Schlichtungsstelle söp

Verkauf von Sonder- Tickets im Zug bei Automatenstörung?


söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.

1. Dez 2011

Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff können von Verkehrsunternehmen wie von deren Kunden noch so gut geplant und organisiert sein: Es wird immer wieder zu Problemen kommen, die Anlass zur Beschwerde geben. Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende Antwort bekommt, kann sich an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet dann einen Schlichtungsvorschlag zur einvernehmlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten Geld, Zeit und Ärger. SIGNALLeserinnen und -Leser können in jeder Ausgabe anhand eines konkreten Falls einen Einblick in die praktische Arbeit der söp bekommen.

Aber auch Fahrgäste im Nahverkehr der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt können sich an die söp wenden, wenn sie auf ihre Beschwerde hin von der BVG, der S-Bahn Berlin GmbH oder einem anderen teilnehmenden Verkehrsunternehmen der Region keine sie zufriedenstellende Antwort erhalten haben.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerinnen wollten an einem Fahrkartenautomaten ein Baden- Württemberg-Ticket erwerben (Preis 29 Euro). Der Fahrkartenautomat war jedoch defekt, so dass sie ohne eine Fahrkarte in den Zug stiegen. Die Fahrkarte wollten sie beim Zugbegleiter erwerben.

Sofort nach dem Einstieg in den Zug suchten sie den Zugbegleiter auf und schilderten den Vorfall. Dieser bestätigte den Automatendefekt. Daraufhin wollten die Beschwerdeführerinnen bei dem Zugbegleiter das Baden-Württemberg-Ticket kaufen, da sie dieses ohnehin für die Rückfahrt hätten erwerben müssen und es im Übrigen die günstigste Alternative war. Der Zugbegleiter teilte jedoch mit, dass der Verkauf eines Baden-Württemberg-Tickets im Zug nicht möglich sei. Daher stellte er zwei Fahrpreisnacherhebungen jeweils über den regulären Fahrpreis in Höhe von 13,90 Euro aus. Den Kauf eines Einzeltickets lehnten die Beschwerdeführerinnen ab, da der Erwerb von Einzelfahrkarten erheblich teurer für sie gewesen wäre.

An ihrem Zielort erwarben sie sodann das gewünschte Baden-Württemberg-Ticket zu einem Preis von 29 Euro und nutzten es für die Rückfahrt.

Ablehnung

Die Beschwerdeführerinnen reklamierten die Fahrpreisnacherhebungen. Das Verkehrsunternehmen bestätigte zwar eine Automatenstörung, bestand aber weiterhin auf Ausgleich einer Forderung in Höhe von jeweils 13,90 Euro. Das nachträglich erworbene Baden-Württemberg-Ticket konnten die Beschwerdeführerinnen nicht vorlegen, weil sie es zwischenzeitlich entsorgt hatten. Als Begründung führten sie an, nicht darüber aufgeklärt worden zu sein, dass das Ticket im Nachhinein als Beweisstück gebraucht werden könnte. Das Verkehrsunternehmen bestand daher weiterhin auf Ausgleich einer Forderung von jeweils 13,90 Euro.

Schlichtungsarbeit

Die Beschwerdeführerinnen wandten sich an die söp, nachdem sie von dem Verkehrsunternehmen eine weitere abschlägige Antwort erhalten hatten.

Die söp setzte sich mit dem Verkehrsunternehmen in Verbindung und wies auf die Beförderungsbedingungen des Verkehrsunternehmens hin. Danach ist ein Erwerb in Nahverkehrszügen („Produktklasse C“) möglich, wenn ein personenbedienter Verkauf im Zug stattfindet. Der Preis beträgt dann 31,90 Euro. Ist jedoch weder eine Fahrkartenausgabe geöffnet noch ein zur Annahme von Bargeld geeigneter betriebsbereiter Automat vorhanden, wird das Ticket im Zug zum Preis wie bei Erwerb an Fahrkartenautomaten ausgegeben, d. h. zu einem Preis von 29 Euro. Dieser Fall war hier einschlägig. Nach dieser Bestimmung hätte den Beschwerdeführerinnen daher ein Baden- Württemberg-Ticket im Zug verkauft werden müssen. Die Fahrpreisnacherhebung hätte also nicht erfolgen dürfen.

Die Schlichtungsempfehlung der söp wurde angenommen. Obwohl das nachträglich erworbene Baden-Württemberg- Ticket nicht mehr vorgelegt werden konnte, stellte das Verkehrsunternehmen aus Kulanz die offenen Forderungen aus den Fahrpreisnacherhebungen ein. (Dr. Katja Schmidt)

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aus SIGNAL 5-06/2011 (Dezember 2011), Seite 43