Der Bahnhofsvorsteher informiert
Kreuz und quer durchs Land – Teil 3
1. Dez 2011
Fernreisen mit Nahverkehrszügen sind für nicht wenige Reisende eine interessante und preiswerte Alternative zu ICE und IC. Daher stellt der Bahnhofsvorsteher einige Angebote des Regionalverkehrs vor, in diesem Heft das Schönes-Wochenende-Ticket.
Das Urgestein unter den Regio-Angeboten ist das „Schönes-Wochenende-Ticket“ (SWT). Es revolutionierte ab 1995 den Ausflugsverkehr nachhaltig. Eine Tageskarte für ganz Deutschland! Grund genug, den Tausendsassa unter die Lupe zu nehmen.
Anfang der 1990er Jahre ließen die ersten Veränderungen durch die Bahnreform die Fahrgastzahlen im Regionalverkehr werktags kontinuierlich steigen. In zahlreichen Zügen mussten die Kapazitäten erheblich ausgeweitet werden. Vielerorts wurden ganze Linien auf Doppelstockwagen umgestellt, um die Fahrgäste fassen zu können. An den Wochenenden, insbesondere am Sonnabend, herrschte dann jedoch gähnende Leere. Die meisten nutzten für ihre Wochenendtrips das Auto.
Am 1. Februar 1995 offerierte die Deutsche Bahn AG zum ersten Mal eine Fahrkarte, die das Reiseverhalten der Wochenendausflügler nachhaltig verändern sollte: das „Schönes-Wochenende-Ticket“. Für nur 15,00 DM (das entspricht 7,67 Euro) konnten bis zu fünf Personen von Sonnabend 0 Uhr bis Sonntag 24 Uhr in Nahverkehrszug (N), S-Bahn (S), Citybahn (CB), Stadtexpress (SE), Regionalschnellbahn (RSB) und Eilzug (E) kreuz und quer durch Deutschland reisen.
Unter Eisenbahnfans entstand sogar ein regelrechter Wettstreit, wer an einem Wochenende die meisten Kilometer schafft. Bereits in der ersten Woche soll die Deutsche Bahn über 650 000 Tickets verkauft und damit einen Umsatz von fast zehn Millionen Mark generiert haben. Plötzlich platzten viele Züge aus allen Nähten. Auslastungen von teilweise über 200 Prozent veranlassten die Bahnpolizei sogar, aus Sicherheitsgründen gelegentlich Züge teilweise zu beräumen.
Zahlreiche Verkehrsverbünde boykottierten das Angebot zunächst oder duldeten es allenfalls im ein- und ausbrechenden Verkehr. Grund war hauptsächlich die Angst, das Billigticket könnte die Fahrgeldeinnahmen der Verbünde einbrechen lassen. Da die Verhandlungen mit allen Beteiligten erst Mitte Januar 1995 begannen, war natürlich so kurzfristig an keine Einigung zu denken. Lediglich der Hamburger Verkehrsverbund als einziger der damals dreizehn großen wollte das SWT-Konzept mittragen.
Bereits im Mai 1995 willigten, insbesondere unter der Bedingung einer Preiserhöhung auf 30,00 DM (15,34 Euro), auch andere Verkehrsverbünde ein. Ab Januar 1996 kostete es dann schon 35,00 DM (17,89 Euro), und der Preis sollte stetig bis auf jetzt 40,00 Euro steigen – also mehr als das Fünfmache gegenüber 1995. Tatsächlich war die Preiserhöhung sogar noch größer, weil 1999 die Geltungsdauer drastisch gekürzt wurde. Plötzlich hatte man für eine Deutschlandrundreise nicht mehr ein komplettes Wochenende zur Verfügung, sondern nur noch einen Tag bis um 3 Uhr des Folgetages, also maximal 27 Stunden! Eigentlich hätte man es in „Halbes-Wochenende-Ticket“ umbenennen müssen. Doch alle Proteste halfen nicht, die Einschränkung blieb bis heute.
Nicht ganz. Das Wochenendticket ist zunächst einmal ein Angebot der Deutschen Bahn AG, in allen Nahverkehrszügen (die sogenannte Produktklasse C: InterRegio- Express, RegionalExpress, RegionalBahn, S-Bahn) Land auf, Land ab zu reisen. Innerhalb der Geltungsdauer können beliebig viele Fahrten vorgenommen werden. Auch Fahrtunterbrechungen und das Fortsetzen an anderen Bahnhöfen sind möglich. Vielerorts trifft man inzwischen jedoch auf Nahverkehrszüge anderer Unternehmen. Zahlreiche dieser Nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE) erkennen das Ticket, teilweise mit Einschränkungen, an.
