Schienenverkehrswochen 2010

Viele Probleme, aber auf dem richtigen Weg

Sprechtag für die Fahrgäste der Berliner S-Bahn


Jens Fleischmann

11. Nov 2010

S-Bahn-Chef Peter Buchner (rechts) bekommt von Gerhard J. Curth, Präsident des DBV, den DBV-Schienenverkehrs-Preis für sein besonderes Engagement zum Dialog mit den Fahrgästen überreicht. Foto: Florian Müller
Gut 120 Fahrgäste waren der IGEB-Einladung gefolgt, um Peter Buchner zu hören und ihm Fragen zu stellen. Foto: Florian Müller

Den Abschluss der Fahrgastsprechtage zu den Schienenverkehrs-Wochen bildete am 30. September 2010 der Sprechtag zur Berliner S-Bahn. Wie im Vorjahr folgte Peter Buchner, Sprecher der Geschäftsführung der S-Bahn Berlin GmbH, der Einladung des Berliner Fahrgastverbands IGEB, um mit den Fahrgästen zu diskutieren und Fragen zu beantworten. Weit über hundert interessierte S-Bahn- Fahrgäste waren in die Kantine der DBVerwaltung am Nordbahnhof gekommen. Den Raum stellte wie 2009 freundlicherweise die DB zur Verfügung. Für die Unterstützung sei den Mitarbeitern der S-Bahn herzlich gedankt.

Achtungspreis für Peter Buchner

Zu Beginn der Veranstaltung erhielt Peter Buchner den Schienenverkehrs-Preis als „Achtungspreis“ von Gerhard J. Curth überreicht. Damit würdigte der Deutsche Bahnkunden-Verband (DBV) den Umstand, dass der S-Bahn-Chef sich letztes Jahr schon bald nach seinem Amtsantritt beim S-Bahn- Sprechtag am 24. September 2009 der Diskussion mit den durch massive Zugausfälle verärgerten Fahrgästen stellte und auf eine Schonfrist verzichtete. Mit seiner Dialogbereitschaft bewies er kundenfreundliches Verhalten. Buchner nahm den Preis mit großer Freude entgegen und gab die Anerkennung auch an seine Mitarbeiter weiter. Er versprach, weiterhin für den Dialog mit den Fahrgästen einzutreten und sich zu bemühen, der S-Bahn Berlin wieder zu der Attraktivität und Kundenfreundlichkeit zu verhelfen, die in den letzten Jahren verspielt worden war.

Danach begann Peter Buchner mit seinem Einführungsvortrag über die aktuelle Situation der Berliner S-Bahn, bevor Moderator Christfried Tschepe, Vorsitzender der IGEB, die Diskussionsrunde mit Fragen aus dem Publikum eröffnete.

Die wichtigsten Themen des Abends sind im Folgenden zusammengefasst.

Fahrzeuge

Im September waren 416 Viertelzüge im Einsatz. Ab 4. Oktober werden wegen der Bremssandprüfung (s.u.) zusätzliche Tauschfahrzeuge benötigt. Mehr Viertelzüge im Fahrgasteinsatz werden es in der nächsten Zeit nicht werden, so dass die Berliner S-Bahn auch 2011 vom Normalangebot noch weit entfernt sein wird. Bis zum Beginn der Krise wurden in den Spitzenstunden rund 550 Viertelzüge eingesetzt. Der 2010 ergänzte Vertrag der S-Bahn GmbH mit den Ländern Berlin und Brandenburg schreibt sogar 562 Viertelzüge vor.

Nachdem seit dem Herbst vergangenen Jahres 3000 Bremszylinder bei der Baureihe (BR) 481 getauscht worden waren, steht nun mit dem kompletten Radsatztausch die nächste große Herausforderung bei dieser Baureihe an. Der Radsatztausch soll in Kürze starten und Ende 2011 abgeschlossen werden. Die ersten neuen Radsätze sind auch schon in der Fertigung. Es steht lediglich die formale Freigabe seitens des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) aus.

Bis alle Fahrzeuge der BR 480 und 481 verlässliche Anzeigen für Bestand und Streuen des Bremssandes haben, wird, wie von Peter Buchner beim Sprechtag angekündigt, seit dem 4. Oktober 2010 jedes Fahrzeug täglich geprüft. Um das aktuelle Fahrplanangebot deshalb nicht schon wieder einschränken zu müssen, werden nun zusätzliche Viertelzüge zum Tauschen benötigt.

