Brandenburg

Cottbus Hauptbahnhof: Fehlplanungen und fehlende Diskussion


ProTramCottbus

1. Jun 2011

Märkische Allgemeine, 7. Mai 2011
Märkische Allgemeine, 7. Mai 2011

In SIGNAL 3/2010 berichteten wir bereits über die Baumaßnahmen der DB am Cottbuser Bahnhof. Geplante und bereits realisierte Maßnahmen: Investitionsvolumen 100 Millionen Euro, davon 50 bis 70 Millionen Euro für das elektronische Stellwerk, Inbetriebnahme November 2010; Restsumme für Verlängerung des Tunnels (bis 2013) und Herstellung von Barrierefreiheit, eine Erhöhung der Bahnsteige sowie eine Teil-Überdachung von Bahnsteigen (bis 2015).

Man sollte annehmen, dass bei einer Investitionssumme von 100 Millionen Euro bestehende Strukturprobleme gleich mit gelöst werden. Dies sieht die DB offenbar nicht so – oder: Die DB hat einfach nicht daran gedacht!

Bestehende Strukturprobleme:

Ohne die Strukturprobleme des Bahnhofs, deren Lösung bereits anlässlich der Bahnhofsumgestaltung 1995 (zur Bundesgartenschau) diskutiert, aber nicht realisiert wurde, zu berücksichtigen, hat die DB nun bereits das elektronische Stellwerk fertig gestellt auf der Basis des bestehenden Gleisbildes.

Vermutlich ist den Planern die Existenz der vorhandenen Probleme völlig entgangen. Man kommt nicht umhin, dies als Fehlplanung zu qualifizieren.

Ein Grund dafür ist sicherlich, dass für den Cottbuser Bahnhof überhaupt kein Konzept für eine zukünftige Gestaltung existiert. Kurioserweise argumentiert die DB für den zweiten Teil der Investitionen nun damit, dass ja bereits das elektronische Stellwerk fertig ist und deshalb strukturelle Änderungen zu teuer werden. Die zweite Fehlplanung wird also mit der ersten begründet! Eine Meisterleistung.

Öffentlichkeitsarbeit der DB

Aufmerksam wurde ProTramCottbus auf das Problem erst, als die Cottbuser Stadtverwaltung Ende 2009 Pläne zur Verlängerung des Fußgängertunnels vorstellte. Zu diesem Zeitpunkt war der Bau des elektronischen Stellwerks bereits weit fortgeschritten. Kurzum: Die Öffentlichkeit wurde hier überhaupt nicht einbezogen und eine Mitwirkung der Bürger somit völlig umgangen.

Aber auch jetzt lässt die DB keine Luft an ihre Planungen. Bereits im Mai 2010 unterbreitete ProTramCottbus der zuständigen Bahnhofsmanagerin Alternativvorschläge (in Signal 3/2010 dargestellt), die allerdings in keiner Weise berücksichtigt wurden. Dabei stellte sich weiter heraus, dass die DB für den Bahnhofsumbau keine Eigenmittel einsetzt, die Öffentlichkeit also durchaus ein Mitspracherecht haben sollte!

Die Arroganz der DB kommt insbesondere in folgender sinngemäßer Äußerung der Bahnhofsmanagerin zum Ausdruck: „Der Cottbuser Bahnhof wird in seiner jetzigen Struktur auch noch in 100 Jahren existieren“.

Die Investitionen für den Cottbuser Bahnhof sind zweifellos nicht mit denen für den Stuttgarter Bahnhof vergleichbar. Die Herangehensweise bei der Planung zeigt jedoch deutliche Parallelen: Die Öffentlichkeit nicht oder nur unzureichend informieren und erst mal planen und bauen!

Seit der Straßenbahndiskussion 2009 weiß man, dass die Cottbuser Bevölkerung durchaus zu umfassenden Protestaktionen bereit ist.

Will die DB neben den bereits existierenden öffentlichkeitswirksamen Diskussionen, z. B. „Stuttgart 21“oder „BBI-Anbindung“, tatsächlich eine weitere Diskussion initiieren – also ein „Klein-Stuttgart“ in Cottbus?