Auch gibt es in Deutschland viele Verkehrsverbünde, die das SWT akzeptieren. Aber hier fängt die berüchtigte „Kleinstaaterei“ an. Neben fahrgastfreundlichen Verbünden wie in Stuttgart, Hannover oder Mittelthüringen, die überall freie Fahrt mit allen Verkehrsmitteln (S- und U-Bahn, Straßenbahn, Fähre, Bus und auch NE-Bahnen) gewähren, gibt es etliche, die eine Nutzung des Angebots ausschließlich im sogenannten ein- und ausbrechenden Verkehr zulassen. Das heißt, dass man das SWT nur nutzen darf, wenn der Reisende in das Verbundgebiet hinein und/oder aus ihm heraus fährt. Würde man diese Regelung formaljuristisch auf die Spitze treiben, wäre dann ein jeder Fahrgast schon ein „Schwarzfahrer“, wenn er einen Zug benutzt, der nur innerhalb des Verbundes verkehrt!?
Auch wenn ein Verbund den Fahrschein nicht oder nur im ein-/ausbrechenden Verkehr duldet, so kann es Einzelregelungen mit Verkehrsunternehmen zur Anerkennung geben. Beispiel der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB): In dessen Bestimmungen (Teil C – Abschnitt 3) gibt es eine Kooperation für die Brandenburg- Berlin-Tickets, aber keine für das Schönes- Wochenende-Ticket. Dennoch gibt es eine Abrede zwischen der DB und den Berliner Verkehrsbetrieben, dass die BVG es in allen Verkehrsmitteln akzeptiert – wie auch mit der Prignitzer Eisenbahn (PEG), Ostdeutschen Eisenbahn (ODEG) und Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) in deren Zügen auf ausgewählten Strecken.
Ähnlich wie bei einigen Ländertickets gibt es einzelne Möglichkeiten für den „kleinen Grenzverkehr“ zu unseren Nachbarn nach Dänemark, Österreich, Polen und in die Schweiz. Jeder sollte sich vor Fahrtantritt bei der Bahn erkundigen, ob im gewünschten Verbund oder Verkehrsunternehmen ein zusätzlicher Fahrschein erforderlich ist, oder ob das SWT anerkannt wird. Schauen Sie am besten im Internet unter www.bahn. de. Dort haben Sie unter Angebotsberatung > Schönes-Wochenende-Ticket die aktuellen Regelungen zum Geltungsbereich (einschließlich Verbünde, NE-Bahnen, Auslandsstrecken) als PDF zum Herunterladen übersichtlich tabellarisch aufgelistet.
Im Gegensatz zu den Ländertickets mit den verschiedenen Variationen gibt es nur „ein“ Schönes-Wochenende-Ticket – mit zwei Nutzungsmöglichkeiten. Entweder für fünf Personen ab 6 Jahren (egal wer mit wem verwandt ist) oder für Eltern und/oder Großeltern (höchstens 2 Personen pro Fahrkarte), die unendlich viele eigene Kinder bzw. Enkel (6 bis 14 Jahre) mitnehmen können. Der Nachweis der Familienzusammengehörigkeit muss im Zug auf Verlangen erbracht werden können. Reist eine andere Person mit, ist die 5-Personen-Regel anzuwenden.
Weiterhin werden auch entgeltpflichtige Hunde als Person gezählt und brauchen keine Extrafahrkarte zum halben Normalpreis: Beim Familien-SWT kann maximal 1 Hund und beim normalen SWT können maximal 4 Hunde anstelle je eines Menschen mitgenommen werden.
Wenn mehrere Personen reisen, müssen alle zusammen die Fahrt antreten. Der spätere Zustieg von Mitreisenden an einem anderen Bahnhof ist nicht zugelassen. Es dürfen aber einzelne Personen (nicht der Ticketinhaber) vorher aussteigen.
Das SWT kostet seit dem Fahrplanwechsel am 11. Dezember 2011 am Automaten 40,00 Euro. Alternativ kann es zum gleichen Preis als Onlineticket gebucht werden. Beim personenbedienten Verkauf durch ein Reisezentrum, Reisebüro oder eine DB-Agentur kommen 2,00 Euro je Ticket hinzu, beim Kauf im Zug 4,00 Euro Bordentgelt. Achtung: in einigen Verbundgebieten/Regionen muss ein Fahrschein generell vor Fahrtantritt gelöst werden. Ein Kauf im Zug ist dann nicht möglich.