Die Bremssandprüfung erfolgt an Abstellanlagen in Wannsee, Grunewald, Westend, Greifswalder Straße, Lichtenberg, Köpenick, Erkner und Grünau. Zwischen Potsdamer Platz und Anhalter Bahnhof wird die Kontrolle am langsam fahrenden Zug durchgeführt. Die Sandkontrollen sind verbunden mit Zugtauschen. Dabei werden bestimmte Fahrten der Linien S2, S25, S7 und S75 an einem Unterwegshalt gebrochen, so dass die Fahrgäste in einen anderen Zug umsteigen müssen. Die S-Bahn will möglichst schnell eine automatische Prüfeinrichtung für Sandfüllstand und Funktionstüchtigkeit in die Fahrzeuge einbauen, damit die aufwändigen Prüfungen „per Augenschein“ und die Zugtausche aufgegeben werden können. Die BR 485 hat keinen Bremssand, so dass auch keine Prüfung erforderlich ist. Dennoch sind diese Fahrzeuge wegen der Radsatzprobleme nur eingeschränkt im Einsatz.

Im Winter 2009/2010 mussten außergewöhnlich oft Fahrmotoren ausgetauscht werden. Die Isolationen der Statoren nutzten sich schneller als erwartet ab, so dass schon geringe Mengen an Wasser (getauter Flugschnee) für einen Kurzschluss sorgten. Da auch eine Nachlackierung der Statoren keinen langanhaltenden Erfolg bringt, werden sie in den kommenden Jahren bei allen Zügen ausgetauscht.

Auch bei der BR 485 werden sämtliche Radsätze getauscht. Die ersten neuen Radsätze sollen noch im Herbst 2010 geliefert werden, aber bis wann für alle Züge neue Radsätze verfügbar sind und eingebaut werden können, ist noch unklar. Deshalb wird diese BR vorerst nur vereinzelt in den Fahrgasteinsatz gelangen.

Bei der BR 480 ist der Tausch von 147 gebohrten Radscheiben fast abgeschlossen.

Das Reaktivierungsprogramm von 20 zuvor abgestellten Viertelzügen der BR 485 hat begonnen. Bei den Revisionen hat sich allerdings ein Rückstau gebildet, so dass diese Arbeiten für 15 Viertelzüge fremd vergeben wurden.

Um die äußere Sauberkeit der Fahrzeuge zu erhöhen, wurde ein Lackbehandlungsprogramm aufgestellt, bei dem ein Schutzlack mit stärkerer Schmutzabweisung und geringerer Graffitihaftung zum Einsatz kommt. Auch die Sauberkeit der Fahrgasträume soll durch ein neues Reinigungskonzept verbessert werden. Hierfür werden die Reinigungszyklen verkürzt und die Nassreinigung intensiviert, insbesondere an den Wochenenden. Die Nassreinigung kann auf 15 S-Bahn-Stationen durchgeführt werden. Eine „schnelle Eingreiftruppe“ soll überall grobe Verschmutzungen zeitnah beseitigen.

Die historischen Fahrzeuge und die Panorama-S-Bahn bleiben bis auf weiteres abgestellt. Auch sie sollen vorsichtshalber einer gründlichen technischen Untersuchung unterzogen werden, wofür derzeit aber keine Werkstattkapazitäten vorhanden sind. Die volle Verfügbarkeit des regulären Fahrzeugparks und damit die Wiederherstellung des Regelfahrplans haben Priorität.

Betriebswerkstatt Friedrichsfelde wieder in Betrieb

Nachdem der Vorstand der DB Regio AG dem erforderlichen Mittelbedarf für die Reaktivierung der S-Bahn-Betriebswerkstatt Friedrichsfelde in Höhe von 7,5 Millionen Euro zugestimmt hat, können nun die Werkstattkapazitäten dauerhaft den gestiegenen Instandhaltungsanforderungen der Züge angepasst werden. Die Betriebswerkstatt Friedrichsfelde war im Januar 2010 zunächst provisorisch wieder in Betrieb genommen worden, um kurzfristig die vorhandenen Standorte Grünau, Wannsee und Oranienburg bei einfachen Arbeiten in der betriebsnahen Instandhaltung zu entlasten.

Der Standort Friedrichsfelde wird stufenweise bis 2012 zu einem vollwertigen Werk im Drei-Schicht-Betrieb hochgefahren. In einer ersten Stufe werden die Mittel für die Instandsetzung der Werkhalle sowie ein Teil der Planungsmittel zur Sanierung der Gleisanlagen freigegeben. Während der Bauzeit stehen mindestens acht Arbeitsstände zur Behandlung von Zügen zur Verfügung. Nach Fertigstellung der Anlagen können dauerhaft 15 Arbeitsstände genutzt werden.

Um mit mehr Zügen in der Hauptverkehrszeit fahren zu können, wird ein neues Werkstattkonzept eingeführt, bei dem die Instandsetzung und Wartung der Züge künftig verstärkt in der Schwachverkehrszeit (abends und nachts) durchgeführt wird.