Und die Stadtoberen?

Die verantwortlichen Kommunalpolitiker tun so, als ob die Sache sie überhaupt nichts anginge. Sinngemäße Reaktion des Vorsitzenden des Verkehrsausschusses: „Versuchen Sie doch, die Angelegenheit mit dem Bahnkundenverband zu regeln!“. Und die Beigeordnete für Verkehr zeigt sich in schöner Eintracht mit der Bahnhofsmanagerin. Möglicherweise soll die gezeigte Eintracht ja auch davon ablenken, dass sich die Stadt gegenüber der DB nicht durchsetzen kann, oder dass eine Abstimmung der Pläne mit der jeweils anderen Partei im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit überhaupt nicht stattfindet.

In einer Sendung des RBB vom 22. November 2010 wurde behauptet, dass der Cottbuser anzulasten – was dann aber die Frage nach der mangelhaften Baustellensicherung aufwirft.

Es bleibt zu hoffen, dass die DB wenigstens ihr am 29. März bekräftigtes Versprechen einhält: „Ab Fahrplanwechsel am 12. Dezember 2011 werden die Regional- und Fernverkehrszüge zwischen Königs Wusterhausen und Cottbus dann wie vorgesehen mit 160 Kilometern pro Stunde unterwegs sein.“

Bahnhof der größte in Brandenburg sei. Mag sein! Ein Bahnkunde merkt davon aber außer der benutzerunfreundlichen Weitläufigkeit kaum etwas.

Denn der Cottbuser Bahnhof ist in seiner jetzigen Gestalt fürwahr kein Aushängeschild. Jeder Fremde, der Cottbus zum ersten Mal hier betritt, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und fragt sich, ob er nun in einer Fast- Großstadt oder in der Walachei angekommen ist. Und das soll für die nächsten 100 Jahre so bleiben? Jedem echten Cottbuser stehen bei diesem Gedanken die Haare zu Berge! Nur den Stadtoberen und der DB nicht.

Interessant dürfte es werden, wenn die Protestwelle sich aufbaut. Wie werden Stadtverwaltung und Stadtparlament sich wohl verhalten? Riskieren sie tatsächlich weiteren Frust gegen sich?

Zusammenarbeit tut not!

Die derzeitigen jeweils einseitigen Planungen von Stadt und DB ohne Berücksichtigung der Belange der jeweils anderen Seite sind eher geeignet, Bahnkunden abzuschrecken und entfernen Cottbus von der Bedeutung eines wichtigen Verkehrsknotenpunkts, den unsere Stadt eigentlich darstellen sollte. Dabei ignorieren beide Seiten konsequent die positiven Auswirkungen einer zweckdienlichen Zusammenarbeit. Eine Zusammenarbeit hinsichtlich der Bahnhofsgestaltung einerseits und der Gestaltung des Bahnhofsumfeldes sowie der Verkehrsanbindung des Bahnhofs andererseits brächte für beide Seiten Vorteile: für die Bahn: Kundengewinnung, für die Stadt: Besucher- und Bürgerfreundlichkeit, attraktive Stadtgestaltung, Verbesserung der Infrastruktur und verbesserte touristische Erschließung.

Man kann nicht ausschließen, dass die Lösungsvorschläge von ProTramCottbus aus guten Gründen abgelehnt werden. Gegenwärtig jedoch stehen sie ohne zwingende Gegenargumente im Raum.

Gesetzt den Fall, DB und Stadt seien lernfähig, sollten sie die Stuttgarter Erfahrungen zum Anlass nehmen, mit ProTramCottbus und anderen interessierten Bahnkunden die Diskussion zu suchen.

Cottbus steht kurz vor dem Beginn der Planungsphase. Es besteht also durchaus die Chance, durch Diskussionsbereitschaft seitens der DB einen öffentlich ausgetragenen Konflikt noch zu vermeiden. Sollte dies gelingen, könnte die Lösung sogar Beispiel gebend für andere Projekte wirken.

Weitere Infos auf der neu gestalteten Internet- Seite www.protramcottbus.de

ProTramCottbus

aus SIGNAL 2/2011 (Juni 2011), Seite 17-18