Obwohl das Schönes-Wochenende-Ticket montags bis freitags nicht gilt, sondern nur sonnabends oder sonntags, verdient das Ticket seinen Namen eigentlich nicht mehr. Seit 1999 gilt ein Fahrschein nicht ein ganzes Wochenende, sondern nur am Sonnabend oder Sonntag von 0 Uhr bis 3 Uhr des Folgetages. Wer also seinen Ausflug mit Übernachtung plant, braucht zwei Tickets. Beginnt oder endet die Reise außerhalb des räumlichen oder zeitlichen Geltungsbereichs, so ist bis zum ersten / ab dem letzten Haltebahnhof innerhalb des Geltungsbereichs ein Anschlussfahrschein zu lösen.
Ferner hält sich seit jeher vehement die irrige Annahme, dass das SWT auch an einem Feiertag gilt. NEIN! Auch wenn ein gesetzlicher Feiertag (z. B. Karfreitag und Ostermontag) aus einem normalen Wochenende ein „schönes langes Wochenende“ macht, so bleibt der Ausflug mit dem SWT nur auf Sonnabend bzw. Sonntag beschränkt. Wichtig ist, dass beim Fahrkartenkauf der richtige Geltungstag für das Ticket angegeben wird. Es kann nur an diesem Tag genutzt werden! Wird das Wochenendticket bei einer Verkaufsstelle erworben, wo kein Geltungstag aufgedruckt wird, dann muss es innerhalb von drei Monaten ab Kaufdatum verwendet werden.
Wie auch bei den Ländertickets gilt: Kaufen Sie die Fahrkarte am besten erst am Reisetag, wenn Sie sicher sind, dass Sie wirklich fahren. Die Erstattung sowie das Umtauschen sind grundsätzlich ausgeschlossen. Auch ist es nicht zulässig, nach Fahrtantritt das Ticket weiter zu geben. Weder für Geld noch kostenlos. Um Missbrauch vorzubeugen, muss der Ticketinhaber seinen Namen auf der Fahrkarte eintragen. Wenn einige Mitreisende schon früher aussteigen, sollte derjenige, der am weitesten fährt, seinen Namen auf das Ticket bannen. Das Zug-/Kontrollpersonal ist berechtigt einen Ausweis zu verlangen.
Wie auch bei den Ländertickets oder dem Quer-durchs-Land-Ticket hat der Fahrgast die gleichen Rechte im Falle von Verspätungen, weshalb Ihnen das Folgende vielleicht bekannt vorkommt. Erreicht der Reisende aufgrund von Verspätung oder Zugausfall das Ziel seiner Reise mindestens 60 Minuten verspätet, hat er einen Anspruch auf Erstattung pro Fahrkarte in Höhe von 1,50 Euro. Den Anspruch kann der Reisende aber grundsätzlich nur geltend machen, wenn innerhalb der Geltungsdauer der Fahrkarte ein Mindestanspruchswert von 4,00 Euro zustande gekommen ist! Das heißt, dass man auch mit dem SWT mindestens drei Reisen mit mindestens je 60 Minuten Verspätung gemacht haben muss, um dann 4,50 Euro Entschädigung zu erhalten! Teilt man die dann z. B. noch durch 5 Reisende hat jeder 30 Cent Ausgleich pro Stunde erhalten. Die maximale Entschädigung ist auf 25 Prozent des Fahrkartenpreises begrenzt.
Die Regelung, dass man ab 20 Minuten Verspätung auf einen InterCity oder ICE umsteigen kann, also einen sogenannten Produktübergang (eine Fahrkarte mit der Differenz zwischen den Fahrpreisen der Nahverkehr- und der Fernverkehrsfahrkarte) kauft und diesen hinterher erstattet bekommt, gilt nur für normale streckenabhängige Fahrkarten, nicht für das Wochenendticket. Genauso gibt es keine höhere Entschädigungsstufe bei über 120 statt „nur“ 60 Minuten Verspätung.
Das Schönes-Wochenende-Ticket ist noch immer eine gute Alternative zum Auto, um gemeinsam einen (Tages-)Ausflug über die Grenzen des eigenen Bundeslandes hinaus zu machen. Insbesondere für kinderreiche Familien, damit die Eltern sich entspannt um ihre Kleinen kümmern können, anstatt auf den Verkehr achten zu müssen. Bedauerlich dabei ist, dass das Wochenendticket seinem Namen nicht mehr gerecht wird und nicht mehr für das ganze Wochenende gilt. Der besondere Vorteil einer verkehrsträgerübergreifenden Nutzbarkeit kann wegen der verschiedenen Nutzungsbedingungen der Verkehrsverbünde leider nicht voll ausgeschöpft werden. Um die Unsicherheit bei der Nutzung zu reduzieren, fordert der Berliner Fahrgastverband IGEB eine bundesweit einheitliche Anerkennung des Schönes-Wochenende- Ticket in allen Verkehrsverbünden und Verbundverkehrsmitteln. (BfVst)
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 5-06/2011 (Dezember 2011), Seite 41-42