Berlin
Zur Nachnutzung des Flughafens Tegel
1. Dez 2011
Mit der Bekanntmachung im Amtsblatt für Berlin vom 30. September 2011 ist die Überarbeitung des Flächennutzungsplans für die Fläche des heutigen Flughafens Tegel abgeschlossen. Vorgesehen ist auf der ab 3. Juni 2012 für eine Nachnutzung zur Verfügung stehenden Fläche überwiegend ein umfangreicher Forschungs- und Industriepark für Zukunftstechnologie. Nun ist es freilich so eine Sache, die Zukunft zu planen, und das Papier von Flächennutzungsplänen ist bekanntlich geduldig.
Dennoch: Wer so großartiges vorhat, wird sicher auch gute Ideen zur Anbindung dieses Geländes an den ÖPNV haben. An dieser Stelle aber kann man sich getrost auf eine Reise zu Luftschlössern oder in die Vergangenheit einrichten. In der Begründung zur Flächennutzungsplanänderung heißt es nämlich: „Für den ÖPNV ist eine leistungsfähige Busanbindung vorgesehen, die den Standort mit dem bestehenden ÖPNV-Netz sinnvoll verbindet. Die BAB 111 wird entsprechend ihrem Bestand in Tunnellage dargestellt und von potentiellen Überbauungen freigehalten. Die Darstellung einer U-Bahn- Trasse bleibt als langfristige Option unverändert.“
Für die Anbindung des großen künftigen Zukunftstechnologie-Parks fallen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung also nur Allgemeinplätze oder Ideen auf dem Entwicklungsstand der 1960er Jahre ein. Was bedeutet denn konkret eine „leistungsfähige Busanbindung“? Vielleicht Busspuren? Oder Hybridbusse? Oder Busways? Gar elektronische Spurführungssysteme? Hier kann sich wohl jeder irgendetwas vorstellen, was der Senat irgendwann vorhaben könnte – oder auch nicht. Wohl eher Letzteres.
Womit wir bei der nächsten (rhetorischen?) Frage sind: Weshalb wird nicht wenigstens als Option das geplant, was tatsächlich sinnvoll ist: die Anbindung des künftigen Technologieparks Tegel an das Straßenbahnnetz? Zumal eine Straßenbahnlinie Richtung Moabit und Reinickendorf/ Pankow gleichermaßen verkehren könnte, also eine wichtige Tangentiale im Norden Berlins wäre.
Den Rückwärtsgang jedenfalls legt die Senatsverwaltung mit der planerischen Konservierung einer U-Bahn-Verbindung ein, die irgendwann von Jungfernheide zum Flughafengelände führen könnte. Schon seit Jahrzehnten eine Art Karteileiche ist für solch eine Stichstrecke auch langfristig keine richtige Perspektive ersichtlich. Eine U-Bahn ließe sich allenfalls bei einer sehr kompakten Bebauung mit starken Aufkommensschwerpunkten rechtfertigen. Ein Technologiepark dürfte aber eher flächig angelegt sein, was wiederum die schon erwähnte Straßenbahn-Anbindung nahe legt, die obendrein auch nicht den Nachteil einer Stichstrecke hätte, wie es bei der U-Bahn der Fall wäre.
Ob der Standort Tegel jemals einen Beitrag für Zukunftstechnologie leisten wird, kann heute noch niemand wissen. In jedem Falle Vergangenheit ist aber die Chance einer vorausschauenden, auch im Flächennutzungsplan dokumentierten Verkehrsanbindung des Geländes.
Das ist umso unverständlicher, da zur selben Zeit über die Verlagerung von bisher innerstädtischen, gut erschlossenen Hochschuleinrichtungen in Wedding und Charlottenburg nach Tegel diskutiert wird, deren Studierende heute die Hörsäle und Labors bequem ohne Auto erreichen können.
Da passt es ins Bild der Senatsirrungen und -wirrungen, dass auf dem bisherigen Flugplatzgelände künftig auch zur E-Mobilität geforscht werden soll, die Erschließung aber mit Dieselbussen erfolgen wird, die wohl höchstens im 20-Minuten-Takt verkehren und wahrscheinlich am U-Bahnhof Jakob-Kaiser-Platz enden werden, also nicht einmal die Ringbahn erreichen.
Obwohl Stadt- und Verkehrsplaner in Berlin unter dem Dach einer Senatsverwaltung arbeiten, ist die Stadt von einer integrierten Planung noch meilenweit entfernt. Das hatte sich bereits bei den Planungen zur Nachnutzung des Flughafens Tempelhof gezeigt (siehe SIGNAL 5/2008) und wiederholt sich nun in Tegel. (hjb)
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 5-06/2011 (Dezember 2011), Seite 25