Baumaßnahmen

Abgesehen von den weiterhin laufenden großen Baumaßnahmen rund um das Ostkreuz und auf der Görlitzer Bahn (S46, S8, S9) sind für 2011 und 2012 eher kleinere Maßnahmen vorgesehen. So wird der S-Bahnhof Wildau (S46) über den Fußgängertunnel verschoben und zweigleisig ausgebaut. Ebenfalls zweigleisig ausgebaut werden soll ein kurzer Abschnitt zwischen Strausberg und Strausberg Nord. Diese Maßnahme ist Voraussetzung für den 20-Minuten-Takt der S5 bis Strausberg Nord. Ob dies aber wirklich noch 2012 geschieht, ist nicht gesichert.

Die geplante Abstellanlange auf dem Ring in Tempelhof ist zwar fest eingeplant, kann aber erst entstehen, wenn in Abstimmung mit dem Land Berlin hierfür Mittel aus den Infrastrukturgeldern bereitgestellt werden.

Perspektivisch möchte die S-Bahn einen 10-Minuten-Takt bis Tegel fahren (bisher 20-Minuten-Takt). Der dafür nötige teilweise zweigleisige Ausbau ist aber noch nicht terminiert.

Neues Zugbeeinflussungssystem kommt

Das schon länger geplante neue Zugbeeinflussungssystem (ZBS), welches auf Balisentechnik basiert und die mechanischen Fahrsperren ablösen wird, startet zum 1. November 2011 auf dem Abschnitt Schönholz— Frohnau der S 1. An diesem Tag soll ein neues elektronisches Stellwerk für den Abschnitt in Betrieb gehen, welches die alten Fahrsperren nicht mehr unterstützt. Weitere Abschnitte entlang der Nordsüd-S-Bahn werden folgen.

Für den Einsatz mit dem neuen ZBS werden zunächst 100 Viertelzüge der BR 481 ausgerüstet. Mit dieser Maßnahme werden weitere Zwänge im Fahrzeugeinsatz wirksam. Schon heute können bzw. sollen die BR 480 und 485 nicht im gesamten Netz eingesetzt werden. Künftig wird dies für einzelne Fahrzeuge der Baureihe 481 auch gelten. Die Baureihen 480 und 485 werden nicht umgerüstet und können können damit nur noch auf Strecken ohne ZBS (Ring- und Stadtbahn) fahren.

Bessere Kundeninformation und Ausstattung der Bahnhöfe

Die Fahrgastinformation auf den Stationen soll deutlich verbessert werden. Aus diesem Grund werden die erst vor wenigen Jahren angebrachten Zugziel- Blechschilder entweder durch die bekannten blauen dynamischen Fahrgastinformationssysteme (DFI) ersetzt oder durch neue dynamische Schriftanzeiger (DSA) ergänzt. Mit den DSA ist es im Falle einer Betriebsstörung oder Zugverspätung möglich, die Fahrgäste mittels einer Laufschrift zu informieren.

Um auch akustische Informationen geben zu können, werden alle S-Bahnhöfe mit zentral bedienten Lautsprechern ausgerüstet. Hierfür werden derzeit die Übertragungsleitungen verlegt. Bis 2012 sollen alle Anzeiger und Lautsprecher vorhanden und aktiv sein. Parallel zu diesen Maßnahmen soll das seit längerem geplante Stammbahnhofskonzept vollständig umgesetzt werden.

Ähnlich den Berliner Bus- und Straßenbahnhaltstellen erhalten alle S-Bahnhöfe einen Ausschnitt aus dem Berlin-Stadtplan.

Bis Ende März 2011 werden alle 450 Fahrkartenautomaten ausgetauscht und 50 weitere neu aufgestellt. Die neuen Automaten haben ein helleres Display, welches bei direkter Sonneneinstrahlung deutlich besser lesbar ist, und sind schneller als die Vorgänger. An den S-Bahn-Automaten wird im Gegensatz zu den äußerlich identisch aussehenden DB-Fernverkehrs-Automaten nur das Fahrkartensortiment des VBB (außer Kostrzyn und Szczecin) verkauft. Da dies bereits häufig zu Verwirrung führte, soll an den S-Bahn-Automaten auf Anregung der Fahrgastverbände der blaue Aufsetzer geändert werden, um auf diesen Umstand besser hinzuweisen.

Seit dem 15. September ist das Kundentelefon der Berliner S-Bahn rund um die Uhr in Betrieb. Statt Anrufbeantworter gibt es nun auch in der Nacht eine persönliche Betreuung. Zu diesen Zeiten wird ein Anrufer an das zentrale DB-Callcenter in Hannover weitergeleitet, weshalb allzu spezifische Fragen, abgesehen von Fahrplanauskünften, nur entgegengenommen und an die Berliner Kollegen zur Nachbearbeitung weitergereicht werden können.

Verschiedenes

Einen Teil der Fragen konnte Peter Buchner beim Sprechtag nicht oder nicht vollständig beantworten. Hier hat er nach dem Abend schriftliche Antworten an die IGEB gesendet, die nachstehend zu finden sind.

Jens Fleischmann

aus SIGNAL 5/2010 (November 2010), Seite 10-11