchten auch viele Geschäftsleute der Friedrichstraße längerfristige geschäftliche Einbußen. Die IG Friedrichstraße hat sich intensiv mit den Problemen auseinandergesetzt – siehe nachfolgenden Beitrag, der von einer realistischen Sicht der anstehenden Probleme zeugt. Die IGEB fordert das Land auf, die Verkehrsprobleme, die aus dieser Baustelle resultieren, frühzeitig zu untersuchen und die Betroffenen an den Entscheidungen zu beteiligen.
Darüber hinaus hat die IG Friedrichstraße ein Konzept zu einer „Schaustelle U 5“ vorgestellt. Die Friedrichstraße ist ein wichtiger Anlaufpunkt für Berlin-Touristen. Die Schaustelle soll auch während der Bauzeit die Geschäftsstraße attraktiv halten und zu einem Besuchermagneten für Berliner und Gäste machen.
Die für den Abschnitt zwischen U-Bahnhof Alexanderplatz und U-Bahnhof Brandenburger Tor errechneten Baukosten von 433 Millionen Euro werden zu einem erheblichen Teil aus Bundesmitteln bezahlt: Gelder gemäß Hauptstadtvertrag von 1994, gemäß Entflechtungsgesetz (früher GVFGMittel) und Regionalisierungsmittel, also Gelder, die eigentlich für den SPNV vorgesehen sind und von Berlin in den U-Bahn- Bau „umgelenkt“ werden. Auch die 150 Millionen Euro aus dem Hauptstadtvertrag, von denen rund 30 Millionen bereits für den Abschnitt zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor ausgegeben wurden, hätte Berlin für S-Bahn- oder Straßenbahnprojekte einplanen können. Der Sachzwang, die U 5-Verlängerung auf Druck des Bundes jetzt bauen zu müssen, ist also 1994 vom Land Berlin selbst herbeigeführt worden.
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 5-06/2011 (Dezember 2011), Seite 22-23